Kapitel 40

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Es verging in den letzten Wochen wirklich kein Tag, an dem ich nicht an Michi dachte. So schlimm war es das letzte mal, als wir uns nach unserer gemeinsamen Zugfahrt verabschieden mussten. Der Griff zum Telefon wurde jedoch immer schwerer. Ich würde ihn nie wieder sehen...und nie wieder seine Stimme hören und entgegen meiner anfänglichen Erwartungen war das nun das einzige, was ich mir am meisten wünschte, aber was solls...

Das einzige, was mich in der Zeit noch so eingermaßen von meinen seelischen Schmerzen ablenkte, waren die Prüfungen an der Uni. Teilweise kam ich in den letzten Tagen nicht einmal dazu eine Träne an Michi zu verschwenden. Das ganze stresste mich so sehr. Oft war ich nächtelang wach um den ganzen Stoff in meinen Kopf zu bekommen. Sonst hatte ich beim Lernen eigentlich nicht solche Probleme, aber die große Stoffmenge und auch die Trennung von Michi machten mir echt zu schaffen.

Während der Prüfungszeit rannte ich fast täglich auf die Toilette. Immer wieder musste ich meinen Magen über der Kloschüssel entleeren. Das schob ich natürlich alles auf den Stress...anders konnte ich mir das auch nicht erklären.

Ich war so froh als die ganze Prüfungsprozedur vorbei war...immerhin eine Last fiel somit von mir ab. Nachdem wir alle Arbeiten hinter uns gebracht hatten, wollten ein paar meiner Mitstudenten zur Feier des Tages etwas trinken gehen. Lust hatte ich eigentlich keine, aber auf Grund der netten Einladung kam ich einfach nicht dazu nein zu sagen.

Am Abend dann stand ich vor dem Spiegel sah ich mich zum ersten mal wieder richtig an. Ich sah einfach nur schrecklich aus. Mein Gesicht war eingefallen und ich war blass wie noch nie. Mein Gott hab ich mich gehen lassen. Das musste aufhören!

Doch die nächste Hiobsbotschaft ließ nicht lang auf sich warten. Beim Blick auf die Uhr, die in meinem Badezimmer hing, fiel mir zum ersten mal nach langer Zeit wieder das Datum auf und als ich das so richtig realisierte, hörte mein Herz vermutlich für ein paar Sekunden auf zu schlagen. Mir wurde schwarz vor Augen und um zu verhindern das die Kraft aus meinen Beinen wich, ließ ich mich auf dem Fußboden nieder und schlug mir die Hände vors Gesicht. Verdammte Scheiße! Wie konnte mir das nicht auffallen. Wieso um alles in der Welt habe ich nichts bemerkt?!

Ich war nun seit fast 2 Wochen...überfällig. Nicht einfach nur mal 3 Tage...nein 2 Wochen! War ich wirklich so abgelenkt? Hat mich das alles hier so aus der Bahn geworfen, dass ich nicht mal im enferntesten mitbekommen hatte, dass wortwörtlich irgendwas fehlte?

Ich musste dringen zum Arzt...gleich morgen. Ich musste das umgehend abklären lassen. Vielleicht waren das ja auch nur hormonelle Probleme...was mir mit Mitte 20 eher unwahrscheinlich erschien. Mir war es egal, womit das zusammenhing...Hauptsache meine schlimmste Vermutung würde sich nicht bestätigen. Das konnte einfach nicht sein. Nein...es durfte nicht sein!

Die Verabredungen mit den anderen sagte ich ab und legte mich gleich darauf in mein Bett. Das hatte mir den Abend total vermiest und mir war klar, dass ich heute keinen Spaß mehr haben würde.

Am nächsten Morgen wachte ich zeitig auf. Ich machte mir etwas kleines zu essen, was ich allerdings wenige Minuten später schon wieder die Toilette runter spülte.

Als ich mich von dem erneuten Brechanfall erholt hatte, setzte ich mich an meinen Laptop und suchte nach einem Bereitschaftsfrauenarzt hier in Berlin und wurde auch schnell fündig. Sofort rief ich in der Praxis an, um noch einen Termin für den heutigen Tag zu vereinbaren und 2 Stunden später, ungefähr gegen 9 Uhr, sah ich mich auch schon der netten Sprechstundenhilfe gegenüber, mit welcher ich mich vorhin unterhalten hatte.

Sie gab mir ein paar Formulare, die ich ausfüllen sollte und 5 Minuten, nachdem ich ihr die Blätter zurück gab, wurde ich auch schon ins Behandlungszimmer gerufen.

Die Ärztin war sehr freundlich und nahm sich alle Zeit der Welt für mich...immerhin saß ja auch niemand anders weiter im Wartezimmer.

Ich schilderte ihr mein Problem und sie hörte mir mit gerunzelter Stirn aufmerksam zu. Nachdem ich fertig war mit erzählen, folgten ein paar Untersuchungen.

Knapp eine Stunde später dann verließ ich die Praxis dann mit einer Erkenntnis, die mein Leben völlig aus der Bahn geworfen hatte.

Ich war schwanger.

Ich war mir ziemlich sicher, dass nur Michi der Vater sein konnte. Immerhin war er der einzige Mann zu dem ich in den letzten Wochen körperlichen Kontakt hatte...aber wann und wie konnte das passieren. In all der Zeit hatten wir nie Sex. Nicht ein einziges Mal.

Auf dem Weg nach Hause zerbrach ich mir den Kopf über die ganze Situation. Wie benommen lief ich durch die Straßen Friedrichshains und ließ mich auf einer Bank in einem Park unweit meiner Wohnung nieder. Plötzlich kam mit ein Geistesblitz.

Die Nacht im Hotel!

Wir waren beide so stockbesoffen. Keiner von uns wusste mehr so wirklich, was in dieser Nacht passiert ist und am nächsten morgen lagen wir beide halbnackt in Unterwäsche im Bett.

Oh man...wie blöd kann man eigentlich sein! So ein Mist! Tja...das kommt davon, wenn man auf die Pille verzichtet. Super Sache, Hannah!

Da hatte ich in dieser Nacht wohl mein zweites mal Sex und habe nicht auch nur im entferntesten eine Erinnerung daran. Noch dazu bin ich schwanger und dem Vater des Kindes, welches in mir heranwuchs hatte ich das Herz gebrochen. Toll gelaufen!

Den ganzen Mittag über saß ich auf meiner Couch und überlegte, was ich nun machen sollte. Ich konnte und wollte das Leben, welches in mir heranwuchs nicht einfach abtreiben und somit auf eine Art umbringen lassen, aber andererseits würde ich allein nie in der Lage sein dem Kind ein normales Leben zu bieten...außerdem steckte in ihm auch ein Teil von Michi.

Ich musste mit jemandem über die ganze Sache reden. Nur mit wem? Meine Eltern kamen keineswegs in Frage und auch Studienkollegen wollte ich das ganze nicht stecken.

Nach langem Überlegen fiel mir jedoch der Tag ein, an dem Smudo mich nach unserer durchzechten Nacht nach hause gefahren hatte. Bevor ich aussteig, drückte er mir einen kleinen Zettel in die Hand. ,,Falls unsere kleine Diva Probleme macht oder du sonst irgendwie Hilfe brauchst, kannst du gerne anrufen.", hatte er auf meinen fragenden Blick erwidert.

Jetzt hatte ich ein Problem und obwohl Smu Michis bester Freund ist und er sicher wusste, was ich getan hatte, war er der einzige, mit dem ich jetzt reden wollte.

Am späten Nachmittag dann ging ich meinem Plan nach und tippte Smudos Nummer in mein Handy ein. Es klingelte ein paar Mal bis sich dann endlich seine leicht verwirrte Stimme meldete.

Also los, Hannah! Jetzt gilts!

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