Kapitel 55

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Die nächsten Tage vergingen unerwartet schnell. Am Tag bevor der Aufweckprozess beginnen sollte, reiste Smudo spontan an.
Es war morgens um 9 und ich wollte mich gerade auf in die Klinik machen, als ich ihn vor meiner Tür stehen sah. In der rechten Hand hielt er einen kleinen Koffer und mit der anderen wollte er so eben meine klingel betätigen.

,,Was machst du denn schon hier. Ich dachte ihr wolltet alle erst morgen kommen.", fragte ich ihn verwirrt.
,,Ich konnte einfach nicht mehr warten. Ich wollte meinen besten Kumpel einfach wieder sehen und da bin ich heute morgen einfach her geflogen.", antwortete er ein wenig verlegen und kratzte sich am Hinterkopf.

,,Ich versteh schon. Hallo erstmal.", sagte ich lächelnd und schloss Smudo in die Arme.
,,Was ist eigentlich mit Thomas und Andy?"
,,Die kommen wie besprochen morgen. Ähmm, Hannah...dürfte ich meinen Koffer vielleicht erstmal hier abstellen. Ich kann erst ab 14:00 ins Hotel und ich will ihn ungern durch halb Berlin schleppen."
,,Ja, klar...stell ihn einfach in den Flur. Ich wollte jetzt auch zu Michi. Kommst du mit?", fragte ich ihn, obwohl mir die Antwort eigentlich klar war.

,,Was ist denn das für eine Frage?! Klar komm ich mit...dafür bin ich doch hier.", antwortete er und musste lachen.

Zusammen mit Smudo, der versuchte sich mit Kapuze und Sonnenbrille wenigstens ein bisschen unkenntlich zu machen, trat ich also den üblichen Weg zur Charité an.

Dort angekommen liefen wir schnurstraks auf Michis Station, doch kurz vor seinem Zimmer wurden wir von Doktor Bergmann abgefangen.
,,Hallo Frau Niemann. Wie geht es Ihnen denn?", fragte er und reichte mir die Hand.
,,Guten Morgen. Mir geht's soweit ganz gut. Wir wollten gerade zu Michi.", antwortete ich und erwiderte seine Begrüßung.

,,Konnt ich mir schon denken.", sagte er und lachte. ,,Ich glaub wir beide kennen uns noch nicht.", sagte er nun an Smudo gewandt.
,,Das glaub ich auch. Schmidt mein Name...ich bin ein Freund und Kollege von Michi.", berichtete er.
,,Na dann...freut mich sie kennenzulernen.", antwortete er und reichte auch ihm die Hand.

,,Bevor Sie zu ihm gehen, würde ich sie aber bitten mal mit in mein Büro zu kommen.", sagte er und nickte in Richtung des Raumes am Ende des langen Gangs.

Smudo und ich folgten dem Arzt und wenige Augenblicke saßen wir auf 2 Stühlen vor ihm.
,,Also wie Sie bereits wissen, beginnen wir morgen damit Ihren Freund wieder zurück ins Leben zu holen. Diesbezüglich hatte ich mir noch eine zweite Meinung von einem weiteren Spezialisten auf diesem Fachgebiet eingeholt und er hat dem Vorhaben ebenfalls grünes Licht gegeben. Wir werden also morgen damit beginnen ihm die entsprechenden Substanzen zu verabreichen, die diesen Aufwachprozess einleiten und mit der Zeit die jeweiligen Geräte abstellen, die momentan noch seine Körperfunktionen, wie zum Beispiel das Atmen übernehmen...aber natürlich nur, wenn sein Körper selbst wieder damit anfängt."

,,Und wie lange dauert das? Wann haben wir ihn denn endlich wieder?", brach es aus Smudo heraus.
,,Es dauert, solange es dauert."
,,Was ist denn das für eine Aussage?", bohrte Smudo verständnislos nach.
,,Ich kann Ihnen nicht genau sagen, wie lange es dauert, Herr Schmidt. Manche sind nach 2 Tagen wieder voll bei sich...andere schlafen trotz dessen, dass bei ihnen wieder alles ordnungsgemäß funktioniert, noch Wochen weiter und wachen erst nach ein paar Monaten auf. Wir können Herrn Beck nur die notwendigen Medikamente geben, aufwachen muss er dann selber und das wird er sobald sein Körper vollkommen bereit dazu ist. Bedenken Sie bitte, dass er in den letzten Wochen sehr viel durchgemacht hat."

,,Aber-."
,,Lass gut sein Smudo. Die Ärzte machen das schon. Wir haben ihn sicher bald wieder.", sagte ich und sah ihn aufmunternd an.
Er sah mich an und ich konnte erkennen, dass sich ein paar Tränen in seinen Augen sammelten. Er nickte langsam und sah zu Boden.

,,Wann geht es denn morgen los? Dürfen wir dabei sein?", fragte ich zur Ablenkung.
,,Wir legen um 9 Uhr los. Jedoch müssen wir Sie bitten den morgigen Tag nicht zu kommen. Er steht von da an 24 Stunden unter Beobachtung. Wir wollen sehen, wie er auf die Medikamente reagiert und müssen immer wieder Untersuchungen durch führen. Übermorgen dürfen Sie ihn aber gerne wieder besuchen."

,,Alles klar.", sagte ich.
,,Haben Sie denn sonst noch irgendwelche Fragen."
,,Vorerst nicht. Du, Smudo?"
Er schüttelte mit dem Kopf.

,,Na dann entlass ich Sie jetzt zu ihrem Freund und wir sehen uns sicher in 2 Tagen wieder.", sagte er und reichte uns beiden die Hand.
,,Wiedersehen.", sagte Smudo und ließ die Tür hinter sich in Schloss fallen.

,,Wie kannst du nur so ruhig bleiben?", fragte er mich bedrückt während wir zu Michis Zimmer liefen.
,,Wie meinst du das?"
,,Naja, vielleicht liegt er noch Monate so rum. Allein schon bei dem Gedanken wird mir schlecht."
,,Smudo, wir haben schon so lange auf den morgigen Tag gewartet...jetzt müssen wir ihm noch die Zeit geben, die er braucht. Und siehs mal so, vielleicht kommen wir ja übermorgen hierher und er lacht uns aus seinen braunen Augen an.", veruchte ich ihm Mut zu machen.
Er atmete tief durch. ,,Du hast ja recht.", sagte er und bevor ich die Tür zu Michis Zimmer öffnen, schloss er mich in die Arme.

Ich schlang meine Arme um seinen kräftigen Oberkörper und legte meinen Kopf an seine Schulter. Zum ersten mal seit langem fühlte ich mich wieder richtig sicher.
Kurz sah ich zu ihm auf und sah, wie die Tränen aus seinen geschlossenen Augen drangen und ihm die Wange runter liefen. Langsam strich ich ihm über den Rücken.

,,Hey Smudo...nicht weinen. Nicht jetzt. Das schlimmste ist überstanden. Bald haben wir ihn wieder. Bald ist alles vorbei.", versuchte ich ihn zu trösten. ,,Und was würde Michi denn sagen, wenn er wüsste, dass du jetzt hier stehst und Tränen vergießt. Du musst jetzt stark sein...für ihn.", redete ich weiter ruhig auf ihn ein.

Langsam löste er sich von mir und sah mich mit geröteten Augen an.
,,Weißt du, Michi kann sich wirklich glücklich schätzen dich gefunden zu haben...ihr gehört einfach zusammen und du tust ihm gut. Sonst wäre er nach eurer Trennung nicht so aufgelöst gewesen.", sagte er und lächelte mich zuversichtlich an.

,,Vielen Dank, Smudo.", sagte ich und nahm ihn erneut in die Arme.
,,Ich hab zu danken. Wollen wir rein gehen?"
,,Klar!", sagte ich, löste mich wieder von ihm und öffnete die Tür zu Michis Zimmer.

Smudo ließ mich heute wieder kaum zu Wort kommen. Er redete die ganze Zeit wie ein Wasserfall und ließ sämtliche Anspannung von vorhin fallen. Man merkte, wie viel Michi ihm bedeutete.

Zwischenzeitlich verließ ich die Station um Smudo und mir einen Kaffee zu holen.
,,...sie ist wirklich die richtige für dich, Kumpel."
Hörte ich Smudo sagen, als ich das Zimmer wieder betrat.

Ein wenig verlegen sah er mich an und nahm seinen Becher entgegen.
Zusammen saßen wir noch eine Weile an Michis Bett und tranken unseren Kaffee während ich Smudo weiter dabei zuhörte, wie er sich mich Michi unterhielt.

,,Du Hannah...ich glaub wir müssen so langsam los. Ich muss noch meine Koffer holen und ins Hotel, sonst wird mein Zimmer storniert.", sagte er und sah mit gerunzelter Stirn auf seine Uhr.

,,Na dann los.", sagte ich und erhob mich von meinem Stuhl.
Smudo nahm Michis Hand und verabschiedete sich ein wenig unbeholfen von ihm.

,,Wir sehen uns in 2 Tagen. Machs gut, Kumpel.", sagte er.
Als Smudo fertig war beugte ich mich wie üblich zu Michi herunter und gab ihm den den gewohnten Abschiedskuss.
,,Bald haben wir uns wieder.", sagte ich uns verließ nach Smudo das Zimmer.

Zusammen fuhren wir wieder zu mir. Smudo holte seinen Koffer aus meiner Wohnung und verabschiedete sich von mir. ,,Ich ruf gleich noch Thomas und Andy an und sag Bescheid, dass wir morgen nicht in die Klinik können. Hast du vielleicht Bock was mit uns zu machen?", fragte er mich.

,,Klar, warum nicht?"
,,Cool, dann schreib ich dir dann nachher einfach nochmal."
,,Mach das.", antwortete ich.
Zum Abschied drückte er mich noch einmal kurz und machte sich danach auf den weg zu seinem Hotel.

Ungefähr eine Stunde später erhielt ich eine SMS von Smu.
,,Thomas und Andy wissen Bescheid. Sie sind gegen 13:00 da. Komm einfach zum Hotel am Alex...wir haben eine Überraschung für dich."

,,Na da bin ich aber mal gespannt.", antwortete ich und legte mein Handy wieder beiseite.

Die schwere Zeit schien nun endlich vorbei zu sein.

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