Was ist eigentlich schiefgelaufen...?

Part 60 - Hypersensible Mädchen und Kosenamen

Das Abendessen mit den Jungs verlief einigermaßen ruhig. Kein einziger Essensbrocken (sowohl schon halb verdaut, als auch unberührt) flog über den Tisch. Wahrscheinlich hatten sie Angst, dass sie rausgeschmissen werden könnten und dann noch früher in den Tourbus umsteigen müssten. Lediglich Ashtons Kopf hat eine kurze, aber intensive, Begegnung mit seinem Abendessen gemacht, als er vom Pumuckel hineingedrückt wurde.

Ich muss ja sagen, dass er es auch verdient hat. Anscheinend musste er ein paar Sprüche abbauen, denn er hat ununterbrochen welche gebracht. Nicht, dass ich nicht auch hin und wieder meine fünf Minuten habe, aber er hat es wirklich ein wenig übertrieben. Und dank Pumuckel hatten wir dann auch noch etwas zu lachen. Sogar Ashton hat dann mitgelacht. Um ehrlich zu sein, habe ich ein schlimmeres Essen erwartet, weil alle etwas angefressen sind wegen der Sache mit dem Tourbus, aber es ging eigentlich.

Trotzdem bin ich ganz froh, dass wir jetzt wieder zurück im Hotelzimmer sind und ich die Jungs mal nicht um mich herum habe.

„Alles klar bei dir?“, fragt mich Lucy auf einmal. Ich habe gar nicht gemerkt, dass sie auch ins Zimmer gekommen ist. Aber ist ja eigentlich auch logisch, schließlich hätte sie sonst wahrscheinlich Zeit mit den Jungs verbracht und da hätte sie zwangsläufig auch Logans Launen ertragen müssen. Das hätte ich an ihrer Stelle dann auch eher nicht gemacht.

„Ja, wieso?“, frage ich ein wenig überrascht nach. Sehe ich etwa krank aus? Ich meine mal abgesehen von dem Vulkan auf meiner Stirn, der sich sogar schon langsam wieder zurückentwickelt, und der allgemeinen Genervtheit, die ich aber nur aufgrund der Jungs an den Tag lege. Was müssen die mich eigentlich andauernd provozieren?

„Ich weiß nicht. Du wirkst so... still?“, antwortet sie mir ein wenig unsicher. Tja, jetzt stellt sich mir irgendwie die Frage, ob ich sonst mehr rede. Wenn, dann kommentiere ich meistens Dinge auf eine Art, wie sie andere Leute nicht leiden können, aber wenn ich das mal lasse, stört das normalerweise auch keinen. Und was hätte ich jetzt gerade auch sagen sollen? Ich wusste ja nicht mal, dass sie auch im Raum ist. Und soweit, dass ich schon Selbstgespräche führe, bin ich eigentlich auch noch nicht.

Um Lucy anzusehen, setze ich mich wieder auf, und sehe, wie sie, ebenfalls auf ihrem Bett, etwas nervös ihre Hände knetet und sie zwischendurch immer mal wieder in den Schoß legt. Gleichzeitig wirkt sie aber auch ziemlich neugierig, so wie sie da im Schneidersitz und mit leicht nach vorne gebeugtem Oberkörper sitzt.

„Auch beim Essen hast du fast nichts gesagt. Das ist irgendwie ungewöhnlich...“, versucht sie es weiterhin zu erklären.

Mit einem Seufzen lasse ich mich wieder zurück auf mein Bett plumpsen. Was soll ich da denn bitteschön zu sagen? Im Prinzip weiß ich ja, dass ich mich heute zurückgehalten habe, aber wieso fällt ihr das denn auf? Als ob es sonst jemanden interessieren würde, warum ich mich wie verhalte!

„Ich hebe mir meine Worte für ein Telefonat mit meiner Mutter auf“, antworte ich ihr dann, damit ich irgendwas sage. Und es stimmt sogar, weil ich wirklich heute noch zu Hause anrufen werde. Morgen haut es von der Zeitverschiebung her wahrscheinlich nicht hin und wenn ich es dann immer noch nicht gemacht habe, werde ich mich wohl wieder drücken. Ich kenne mich, also sollte ich es lieber hinter mich bringen. Irgendwie vermisse ich sie ja auch.

„Ein paar provokante Kommentare beim Abendessen hätten dir aber auch nicht geschadet“, murmelt sie auf einmal leise vor sich hin. Ich glaube nicht, dass es für meine Ohren bestimmt war, denn das passt nicht zu ihren sonstigen Aussagen. Dafür ist sie noch zu zurückhaltend würde ich sagen. Aber es ist dennoch etwas dran. Es hätte mich sicherlich nicht umgebracht, ein bisschen schlechte Stimmung beim Abendessen zu verbreiten, doch irgendwie wollte ich es nicht. Auch wenn ich es ungern zugebe, sind mir die Jungs schon ein wenig ans Herz gewachsen und ich muss ja nicht unbedingt wieder einen Streit vom Zaun brechen.