Kapitel 9: Ein (nicht) alles klärendes Gespräch

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May

„Was hast du jetzt für ein Fach?", fragte ich Dylan und schulterte meine Tasche. Ich ließ meinen Blick über die Menschenmenge gleiten und strich mir mein Haar hinter mein Ohr. Zum Glück sah niemand zu mir.

Ich hatte gerade fast den größten Schock meines Lebens erlitten, als Kleo mich einfach an die Wand gedonnert hatte und so pampig zu mir gewesen war. Eine Sekunde hatte ich in ihren Augen einen Ausdruck gesehen, der mich denken ließ, dass sie womöglich wirklich auf mich einschlagen wollte. Da war mehr, als dass ich ihr nur als Neue auf die Nerven gegangen war.

Ihre Augen hatten diesen besonderen Ausdruck geborgen, der mir die Nackenhaare hatte aufstellen lassen. Es ging nicht nur um mich, sie ärgerte sich ziemlich über etwas und ich war dann sozusagen diejenige, die das Fass zum Überlaufen gebracht hatte. Ich konnte jetzt nicht genau sagen, warum ich so dachte, aber ich hegte das Gefühl, dass Dylan in die ganze Situation mit verstrickt war.

„Chemie. Wenn es dir darum geht, dass ich dir auf dem Weg zu deinem Zimmer helfen soll, mache ich das natürlich. Wir sind ja schließlich in einem Rudel, hilft man sich da nicht gegenseitig?" Ich hatte das Gefühl, dass ein Hauch Sarkasmus in seiner Stimme mitschwang.

Doch ich hatte mein Ziel erreicht, ich konnte vielleicht endlich ein bisschen Klarheit in meinen Kopf bekommen und da ich nun Biologie hatte, war es der perfekte Vorwand, ihm so lange wie möglich an der Sohle zu kleben. Die Naturwissenschaften waren schließlich alle sehr nahe beieinander.

Als ich ihm in eine bestimmte Richtung folgte, war ich unendlich erleichtert, dass sich niemand mehr mit mir und der fast vorhandenden Prügelei beschäftigte. Normalerweise wäre ich spätestens jetzt das Gesprächsthema Nummer Eins. New Jersey war wohl doch nicht ganz so übel. Ob Thomas wohl eingeschnappt war, dass ich mir heute jemanden anderen ausgesucht hatte, der mir meinen Klassenraum zeigte?

„Ist Kleo immer so leicht ... Reizbar?", fragte ich Dylan völlig unvermittelt, als wir nach links abbogen. Er inspizierte mich mit einem Blick, als wäre er total erstaunt, wie ich denn jetzt darauf kommen würde.

„Normalerweise nicht. Ich kenne sie ja schon lange und wenn sie derart auf die Palme gebracht wurde, musste schon etwas passiert sein, was sie sehr beschäftigte. Du hast jetzt sicherlich einen völlig falschen Eindruck von ihr, aber ich kann dir versichern, dass sich das alles zwischen euch wieder einrenken wird. Du hast ihr schließlich nichts getan, das wird ihr auch noch klar werden."

Als Antwort grummelte ich nur. Ohne, dass ich es wollte, hatte mein innerer Wolf bemerkt, dass sich bei Dylan etwas verändert hatte. Ich konnte es nicht genau zuordnen, doch als er von Kleo sprach, hatte sich sein Geruch verändert. Ich müsste jetzt nur noch wissen, welche Ursache das hatte. Doch der Sache mit Dylan und Kleo würde ich auf jeden Fall auf der Spur bleiben, das schwor ich mir hiermit.

Es war ja nicht so, als würde ich sehr viel Zeit in Zukunft mit den beiden verbringen.

„Wie stehst du eigentlich zu Kleo? Seid ihr so etwas, wie 'Wolfsverbündete'?" Das ach so geheime Wort nuschelte ich eher hinter vorgehaltener Wand, da ich aus meiner Lektion von gerade gelernt hatte. Wenn Dylan jetzt auch noch die Kontrolle verlieren würde, hätte ich es mir nach noch nicht mal einem Tag mit allen Betas meines neuen Rudels verscherzt und darauf konnte ich gestrost verzichten.

„Ich kenne sie besser als jeden anderen Menschen, sie ist meine beste Freundin. Stellt das irgendwer in Frage?", fragte er, allerdings bleib seine Stimme nicht so ruhig und sachlich wie vorhin, ich konnte einen Hauch von Nervosität in seiner Stimme erkennen.

„Ich wollte es nur fragen. Dass ihr mehr als nur Klassenkameraden seid, war mir klar", versuchte ich die Situation zu entschärfen, eine Eskalation konnte ich nicht riskieren. Meine Vermutungen würde ich erst einmal nur für mich behalten. Ich würde die stille Beobachterin spielen.

„Jetzt mal eine ganz andere Frage: Warum bist du überhaupt nach New Jersey gezogen? Ich meine, die Stadt hier, Jersey City, ist ja nicht gerade klein, aber warum genau hier?" Eine gute Frage, ich hatte mich schon gewundert, warum sie mich denn noch niemand gefragt hatte.

„Mein Dad hatte hier ein gutes Jobangebot bekommen. Und von Virginia ist es zwar schon ein Stück, aber es war noch erreichbar. Es ging alles sehr kurzfristig, da eine Stelle freigeworden war und somit muss ich mich auch erst einmal mit dem Gedanken abfinden, komplett aus meinem alten Leben gerissen worden zu sein", antwortete ich ihm. „Dafür lebst du dich aber ziemlich schnell hier ein." „Das liegt wohl daran, dass ihr alle hier so wahnsinnig freundlich seid."

Dylan und ich waren nun im Trakt der Naturwissenschaften angekommen und ich erkannte in unmittelbarer Entfernung ein paar Jungs, die die Hand hoben, als sie Dylan erblickten und eine Augenbraue nach oben zogen, als sie mich neben ihm erblickten. Wow, wir hatten uns nur unterhalten, sie sollten da nur nicht zu viel hineininterpretieren.

Besonders aber der Blick eines blonden Mädchens fiel mir auf. Sie warf mir einen ziemlich scharfen Blick zu und kam dann anschließend auf Dylan zugelaufen. Das war der Punkt, an dem ich mich ausklinkte und mich von ihm verabschiedete. Meine Klasse hatte ich mittlerweile auch entdeckt, dank der freundlichen Hilfe von Thomas, der mir schon als ich in Sichtweise kam, freundlich zugewunken hatte.

„Bist du etwa mit O'Brien befreundet? Er spielt mit ihnen allen nur, ich würde da lieber aufpassen", gab Thomas monoton von sich, als ich neben ihm ins Zimmer trottete. Ich war nur neben ihm hierhergelaufen, warum interpretierte da jeder so viel hinein? War Dylan so etwas wie der 'Player' der Schule? Falls ja, war das eindeutig an mir vorbeigezogen.

Und vor allem, was hatte ihn es zu interessieren, mit wem ich meine Zeit verbrachte? War er etwa eifersüchtig? Obwohl ich ihn eigentlich noch gar nicht kannte?

Wie meistens, wenn ich in Gedanken war, musste irgendjemand mich unterbrechen. Dieses Mal war es die Biologielehrerin, eine Brünette, Mitte dreißig, mit einer Brille, die wohl Ms. Gilbert hieß. Ich stellte mich ihr vor und sie wieß mir freundlich meinen Platz zu.

„May, du setzt dich bitte auf den freien Platz neben Thomas."

Ich hoffte nun mal, dass er es mit seinen Warnungen vor Dylan nicht übertreiben würde.

Moonlight werewolvesWo Geschichten leben. Entdecke jetzt