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Ich konnte nicht anders als ihn anzustarren. Dieser Typ schlug über alle Stränge. Auch ich hatte während meiner High School Zeit einige Partys geschmissen, aber ich war mir sicher, Barts Partys waren noch ein Stück legendärer.

„Ich habe keinen Anzug", wehrte ich ab. Eigentlich hatte ich einen, aber der war alt und sicherlich nicht für eine Kent-Party geeignet. Bart musste einen ganzen Schrank voll haben.

„Ich werde dir einen besorgen", beschloss er wie selbstverständlich. Ich war kurz davor den Kopf zu schütteln. Dieser Typ...

„Bin ich auch eingeladen?", fragte Maggie unsicher.

„Nein. Die Party ist nur für Mitglieder der Highsociety", antwortete Bart trocken und sie tat mir leid. Er war dermaßen unsensibel.

„Sie wird meine Begleitung sein", entschied ich, ein klasse Alibi und jemand halbwegs Normales in diesem Haufen von Schnöseln. Ich hatte die anderen Mitglieder noch nicht kennengelernt, aber ich war skeptisch.

Bart wollte widersprechen, aber ich schüttelte halb den Kopf und er ließ es bleiben. Als er aus dem Zimmer gegangen war, sagte Maggie: „Er scheint auf dich zu hören."

Das machte mich nachdenklich. Ich war mir sicher, dass Bart nur auf sich selbst hörte. Er war einer von diesen Typen, die Dinge nur tun, wenn sie in irgendeiner Weise Profit daraus schlagen können. Ein Überlebenskünstler der ganz schlauen Sorte. Diese Menschen kommen im Leben besonders weit, Bart war ein gutes Beispiel dafür.

„Also ich kann ihn nicht leiden", fügte Maggie noch hinzu, „und du solltest vorsichtig sein. Leute wie er haben keine Skrupel."

Ich fand das lustig.

„Ich meine das ernst!"

„Ich kann sehr gut auf mich aufpassen", versicherte ich ihr. Das konnte ich wirklich. Ich war gut darin, mir Menschen zum Freund zu machen und Konflikten aus dem Weg zu gehen. Mein Erfolgsrezept ist Offenheit, damit zeige ich den Leuten, dass ich ihnen vertraue und gleichzeitig bin ich direkt. Ich versuche mit allen Menschen so umzugehen, als wären wir schon lange befreundet und wenn ich merke, dass wir nicht klarkommen, regle ich das gleich. Ich bin nicht menschenscheu, habe keine Angst auf Fremde zuzugehen und das hat mir schon immer geholfen.

Maggie musterte mich nachdenklich und nickte dann. „Wie du meinst."

Ich verstand mich gut mit Bart. Wir waren beide zielstrebig und wortgewandt und hatten Spaß daran uns gegenseitig auf die Palme zu bringen. Er wurde von allen aus der Society bewundert und er war großzügig, spendete extravagante Abendessen im Palace.

Trotzdem blieb er distanziert und ließ niemanden an sich ran. Ich versuchte es, versuchte ihn über seine Familie und seine Kindheit auszufragen, aber seine Antworten blieben immer einfach und kurz angebunden. Ich hatte das langsam Gefühl, dass er nicht glücklich war. Dabei schien er alles zu haben. Ich ärgerte mich einmal, als er ein Mädchen in den Palace brachte.

„Das ist Jamie", stellte er sie mir vor. Ich saß im Salon und arbeitete an meinem Laptop. „Hi", sagte ich und widmete ihr nur einen kurzen Blick. Sie trug einen sehr kurzen Rock. Er fragte sie, ob sie etwas trinken wollte und als sie nickte, holte er eine Flasche Champagner. Sie quietschte überrascht auf und kicherte dann.

„Geh schon mal nach oben", sagte er zu ihr und sie eilte aufgeregt die Treppe hinauf. Er wandte sich an mich. „Sie hat eine hübsche Freundin, ich hätte sie dir mitbringen können."

Ich ließ meinen Blick auf den Bildschirm gerichtet. Ich hätte schweigen können, aber wie immer konnte ich meinen Mund nicht halten. „Oh ja danke und bitte noch einen doppelten Espresso dazu", sagte ich sarkastisch. Es ärgerte mich, sein bescheuertes Angebot. Irgendetwas daran fand er wahnsinnig komisch, wahrscheinlich meine bissige Reaktion. Ich hatte Lust ihm den Mittelfinger zu zeigen.

Er blieb noch ein paar Sekunden stehen, dann folgte er dem naiven Mädchen nach oben. Ich hätte sein Angebot nicht mal angenommen, wenn ich auf Mädchen stünde.

Ich vermisste Austin. Ich vermisste seinen aufmerksamen Blick, sein ansteckendes Lächeln und seinen Humor. Und seinen Körper vermisste ich auch.

Football war eine wirksame Ablenkung. Für mich war es schon immer notwendig gewesen, meinen Körper ab und zu mal richtig auszupowern. Der Sport befreite mich von Gedanken und forderte mich bis an meine Grenzen. Und Maggie. Sie besuchte mich manchmal im Palace und das obwohl sie Bart nicht mochte. Ich konnte mich super mit ihr unterhalten. Sie war nicht aufdringlich, nicht aufgedreht, nicht oberflächlich und kein Jammerlappen, so wie ich schon viele Mädchen kennengelernt hatte.


Der Bahnhof war total überfüllt. Ich stand zwischen anderen Wartenden, mein Blick wanderte ständig zur Uhr und ich stellte jedes Mal verärgert fest, dass sich der Zeiger kaum bewegt hatte. Während ich auf den Zug wartete, beobachtete ich die anderen Leute. Sie waren dick in ihre Mäntel eingepackt, gedankenverloren, sie beachteten mich nicht.

Nach endlosen Minuten näherte sich der Zug, es quietschte, dann zischte es und er stand. Die Türen öffneten sich. Mein Herz begann schneller zu schlagen, immer noch, nach so langer Zeit. Suchend sah ich über die vielen Köpfe hinweg, alles war in Bewegung. Jemand rempelte mich, entschuldigte sich aber.

Dann sah ich ihn endlich und bahnte mir einen Weg auf ihn zu. Etwas desorientiert stand er auf dem Bahnsteig und drehte den Kopf suchend in alle Richtungen.

Ich lief langsamer um ihn betrachten zu können. Er trug einen beigefarbenen Mantel und eine auffällige, gestrickte Mütze. Seinen kleinen Koffer hielt er fest umklammert. Sein hübsches Gesicht war weiß von der Kälte, aber seine Wangen leuchteten rot. Ich konnte es jetzt kaum erwarten, ihn zu berühren. Er sah mich als ich nur noch ein paar Meter entfernt war und ein Lächeln breitete sich in seinem Gesicht aus.

Er ließ seinen  Koffer los und eilte auf mich zu.

Ich hasste kitschige Liebesfilme, aber jetzt störte mich nicht, dass er mir in die Arme fiel und seine Lippen auf meine presste. Ich schloss meine Augen, um nicht die Blicke der Leute sehen zu müssen. Ganz sicher waren sie stehengeblieben und sahen zu uns hinüber.

Ich hielt Austin ganz fest, wollte ihn so nah haben wie es nur ging, wollte, dass er nie aufhört mich zu küssen, weil es Gefühle in mir auslöste, nach denen ich süchtig bin. Aber ich machte den Fehler und öffnete die Augen, sah die Blicke, neugierige, gaffende, verstörte Blicke, wusste, dass ich das seltsamste Ereignis ihres heutigen Tages war und hasste es, dass sie sich später mit anderen darüber unterhalten und sich fragen würden, ob das denn jetzt komisch sei oder nicht.

Ich löste mich widerstrebend von Austin, die kalte Luft nahm ihren Platz wieder zwischen uns ein. Sein Strahlen riss mich aus meinem Ärger über die Leute. Ich konnte nicht anders als sein Lächeln zu erwidern. Manche Leute blieben noch stehen, andere liefen eilig weiter. Wir hatten sie aus ihrem Zeitplan gerissen. Ich wollte ihn wieder an mich ziehen, erlaubte es mir aber nicht. Ich hoffte, dass sie endlich aufhören würden zu starren.

„Hi", sagte Austin und fröstelte, dann schien ihm etwas einzufallen, denn er griff in seine große Umhängetasche und zog etwas aus Stoff heraus. „Ich habe dir ein Geschenk mitgebracht."

Er faltete es auseinander, ein Schal, und wickelte ihn mir um den Hals.

„Danke." Ich lächelte. „Ich wusste nicht, dass wir uns etwas schenken." Dass ich mit leeren Händen da stand war mir ein kleines bisschen unangenehm. „Es reicht wenn du da bist, mehr brauche ich nicht", sagte ich und er griff nach meiner Hand. Ich mag seine Hände, sie sind klein und weich.

„Ich will aber", erwiderte Austin und grinste. „Wie soll ich sonst deinen Kleiderschrank beeinflussen?"

Ich musste lachen. Austin bringt mich immer zum Lachen. Er ist so witzig, auf eine ganz niedliche Art. Dabei überrascht er mich jedes Mal aufs Neue. Ich ließ beiläufig seine Hand los. Leute sehen alles.

„Also was machen wir jetzt?", wollte Austin wissen.

Ich hatte schon alles durchgeplant. Sorgfältig. Normalerweise bin ich sehr spontan, aber ich wollte, dass nichts schief geht.

„Wir verbringen den Tag hier in Chicago und gehen essen. Später fahren wir zu mir." Die eigentlich wichtigen Teile meines Plans verschwieg ich ihm noch. Wie sollte ich ihm erklären, dass er sich durch die Hintertür würde in mein Zimmer schleichen müssen?

Dreamboy (#deutsch)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt