Part 12 - Ein neuer Job

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„Was denn noch?!", frage ich gereizt. Ich schaue mir den Mann genauer an. Er trägt einen Anzug und ist ansonsten auch recht vornehm gekleidet. Für eine Schule auf jeden Fall ziemlich overdressed. Na ja, jedem das Seine ...

Doch statt einer Antwort drückt er mir ein kleines weißes Kärtchen in die Hand. Was soll das denn jetzt bitte?! Genervt verdrehe ich die Augen und sehe mir mit einem extrem gelangweilten Blick die Karte an.

William Johnson Morrison 
      Manager
      Tel. 0123/456789

Aha! Das sagt mir natürlich jetzt viel! Echt mal, was will dieser aufgeblasene Fuzzi von mir? Angeben, oder was? Ich schüttel den Kopf und gehe die Treppen hoch, während ich die Karte achtlos in die Hose stopfe. Mir ist nämlich gerade eingefallen, dass ich dann ja noch meinen Spind ausräumen muss. Aber na ja, sonderlich viel habe ich ja auch nicht drin. Nur ein Ersatz mp3-Spieler und Kopfhörer und eine Packung Kaugummis. Ich habe sie gerade in meinem Rucksack verstaut und drehe mich um, da steht genau hinter, oder jetzt besser gesagt vor mir, dieser Typ, Morrison und spricht mich an.

„Es tut mir leid, dass unser Gespräch unterbrochen wurde, aber ich möchte dir ein Angebot machen." Innerlich verdrehe ich schon wieder die Augen, äußerlich kann ich mich jedoch noch zusammenreißen. Hinter dem Mann steht wieder der Junge und er sieht nicht gerade freundlich in meine Richtung. Gott, was hat der denn für Komplexe?

Das Mädchen, das, soweit ich jetzt mitbekommen habe, wohl Lucy heißt, steht noch ein Stückchen weiter abseits und schaut schüchtern herüber. Was da abläuft, will ich am besten gar nicht so genau wissen. Ich wende mich wieder dem Mann zu. Hoffentlich macht er schnell, ich habe keinen Bock, dass mich noch jemand sieht, mit dem ich mich dann wieder rumärgern muss.

„Ich möchte dir einen Job anbieten", fährt der Mann fort. Der Blick des Jungen hinter ihm verdunkelt sich, wenn möglich, noch mehr und ich ziehe interessiert die Augenbraue hoch. Wenn es ihn ärgert, klingt es irgendwie lustig.

„Ich suche noch einen Bodyguard", meint er und ich sehe ihn sprachlos an. Meint er das etwa ernst?! Dem Blick des Jungen nach zu urteilen wohl schon. Gerade als ich etwas erwidern will, ertönt eine schrille Lache hinter mir. Das darf doch nicht wahr sein! Echt von deren Gegacker bekommt man irgendwann noch einen Hörsturz! Ich stemme die Hände in die Hüften, atme geräuschvoll aus und drehe mich dann langsam zu ihr um.

„Hahaha! Ja, das würde zu dir passen!", dringt es mindestens drei Oktaven zu hoch zu mir rüber. „Aber als ob er das wirklich ernst gemeint hätte. Wer will schon so eine Pennerin, wie dich, einstellen? Guck dir die beiden doch mal an, das ist eine ganz andere Liga!", meint sie abwertend und sieht mich herablassend an. Okay, das lasse ich mir nicht bieten. Im Augenwinkel habe ich gemerkt, wie die anderen das Geschehen beobachten, auf dem Gesicht des Jungen liegt ein leichtes Lächeln.

„Du weißt ja wahrscheinlich noch nicht mal, wer da vor dir steht, oder?", sie erwartet gar keine Antwort, sondern drängelt sich an mir vorbei, legt dem Jungen einen Arm um die Schultern und schmiegt sich an ihn. Wie aufdringlich ist das denn bitte?!

Über das Gesicht des Jungen huscht erst ein überraschter Ausdruck, dann aber grinst er von einer Backe zur anderen. War ja klar. Völlig hormongesteuert! Armselig!

Ich sehe mich kurz im Gang um und finde auch schnell, wonach ich suche. Da das hier eine öffentliche Schule ist, kann leider jeder Idiot hier hin, was man auch deutlich sehen kann. Obwohl angeblich regelmäßig geputzt wird, liegen Unmengen an Müll in den Gängen. Nicht weit von mir entdecke ich eine leere Glasflasche auf dem Boden und steuere auf sie zu. Mit zwei gezielten Fußbewegungen lege ich sie mir zurecht und ziele auf die Schuhe der Tussi. Wobei ich mir nicht sicher bin, ob man das noch Schuhe nennen kann. Sie trägt High Heels, die eigentlich der Schulordnung widersprechen müssen. Sie sind so hoch, dass ich schon fast Zweifel daran habe, dass man ihre Höhe mit einem einfachen Geodreieck noch messen kann. Der Absatz ist so schmal, dass es mich wundert, dass man damit überhaupt das Gleichgewicht halten kann. Aber die Tussi scheint mir nicht so, als hat sie sonderlich viele Hobbys, also wird sie bestimmt viel Zeit haben, das zu üben.

Nachdem ich mich mit einem kurzen Blick versichere, dass sich mein Ziel nicht verändert hat, trete ich zu. Mit doch recht beachtlichem Tempo trifft die Flasche auf den winzigen Absatz der Tussi, der so instabil ist, wie ich vermutet habe. Sehr viel Widerstand bietet er nicht, denn er klappt sofort in sich zusammen. Die Tussi verliert natürlich gleich ihr Gleichgewicht und fällt, nicht ohne noch einmal schrill und hysterisch aufzuschreien, um.

„Wo waren wir stehen geblieben?", wende ich mich mit neutralem Gesichtsausdruck wieder dem Mann zu. Wenn er mich jetzt immer noch als Bodyguard will ... dann ist das der optimale Beruf für mich! „Ach ja, Bodyguard. Wenn das Angebot noch steht", dabei werfe ich einen Blick zu der Tussi, die gerade von dem Jungen aufgeholfen bekommt. Ihr Schuh ist selbstverständlich hinüber, aber das ist mir eigentlich ziemlich schnuppe. „Um wen geht es denn?"

Der Mann grinst. Gutes Zeichen. Ich grinse zurück. „Es steht mehr denn je. Es geht um ihn", er deutet auf den Jungen, der anscheinend den Kommentar des Mannes gehört hat, da er die Tussi erneut fallen lässt (und mich damit im Übrigen ziemlich zum Grinsen bringt). „Und um seine zwei Bandkollegen." Jetzt fange ich richtig an, zu grinsen. Das würde bestimmt lustig werden, wenn sie alle so komisch drauf sind, wie der Junge, der sich immer noch um die Tussi sorgt.

„Okay, aber ich bin noch schulpflichtig und selbst wenn, ich möchte auf jeden Fall meinen Abschluss machen", meine ich dann.

„Das dürfte kein Problem darstellen. Du könntest einfach den Privatunterricht der Jungs mitbesuchen, sobald der wieder losgeht", bietet er an. „Ich dachte eher, dass es vielleicht mit deinen Eltern Probleme geben könnte", führt er dann an.

„Ach, das sollte kein Problem sein", winke ich ab. „Die sind viel Schlimmeres von mir gewohnt. Die werden sich freuen, wenn ich einen Job bekomme und gleichzeitig meinen Abschluss machen kann."

„Das ist gut. Vielleicht könnten wir uns mal mit ihnen unterhalten, um die Details zu besprechen. Vielleicht ohne Zwischenfälle", er sieht die Tussi an. Es ist ihm deutlich ins Gesicht geschrieben, dass er eine ebenso hohe Meinung von ihr hat, wie ich. Das macht ihn mir gleich viel sympathischer.

„Vielleicht nachher zum Essen gegen halb acht bei uns? Ich schreib Ihnen schnell die Adresse auf", ich nehme ein zerrissenes Blatt, das auch schon ziemlich mitgenommen aussieht, aus meiner Hosentasche und kritzel die Adresse drauf. Dann drücke ich sie ihm in die Hand und wende mich zum Gehen. Nicht aber, ohne der Tussi noch einen letzten Spruch zum Abschied zuzuwerfen.

„Ach übrigens", sie dreht ihren Kopf zu mir. „Ich denke, dass du das Stehen auch noch lernen wirst. Spätestens mit neunzig ... obwohl, wahrscheinlich dann doch eher nicht mehr. Na ja, man kann halt nicht alles haben, nicht wahr?", ich lächele ihr noch einmal zu, dann verlasse ich das Schulgebäude.

Was ist eigentlich schiefgelaufen...?Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt