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Weihnachten kam schnell. Mir blieb nichts anderes übrig als erneut nach Minneapolis zu meiner Mutter zu fliegen. Doch ich blieb nicht lange dort, sie vertrieb mich mit ihren Ansichten und der Idee, mich mit der Tochter eines Kollegen zu verkuppeln.

Ein Tag später war ich in Beaver Dam, wo ich bis zum Ende der Ferien bleiben wollte. An Silvester hielt ich Austin in meinen Armen und wir waren uns beide sicher, dass es ein gutes Jahr werden würde.

„Jeffrey kommt bald zurück", erzählte er, „und ich will meinen leiblichen Vater kennenlernen. Jada hält nichts von der Idee, aber ich will wissen wer er ist."

„Wenn es dir wichtig ist, solltest du es tun", war meine Meinung dazu und er machte sich tatsächlich auf die Suche.

Zurück an der Universität hatte ich einiges zu tun und die Zeit rannte und brachte den Frühling. Als ich an einem kühlen Tag vom Training kam, stand Bart mit gepackten Koffern im Flur des Palace. Er sah wütend aus, aber ich konnte auch Verzweiflung sehen.

„Was machst du da?", fragte ich verwirrt.

„Ist es nicht offensichtlich? Ich gehe", erwiderte Bart. Hinter ihm trug ein Mann noch zwei weitere Koffer die Treppe herunter.

„Warum?" Ich verstand nicht. Wir waren in der letzten Zeit gut miteinander ausgekommen.

„Mein Vater hat meine Highsociety weggegeben. Sie gehört mir nicht mehr."

„Aber wie kann er..." Auch wenn mich die Nachricht schockierte, war ich insgeheim erleichtert, dass es nicht an mir lag.

„Er kann. Da er die Society finanziert, kann er über sie verfügen. Deswegen kann er sie mir einfach wegnehmen und jemand anderem übertragen."

„Was hat er davon?"

„Es ist schon lange klar, dass ich Business Development Manager werde. Mein Vater ist der Meinung, ich konzentriere mich zu wenig darauf und zu viel auf die Highsociety. Deswegen hat er mir die Entscheidung abgenommen. Ich werde mich jetzt nur noch auf das Studium konzentrieren."

Bart wirkte jetzt seltsam ruhig, eine Ruhe, unter der grenzenlose Wut schlummerte, das konnte ich sehen. Wie ein tiefer See, der mit einer dünnen Eisschicht bedeckt ist. Ich wusste für einen Moment nicht, was ich sagen sollte. Diese ganze Sache bedeutete, dass er verloren hatte. Und Bart verliert nie. Es sei denn sein Vater will es so. Unter seiner gefassten Fassade wäre er am liebsten zusammengebrochen.

Ich ging einen Schritt auf ihn zu, aber er erriet meine Absicht. „Ich brauche kein Mitleid von dir", sagte er abwehrend. „Du hast doch keine Ahnung von mir. Du bist auf dem Weg zum Profispieler mit deinem Talent und deiner Lässigkeit, die so gut ankommt."

Dass er mich so hart abwies, versetzte mir einen Stich in mein Herz. Ich wollte etwas erwidern, doch in diesem Moment ging die Eingangstür auf und ein junger Mann kam herein. Er stellte sich als Pierce vor. Pierce wollte die Highsociety übernehmen, Barts Erbe fortführen und seinen eigenen Plänen anpassen. Mir wurde schnell klar, dass Pierce Barts Vorstellungen überhaupt nicht entsprach. Der engagierte Student mit der Nerdbrille sprach von seiner Vision einer fest in der Universität integrierten Society, welche Auszeichnungen vergibt, Projekte unterstützt und organisiert und Studenten fördert. Außerdem prahlte er mit seiner guten Beziehung zum Präsidenten der Universität und mit seinen Kompetenzen im Projektmanagement.

Bart unterbrach ihn, indem er ihm den Schlüssel hinwarf, der klirrend auf den Steinfliesen landete. „Viel Erfolg", knurrte er und ging zur Tür. Als er sie öffnete, stand ein kleiner Menschenpulk vor dem Haus auf der Straße. Sein Abgang schien schon die Runde gemacht zu haben. Er blieb auf der Treppe stehen und ich konnte seinen angespannten Rücken sehen.

„Ich habe beschlossen", begann er mit lauter Stimme, „die Highsociety abzugeben, da ich mich ernsteren Aufgaben widmen werde. Ein Kent ist dazu bestimmt, größere Aufgaben zu übernehmen als eine Gruppe von Wichtigtuern. Ich werde dennoch derjenige bleiben, der diese Society gründete, der diesen Palast baute. Ich habe euch zu den Menschen gemacht, die bewundert werden und dafür sollt ihr mir dankbar sein."

Ich konnte nur schweigend zusehen wie er die Stufen hinunter stieg und zu dem Wagen ging, der bereits mit seinen Koffern beladen in der Einfahrt wartete. Ich trat hinaus auf die Treppe um zu sehen wie er einen letzten Blick auf seinen Palast warf und erkannte, dass er verloren hatte, wofür er lange arbeiten musste. Es schockierte mich, dass sein Vater sein Leben so in der Hand hatte. Ich hatte Bart immer für frei und unabhängig gehalten, wenn ich ehrlich bin, war er sogar ein Vorbild für mich gewesen. Jetzt musste er unter den Blicken der anderen aufgeben, eine Demütigung, die ihn sicher zutiefst beleidigte.

Er hatte die Kontrolle verloren.

Ich drehte mich um und stand Pierce gegenüber. Sein Blick war freundlich, aber ich mochte ihn nicht. Das alles gehörte nicht ihm. Es gehörte Bart.

Ich verbrachte wieder mehr Zeit mit dem Footballteam, ohne Bart fühlte ich mich der Highsociety nicht mehr zugehörig. Ich telefonierte mit ihm, wenn ich Zeit hatte. Ich machte große Fortschritte im Training, holte zu den älteren Spielern auf und gab dem Team große Hoffnungen für die nächste Saison.

Ich hatte einen riesigen Freundeskreis in meinem Team, auch wenn ich keinen dieser Leute wirklich kannte, aber das machte mir nichts. Sie mochten mich, fanden mich cool und witzig und ich war niemals alleine. Ich fühle mich am wohlsten, wenn ich Leute um mich habe.

Trotzdem suchte ich immer wieder Maggies Nähe. Sie war die einzige, mit der ich über wichtige Dinge reden konnte. „Ich habe gestern Jeffrey getroffen", erzählte mir Austin am Telefon, „er hat mir alles von seiner Zeit in Afrika erzählt und er hat so viel erlebt! Das kannst du dir gar nicht vorstellen."

„Ganz bestimmt", sagte ich, „was wird er jetzt machen?"

„Sozialarbeit. Er ist wirklich ein Heiliger."

„Hier in der Nähe?"

„Mal sehen."

„Will er noch was von dir?"

Ich bemerkte ein Zögern. „Nein. Wir bleiben Freunde."

Ich war beruhigt, fürs Erste. Ich würde schon merken, falls er sich wieder an Austin ran machte.

Dreamboy (#deutsch)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt