Part 73 - Streiten auf hohem Niveau

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Noch ziemlich verschlafen sitze ich vor einer vollen Schüssel Müsli. Auch die anderen, mal abgesehen von Mr Morrison und Mr Schrank, die aber noch nie wirklich dabei waren, sahen nicht gerade fit aus. Kein Wunder, es ist schließlich erst kurz nach acht Uhr morgens. Gestern ist es noch ein wenig später geworden, denn nachdem wir mit dem Essen fertig waren, haben wir noch in kleineren Grüppchen herumgelungert. Ab und zu gab es kleine Spiele auf der Konsole, bei denen wir uns alle entweder gegenseitig anschrien oder anfeuerten.

Auch wenn ich zu Beginn ein wenig skeptisch ob der guten Stimmung und dem Engagement der Jungs war, so habe ich mich schnell von der entspannten Atmosphäre einlullen lassen. Vielleicht hätte ich das nicht tun sollen, da ich so möglicherweise nicht zu hundert Prozent auf die Sicherheit konzentriert war, aber ich glaube, dass ich das auch mal wieder nötig hatte. Habe ich denn nicht auch mal das Recht darauf, mich gehen zu lassen?

Gut, wirklich gehen gelassen habe ich mich nicht. Ich bezweifle, dass ich in Gegenwart der Jungs überhaupt dazu in der Lage wäre. Wahrscheinlich könnte ich sogar nie wirklich abschalten, außer ich würde mich mit Alkohol volllaufen lassen, aber noch nicht mal das ist sicher, da ich das noch nie gemacht habe und auch nicht vorhabe zu tun.

Wir hatten alle unseren Spaß und es gab noch nicht mal einen Streit zwischen Logan und mir, was aber wohl auch daran lag, dass wir uns den kompletten Abend lang gekonnt aus dem Weg gegangen sind oder ignoriert haben. Das hat eigentlich ganz gut funktioniert. Wir hatten einfach beide keine Lust, uns den schönen Abend zu versauen.

Um kurz vor zwei haben wir uns dann in unsere Betten verkrochen, nichts ahnend, dass die beiden Sadisten, die meinen Arbeitgeber und Kollegen darstellen, uns schon fünf Stunden später wecken würden. Und das noch nicht mal sanft. Mr Morrison war wieder mal nicht auffindbar, aber er hatte anscheinend die Anweisung gegeben, uns aus den Kojen zu werfen, was er auch rücksichtslos mit einem Topf und einem Kochlöffel tat. Ich dachte, dass es so etwas nur in Filmen gäbe, aber so wie es aussieht gibt es tatsächlich Menschen, die das anderen auch gerne antun. Vielleicht hat Mr Schrank auch nur einfach schon zu viele solche Filme gesehen. Gut, wer weiß, wie lange er schon für die Jung den Aufpasser spielen muss, da weiß man sich ja irgendwann bestimmt nicht mehr anders zu helfen, als zu gucken, was in Filmen mit Raufbolden gemacht wird. Normale Ratgeber bringen doch nichts. Mal abgesehen davon, dass man erst mal Zeit dafür haben muss, sie zu lesen. Wer hat das heutzutage noch? Schon gar nicht in diesem Beruf hier, in dem die Arbeitnehmerrechte mit Füßen getreten werden.

Bis wir alle nacheinander im kleinen Badezimmer waren, verging auch noch eine ganze Stunde, obwohl wir alle einen Kurzdurchlauf gemacht haben. Kein Wunder, dass wir so früh aufstehen sollten.

Langsam führe ich einen Löffel Müsli zum Mund und versuche, mich währenddessen nicht einzusauen. Es ist wirklich erleichternd, dass es den anderen nicht besser geht, so muss ich wenigstens später nicht mit irgendwelchen höhnischen Sprüchen rechnen. Hoffe ich zumindest, denn wenn ich mich gestern zusammenreißen konnte, kann ich heute wieder mal für nichts garantieren.

„So, ich hoffe, ihr seid alle fit für die Weiterfahrt nach Düsseldorf?", fragt uns ein grinsender Mr Schrank. Er muss ein echter Sadist sein, anders kann ich das nicht beschreiben. Wie kann man sich nur so daran freuen, wenn andere schlaftrunken versuchen, sich ein bisschen Nahrung zuzuführen?

„Wieso musstest du uns so früh wecken, wenn wir doch sowieso nur weiterfahren?" Das ist eine sehr gute Frage! Gespannt und alle mit mehr oder weniger weit geöffneten Augen drehen wir uns zu ihm hin.

„Ashton, wenn ihr gestern nicht so lange gemacht hättet, wäre das jetzt kein Problem, also stellt euch nicht so an. Wer lange feiern kann, kann auch arbeiten!", gibt er herzlos zur Antwort und dreht sich wieder um, um zum Cockpit des Busses zu gehen. Ein entnervtes Stöhnen kommt von unserer Seite. Als ob wir gestern gefeiert hätten. Alles, was gestern passiert ist, war ein bisschen Entspannung. Keiner kann behaupten, dass das schlecht war, schließlich ist das Schlimmste, das einem auf einer solchen Tour passieren kann, dass einem alles zu viel wird.

Was ist eigentlich schiefgelaufen...?Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt