Part 86 - Unabhängigkeiten

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Beim Frühstück habe ich herausgefunden, dass wir nach der langen Reise gestern, heute erst mal den Tag frei haben. Ein richtiger Luxus! Da wir nun so lange in dieser Stadt hier bleiben, haben wir natürlich auch wieder in einem Hotel eingecheckt, sodass zumindest bislang noch niemandem unsere kleine Umbauaktion im Bus aufgefallen ist.

Wie immer haben wir einen kleinen Gemeinschaftsraum, dieses Mal jedoch mit lediglich einem Sofa, das Miri okkupiert hat. Ihre Beule ist noch deutlicher zu sehen, als ich gedacht habe, aber nun ist es ja nicht mehr zu ändern. Auf jeden Fall nutzt sie ihre Beule, um eine Ausrede zu haben, ihr Krankenlager auf dem einzigen Sofa aufzuschlagen. Was mich eher zu der Frage bringt, wer einen Gemeinschaftsraum für acht Personen konzipiert und dann nur ein Sofa plant. Das ist so dermaßen realitätsfern, das kann nur ein Mann geplant haben, da bin ich mir sicher.

Eine interessante Sache, die ich letzten Abend dann auch noch gelernt habe, war, dass man Mr Morrison auf keinen Fall sagt, was der wirkliche Grund für eine Verletzung ist. Ich gehe davon aus, dass das daran liegt, dass er bei den wahren Gründen noch wütender wird, wobei das gestern bei Miri nicht gerade besser war. Nachdem sie meinte, dass Fußball wohl nicht mehr ihre Lieblingssportart wird, hat Mr Morrison ein Fußballverbot verhängt. Für alle wohlgemerkt. Sogar im Gefängnis haben die Insassen mehr Freiheiten, als wir hier! Ich will aber nicht wissen, was los gewesen wäre, wenn er erfahren hätte, dass es Matts Unfähigkeit war, abzuspielen, die den Schuss auf Miris Kopf verursacht hat.

Ich habe mich am Fußende des Sofas auf den Boden gesetzt, um mich noch weich anlehnen zu können und gleichzeitig einen guten Blick über den Raum zu haben. Nicht, dass wieder etwas passiert und ich hinterher wieder Schuld trage. Allerdings muss ich zugeben, dass ich nicht wirklich aufmerksam bin, denn ich spiele ein wenig auf meinem Handy rum. Das ist wahrscheinlich einer der wenigen Momente, in denen mir tatsächlich so etwas wie langweilig ist. Eigentlich sollte ich das genießen.

Auf einmal klopft es an der Tür. Was ist das hier? Wird Besuch nicht normalerweise per Telefon angekündigt? Wahrscheinlich hat wieder einer der gefräßigen Jungs etwas beim Zimmerservice bestellt, ohne das abzusprechen. Man kann sagen, was man will, aber an das Leben in einer Gruppe muss man diese Horde erst noch gewöhnen!

Schwerfällig erhebe ich mich, da sich zum einen kein anderer rührt und ich zum anderen ja immer noch dafür zuständig bin, alle Verrückten aus unseren Räumen fernzuhalten. Mal ehrlich, das ist nicht möglich, denn die Verrückten sind hier schon lange drin. Selbst wenn da jetzt noch einer dazu käme, würde das meiner Meinung nach auch nicht mehr einen großen Unterschied machen. Selbstredend, dass ich mit dieser Meinung relativ alleine stehe. Also eigentlich komplett alleine.

Als ich dann die Tür öffne und schon einen abweisenden Kommentar abgeben will, sehe ich auf ein Mädchen, das vielleicht zwölf oder dreizehn Jahre alt ist. Tatsächlich ein Fan, wo ist das Hotelpersonal, wenn man es mal braucht?

Das Mädchen sieht mich mit großen Augen an und kaut unsicher auf seiner Unterlippe herum. Herrje, kann mal jemand dem Mädchen ein Kaugummi geben? Es ist einen knappen Kopf kleiner als ich, weshalb ich mich super vor ihm aufbauen könnte, allerdings bezweifle ich, dass das von Nöten sein wird. Kein Wunder, dass sie das Mädchen unten reingelassen haben, wahrscheinlich dachten sie, dass es sowieso nichts erreichen würde oder gar jemanden verletzen könnte.

„Bitte?", frage ich und verstelle trotzdem vorsichtshalber den Eingang. Manchmal sind diese Fans ja ziemlich ausgefuchst. Vielleicht ist diese unschuldige Miene ja eine Masche, um zumindest kurzzeitig zu den Idolen zu kommen. Alleine daran erkennt man, dass sie alle keine Ahnung haben, denn jeder, der sie wirklich mal dauerhaft ertragen musste, wird erkennen, dass sie vieles, aber definitiv keine Idole sind. Nun ja, das sind größtenteils präpubertäre Teenies, das sollte man ihnen vielleicht noch nachsehen.

Was ist eigentlich schiefgelaufen...?Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt