Elijah setzte sich neben mich auf den Boden. „Da hab' ich dich tatsächlich unterschätzt."
„Tja, viele unterschätzen mich." Ich strich mein Haar zurecht, das sich beim Rennen aus meiner Frisur gelöst hatte, mir war natürlich bewusst, dass dabei mein T-Shirt nach oben rutschte und meinen Bauch entblößte.
„Du stehst nicht auf Jada, richtig?", fragte ich laut.
„Nein. Sie soll das nicht persönlich nehmen. Es hat nichts mit ihr zu tun."
„Ist nett, dass du trotzdem was mit ihr unternimmst. Irgendwie."
Elijah nickte und fuhr mit den Fingern über das kurze Gras, dann meldete sich sein Handy mit einem kurzen Ton. Er zog es aus seiner Hosentasche, sah darauf und steckte es wieder ein. „Von wo genau kommt ihr eigentlich?", fragte er und sah mich wieder an.
„Park Falls."
Ich vermisste meine Heimatstadt und meine Mom. In Park Falls hatte sich bis jetzt mein ganzes Leben abgespielt, diese Stadt könnte viel über mich erzählen. Aber es war genauso befreiend sie zu verlassen, nachdem sie mir wehgetan hatte. „Da seid ihr geboren?" Elijah schien keine Ahnung zu haben wo Park Falls lag, aber meine Erklärungsversuche würden nirgendwo hinführen, also sagte ich stattdessen: „Ja. War aber nicht geplant."
„Nein? Mmh, passiert."
Ich hob den Kopf und hielt ihn in den Rest Sonnenlicht, der uns noch blieb. Auf einmal hatte ich das Bedürfnis, ihm mehr über mich zu erzählen. „Ich bin nicht Kurts Sohn."
Elijah sagte nichts, also fuhr ich fort: „Nach Chrissys Geburt hatte meine Mutter eine kurze Affäre. Doch sie reichte, um schwanger zu werden. Mom konnte vierzehn Jahre verheimlichen, dass wir Kuckuckskinder sind, aber Kurt war nicht dumm. Er hat es testen lassen. Dann ist er ausgezogen, wollte sich scheiden lassen und uns nie wieder sehen. Nach vierzehn Jahren."
Jedes Mal, wenn ich darüber redete, konnte ich es selbst nicht verstehen. Ich hatte es zur gleichen Zeit wie Kurt erfahren und mir war es egal gewesen, weil ich ihn geliebt hatte wie meinen echten Vater. „Wahrscheinlich ist er froh, dass ich nicht sein Sohn bin."
„Das ist nicht fair." Elijah sah mich betroffen an, irgendwie mochte ich, dass er mir zuhörte. Ich konnte nicht verhindern, dass ich an den alten Kurt dachte, meinen Vater, und es trieb mir Tränen in die Augen. „So ist es eben."
„Wenn du nicht mit ihm klarkommst, warum bist du dann hier?", fragte er.
„Lange Geschichte ohne Happy End."
„Jeder hat diese Geschichten ohne Happy End."
„Also dein Leben klingt ziemlich gut", warf ich ein, „du bist unabhängig, beliebt, hast ein nützliches Talent, Geld und jede Menge Verehrerinnen. Dir wird bestimmt niemals langweilig." Er sah wieder auf den Boden, weshalb ich sein Gesicht nicht sehen konnte. „Nein, langweilig ist es nicht. Und wenn ich so an die letzten Jahre zurückdenke, fällt mir nichts ein, was irgendwie nicht so gelaufen ist wie ich es mir vorgestellt habe. Aber auch in meinem Leben war nicht immer alles gut."
Das machte mich neugierig. „Zum Beispiel?"
„Der Tod meines Dads."
Für einen Moment wusste ich nicht, was ich sagen sollte. „Oh, das tut mir leid, ich dachte deine Eltern sind geschieden. Wie alt warst du?"
„Sieben." Ich starrte ihn an, versuchte mir vorzustellen wie klein er gewesen war, als er seinen Vater verloren hatte. Ein weinender, blonder Junge vor einem blumengeschmückten Sarg. Ich merkte erst, dass ich meine Hand auf seine gelegt hatte, als wir uns berührten. Reflexartig zog ich sie zurück. Elijah biss sich auf die Lippe. „Er ist bei einem Autounfall gestorben. Die Bremsen reagierten nicht."
Wir schwiegen. Die Sonne verschwand hinter den Bäumen und es wurde eine Spur kälter. Wir waren beide in Gedanken versunken, eine ganze Weile saßen wir einfach nur zusammen.
„Jada scheint sich in ihre Trinkflasche gesaugt zu haben", sagte ich irgendwann. Es brachte Elijah zum Lächeln. Wir erhoben uns, klopften uns das Gras von den Hosen. „Du solltest sie vielleicht besser mal suchen", sagte er und ich nickte. Bevor ich ging, drehte ich mich noch einmal um. „Du bist nett, viel netter als deine Freunde."
Ich stellte fest, dass ich mein Bild von Elijah noch einmal überdenken musste und kam zu dem Entschluss, dass er nicht der eingebildete Macho war, den ich zuerst in ihm gesehen hatte. Nein, er war wirklich nett, grüßte mich auf dem Gang und lächelte sogar. Manchmal hatte ich das Gefühl, er beobachtete uns heimlich, folgte uns und blieb immer in Sichtweite. Serena hatte dafür gesorgt, dass wir bei den Cheerleadern und den Footballspielern am Tisch saßen, ein Privileg, dass uns von vielen anderen abhob. Keith ignorierte mich großzügig, was mir gerade recht war.
Nach den Theaterstunden war ich immer allein, die anderen hatten früher aus. Einmal blieb ich noch stehen, draußen an der Mauer, packte meine Trinkflasche aus und nahm ein paar Schlucke. Als ich sie wieder zuschraubte, sah ich plötzlich Elijah.
Er kam auf mich zu, die Hände in den Hosentaschen. „Hallo", sagte er, warf seinen Rucksack neben uns auf den Boden, setzte sich zu mir auf die Mauer und ließ den Blick über den leeren Schulhof schweifen.
„Hallo." Ich wunderte mich, dass er noch hier war, aber ich wollte nicht nachfragen, also schwieg ich. Er schwieg auch, also schwiegen wir beide bis es unangenehm wurde.
„Okay", sagte er plötzlich, „ich will dir was sagen." Ich sah ihn an, erwartungsvoll. Elijah hob langsam den Blick und holte tief Luft. „Austin. Ich bin schwul. Ich bin wie du."
Ich musste ihn wahnsinnig blöd anschauen, aber in diesem Moment war ich so überrascht, dass ich keine Kontrolle mehr darüber hatte. Ich konnte nicht glauben, dass er das gerade gesagt hatte und dass er es ernst meinte. „Machst du dich gerade über mich lustig?"
„Du glaubst ich mach' mich lustig?", gab er zurück und biss die Zähne zusammen, „mir ist es gerade mega schwergefallen dir das zu sagen."
Ich starrte immer noch, versuchte seine Worte zu begreifen. Elijah, der Footballspieler, der beliebte Junge mit dem schnellen Auto, mit den Partys, umgeben von seinen Jungs, seinen Freunden, für die er der coolste Typ der High School war. Ich verstand nicht wie ich das übersehen konnte, warum er mir das hier und jetzt erst sagte. „Okay aber... ich weiß nicht was ich sagen soll. Warum sagst du mir das überhaupt erst jetzt? Nach allem was passiert ist, wieso habe ich nichts gemerkt?"
Er sah mich nicht an. „Es weiß keiner außer dir."
Ich versuchte zu verstehen, was er von mir wollte, was er hören wollte, aber ich war zu durcheinander. „Deine Freunde, sie mögen mich nicht, ich habe Angst vor ihren Kommentaren und jetzt sagst du mir so etwas? Weißt du wie unfair das ist? Und deine Reaktion in meinem Zimmer, war das wirklich nötig?"
„Du hast nur Anschuldigungen für mich übrig?" Elijah schüttelte den Kopf. Ich wollte ihn nicht beschuldigen, ich war gemein, doch bevor ich noch etwas sagen konnte, schnappte er sich seinen Rucksack. „Egal. Ich geh jetzt", sagte er und lief los. Ich hatte ihm noch so viel zu sagen, wollte, dass er mit mir darüber redete, aber er ging einfach weiter.
Verärgert sprang ich von der Mauer. „Das ist echt feige!", rief ich ihm wütend hinterher. Jetzt blieb er doch stehen, drehte sich um und sah mich wütend an. „Ich hätte es dir gar nicht sagen sollen!" Dann rannte er über den Schulhof zur Straße, wo sein roter Chevrolet Camaro parkte.
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Dreamboy (#deutsch)
RomanceAls Austin nach Beaver Dam zieht, hat er eigentlich vor, seinem Vater eine zweite Chance zu geben. Doch dann trifft er auf den angesagten Elijah, der so ganz anders ist als alle glauben. Je näher er Elijah kommt, desto näher kommt er einer Wahrheit...