4. Kapitel

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                                                                              ELIJAH


Ich trat das Gaspedal durch und umfasste das Lenkrad fester. Ich hatte ein Ziel, eine unsichtbare Linie auf Höhe des Ortsschilds mit dem Schriftzug Evanston, Illinois. Mein Wagen knurrte, ein sehr zufriedenstellendes Geräusch, und ich grinste.

Ich nahm den Fuß erst vom Gaspedal, als ich angekommen war. In Evanston, Home of the Wildcats, Standort der Northwestern University, mein neues Zuhause. Ich war noch nie zuvor umgezogen, deshalb freute ich mich umso mehr auf eine neue Umgebung, auf das Unbekannte, auf neue Herausforderungen.

Ich feierte meine Freiheit, sobald ich das erste Gebäude der Universität erblickt hatte. Ein steinaltes Gebäude, schön, originell. Niemand hier würde mich einschränken, an diesem Ort konnte ich das Beste aus mir herausholen. Von einer Welle unbestimmten Glücks erfasst lenkte ich mein Auto auf den Parkplatz, der ziemlich überfüllt war, und musste zweimal rum fahren, bis ich endlich eine Parklücke fand. Bevor ich ausstieg, sah ich mich um. Eine Menge Studenten schoben sich über den Campus, manche ziemlich desorientiert und vielleicht sogar ein bisschen nervös.

Ja, das hier war der erste Tag, aber ich war nicht nervös. Wieso sollte ich nervös sein? Ich hatte nichts zu befürchten. Im Gegenteil, ich hatte eine neue Chance, eine neu gewonnene Freiheit und niemand hier kannte mich.

Pfeifend stieg ich aus meinem Wagen. Ein paar Studenten bewunderten mein Auto und musterten mich dann interessiert. Das Auto ist ein absoluter Hingucker, deshalb hatte ich es so unbedingt gewollt. Wochenlang hatte ich meine Mutter bearbeitet, bis sie endlich einwilligte und es für mich kaufte. Es passte zu dem Bild, das die anderen von mir haben sollten. Es funktionierte, schenkte mir Aufmerksamkeit.

Ich schulterte meine Tasche, nahm meinen Koffer und machte mich unter den neugierigen Blicken der anderen auf den Weg zu meinem Studentenwohnheim, ein riesiges Gebäude mit unzähligen Fenstern. Der Eingangsbereich war kühl und dunkel. Ich nahm die Treppe nach oben, joggend, um mich aufzuwärmen.

Natürlich hätte ich mir ein größeres Zimmer wünschen können, ein eigenes, aber das hier gehörte einfach zum Studentenleben dazu. Ich hatte mich freiwillig von meiner Stereoanlage, meinem Flachbildfernseher und meinen Spielkonsolen verabschiedet. Es war okay gewesen. Man muss sich von alten Dingen trennen, wenn man einen Neuanfang macht.

Trotzdem war ich unzufrieden mit dem Zimmer, als ich es betrat. Es war klein und abgenutzt. Wenig Licht erreichte die Ecken und die Tapete war ein wenig schimmelig.

Es sollte mir egal sein.

Ich packte mein Zeug aus. Nur das eingerahmte Bild von mir und Austin, das er mir geschenkt hatte, ließ ich im Koffer. Es passte nicht zur Wandfarbe, zumindest redete ich mir das ein.

Gerade schaute ich mir das winzige Badezimmer an, als mein neuer Mitbewohner hereintrat. Er grinste und hob grüßend seine fleischige Hand. Alles an ihm war fleischig. Er war fett. Ich fragte mich augenblicklich ob er überhaupt in die Dusche passen würde.

„Hi", sagte er schnaufend und ich schloss daraus, dass er die Treppe genommen hatte, „ich bin Derek und du?"

Ich blieb wo ich war, damit er genug Platz im Zimmer hatte.

„Elijah." Wir starrten uns an. Unterschiedlicher können zwei Typen ja nicht sein. Ich, groß und sportlich. Er, klein und fett.

„Ich pack' mal aus, ja?", brach er das Schweigen und öffnete seine Reisetasche.

„Mach nur", sagte ich, gab mich möglichst freundlich und unkompliziert. Ich wollte kein Arschloch sein, Derek war in Ordnung. Nur leider kein Footballspieler. Ich sah für einen Moment schockiert zu wie er bettlakengroße Unterhosen auspackte und beschloss dann, Austin anzurufen. Er starb wahrscheinlich schon vor Neugier. Mit meinem iPhone stahl ich mich zur Türe hinaus in den Flur und drückte die Kurzwahltaste. Es dauerte kein zweimal Klingeln, da ging Austin auch schon ran.

„Hey Süßer!", begrüßte er mich und zauberte mir gleich ein Lächeln ins Gesicht. Ich liebe es, wenn er mich Süßer nennt, aber das ist etwas, was ich niemals laut sagen würde.

„Hi", flüsterte ich und hatte keine Ahnung, warum ich flüsterte.

„Und? Wie ist es an der Universität?"

„Hammer! Der Campus ist riesig und hier sind so viele Leute. Alle wirken irgendwie akademisch, doch eigentlich machen sie alle nur Party", sagte ich und letzteres waren Gerüchte. Ich hoffte, sie sind wahr.

„Klingt wirklich beneidenswert", meinte Austin sarkastisch.

Er war einfach kein Party-Typ. Ich nahm es ihm nicht übel, das war irgendwie seine Art, jedoch war ich schockiert gewesen, dass er noch nie geraucht hatte. Ich hatte mit vierzehn zum ersten Mal an einem Joint gezogen.

„Und dein Mitbewohner?", wollte Austin wissen.

Ich hatte Lust ihn auf den Arm zu nehmen. „Alejandro. Voll das Model. Ein richtiges Schnittchen."

Ich hörte Austin erschrocken nach Luft schnappen, was ich süß fand. „War ein Witz", beruhigte ich ihn schnell, „eigentlich heißt er Derek, ist ziemlich fett, aber freundlich. Ich denke wir kommen klar."

„Na da habe ich ja noch mal Glück gehabt", bemerkte er. Eine Studentin kam mit einem großen Koffer den Gang entlang und ich machte ihr Platz. Sie sah mich an und lächelte, senkte den Kopf dabei. Der Elijah-Blick, wie Keith ihn immer genannt hatte. Als sie vorbei war, sagte ich zu Austin: „Du hast keine Konkurrenz."

„Freut mich sehr zu hören, Süßer." Okay, vielleicht wusste er doch, dass ich das mochte.


Der nächste Tag gehörte ganz dem Football. Ich bekam ihn frei um das Team kennenzulernen, schließlich war es für mich von größter Wichtigkeit. Ich hatte diese Universität hauptsächlich wegen des Footballteams ausgewählt. Es war ein NCAA Team, was bedeutet, dass es um den Pokal des College-Football spielte. College-Football ist die Vorstufe zur NFL. Die National Football League ist mein Ziel.

Genau mit diesem Gefühl stieg ich am nächsten Morgen in mein Auto. Jetzt war der Moment gekommen, von dem ich vor vielen Jahren zu träumen angefangen hatte. Ich würde College-Football spielen und konnte es kaum erwarten. Die Spiele werden live im Fernsehen übertragen, was ihnen zu großer Popularität verhilft. Über hunderttausend Zuschauer sehen zu, wenn die besten Teams gegeneinander spielen.

Das Stadion sah ich schon von Weitem, ein ovales Gebilde an dem große Werbebanner hingen. Ich parkte mein Auto, stieg aus und betrachtete die vier quadratischen Türme, die aus dem Stadion herausragten. Es wirkte wie eine Festung, die ich zu verteidigen hatte. Ziemlich begeistert vom ersten Eindruck folgte ich einem Wegweiser, der mich zum Football Center führte, eine Art Clubhaus, nur viel größer.

Im Center wimmelte es von Typen. Die College Teams zählen meistens über hundert Spieler. Es würde nicht einfach für mich, einem Freshman, werden, mir einen Namen im Team zu machen.

Neugierig musterte ich meinen zukünftigen Freundeskreis. Ich bin groß gewachsen, aber manche von den Spielern waren noch einen halben Kopf größer als ich. Riesige, breite Brocken. Ich musste an meine Freunde aus Beaver Dam denken, keiner von ihnen hätte gegen diese Typen ankommen können.

Aber mir machten sie keine Angst, im Gegenteil, ich fühlte mich geehrt, unter ihnen zu sein. Es hieß, dass ich es geschafft hatte. Dieses Team kämpfte um einen wichtigen Pokal, jeder einzelne Spieler wollte Profi sein. Wir hatten alle dasselbe Ziel und waren deshalb eine Familie.

Dreamboy (#deutsch)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt