das Baby

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Anna war vollkommen fertig mit den Nerven. Schon seit Tagen fühlte sie sich einfach schlecht, übergab sich ständig und das, obwohl sie gar nichts aß. Haldir nahm jeden Morgen das volle Tablett mit dem Abendessen mit und stellte ihr ein neues mit dem Frühstück auf das Nachtkästchen. Schon oft hatte er ihr gesagt, dass sie Essen müsse, um das Leben ihres ungeborenen Kindes nicht zu gefährden, doch Anna bekam einfach nichts herunter. Wenn sie auch nur einen Bissen zu sich nahm, verbrachte sie die darauffolgenden Stunden auf der Toilette. Sie konnte es sich nicht erklären und inzwischen war es ihr auch vollkommen egal. Sie hatte nicht  mehr die Kraft darüber nachzudenken, genauso  wenig hatte sie die Kraft auszustehen oder sich aufzusetzen. Jede noch so kleine Bewegung fiel ihr schwer und sie musste sich dabei anstrengen. Danach schwitzte sie, als wäre sie einen Marathon gelaufen.



Celeborn war außer Haus und Arwen war anderweitig beschäftigt, als dass sie auch nur irgendwas von Annas Schmerzen mitbekommen hätte können. Wichtig wie sie sich fühlte, übernahm sie die Rolle der Herrin im Hause und vergaß vollkommen das kleine Mädchen, das sich vor Schmerzen windend aus ihrem Bett hievte.



Sie wusste nicht mal, in welcher Woche sie war. Anna wusste nicht, wann es so weit war, wann sie ihr Baby bekommen würde. Sie spürte es nicht. Sie wusste es auch nicht besser, denn es war ihr erstes Mal und sie selbst war gerade nicht älter als 18. In Mittelerde also noch lange nicht volljährig. Trotzdem wollte sie dieses Baby bekommen, wollte Thranduil damit überraschen, das er Vater werden würde und sie die Mutter seines Sohnes oder seiner Tochter sein würde. Sie freute sich darauf, das, erst fassungslose und dann vor Freude strahlende, Gesicht ihrer großen Liebe sehen zu können, wenn sie ihm die Nachricht überbrachte. Oder ihm das Neugeborene zeigte.



Anna machte sich keine Gedanken darüber, dass das Kind nicht strampelte, oder ihr wehtat, das es nicht Essen wollte oder sich bemerkbar machte. Anna wusste es schließlich nicht besser, sie hatte niemals etwas darüber gehört. Sex, Kinder, Verhütung. All das hätte sie auf der Erde in der Schule gelernt, aber hier in Mittelerde war es vollkommen uninteressant darüber zu sprechen. In manchen Völkern war es sogar eine Schande. Es wurde gemacht und fertig. Die Kinder würden es schon noch lernen, ähnlich wie Anna es gelernt hatte. Allerdings war Thranduil wirklich geduldig mit ihr, er hätte sich ja schließlich auch einfach nehmen können was er so begehrte und sie dann wieder fallen lassen können.  Aber so war er ja nicht. Er hatte ihr Zeit gelassen, sie darauf vorbereitet und versucht, es ihr so gemütlich wie möglich zu machen.



Anna störte es nicht, dass er soviel älter war als sie. Was hatte das hier schon zu bedeuten. Alter. Das wurde hier ziemlich überbewertet. Wenn man überlegte, dass Thranduil schon an die 10000 Jahre alt sein musste. Das war kein Vergleich zur Erde, da konnte man froh sein, wenn man es bis Mitte 70 schaffte. Da galt man schon als alt und wurde zur Legende ernannt. Nun gut, so übertrieben war es nicht, dass wusste auch Anna, doch ihr war es das wichtigste, dass sie mit einem Lächeln einschlief, wenn sie schon die Befürchtung hatte, am nächsten Morgen nicht mehr aufzuwachen.



Einige Stunden später riss Anna verstört die Augen auf und öffnete den Mund. Ihr entfuhr ein Schreckensschrei und dann erlitt sie bestialische Krämpfe im Unterleib. Sie schrie, als würde sie das vor irgendetwas retten. Sie schrie, als hätte ihr jemand ein Messer in den Bauch gerammt, als hätte sie zusehen müssen, wie Thranduil vor ihren Augen getötet wurde. Sie schrie und schrie, schrie, immer lauter. Immer öfter. Immer verzweifelter. Das  Haldir in ihr Zimmer gestürmt war, bekam sie überhaupt nicht mit. Dass er ihr Mut zusprach und dass sie sich beruhigen sollte, auch das bekam sie überhaupt nicht mit. Im Grunde bekam sie, außer ihren Schmerzen, so ziemlich gar nichts mehr mit. Einzig und allein wusste sie, dass etwas vorbei war, nur wusste sie einfach nicht, was es war. Und die Energie, darüber nachzudenken, hatte sie einfach nicht.



Haldir war der nächste der einen Schrei ausstieß und Anna wieder in die Realität zurückholte. Ein Bündel lag auf dem Boden und Haldir stand zitternd an der  Tür. Er sah sie entschuldigend an und rannte raus. Anna verstand nicht was er hatte und fischte zögerlich und vorsichtig nach dem Bündel auf dem Boden. Als sie sah was sich darin befand schrie sie nicht. Sie konnte nicht. Es fühlte sich an, als hätte sie all ihre Schreie schon aufgebraucht. Anna spürte die Tränen in ihre Augen treten. Sie wusste nicht genau, was sie in den Armen hielt, aber sie wusste, dass es einmal ihr Kind hätte werden sollen. Das Kind von ihr und Thranduil. Schluchzend presste sie sich das Etwas an die Brust und weinte hemmungslos.



"Nein...nein.....nein....mein Baby...nein!" war das einzigste was über ihre Lippen kam.

 "Nein...  nein komm zurück zu mir. Bitte..  bitte bleib hier, komm wieder..." schluchzte sie unaufhörlich.


Vollkommen fertig wog sie das Kind in ihren Armen hin und her, betete immer wieder, jemand mochte es ihr doch zurück schicken und sie würde sich darum kümmern. Sie würde all ihre Fehler wieder gut machen und nie wieder böse sein. Doch es brachte nichts. Nichts brachte etwas.




die Verbindung zweier Welten [[HDR FF]]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt