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Ich wusste er meinte nicht mich. Mit einem Mal war ich hellwach.

Ich setzte mich auf, als sich Austin neben mir schon bewegte. Automatisch streckte ich die Hand nach ihm aus, aber er war schon aus dem Bett gekrabbelt, hastig und zitternd. Ich konnte ihn nicht fassen, nur sein verletztes, erschrockenes Gesicht sehen. Ich wollte etwas zu ihm sagen, aber ich wusste nicht was.

Es war mein Fehler gewesen, ich hatte ihn in Barts Haus gebracht. Er hatte das Recht ihn raus zuwerfen.

Austin hatte Tränen in den Augen. Ich konnte es sehen, als er in seine Kleidung schlüpfte. Es dauerte keine zwanzig Sekunden bis er seine Sachen zusammengesucht hatte. Mit einem letzten traurigen Blick zu mir verließ er das Zimmer. Ich hörte ihn die Treppe hinunterrennen und die Tür zuschlagen und schloss die Augen. Ich wollte Bart nicht ansehen.

Es war plötzlich still, im Haus nur wir beide. Stumm wartete ich darauf, dass Bart das Zimmer verließ, aber er tat es nicht.

Ich sah auf. Sein Blick war wütend, aber nicht verabscheuend. Offenbar hatte er nichts gegen mich persönlich. Das gab mir Mut. „Warum hast du das getan?", fragte ich ihn.

„Er gehört hier nicht hin", antwortete er kühl, seine schwarzen Haare waren nicht ordentlich wie sonst. Ich dachte, dass Austin dahin gehörte wo ich war, aber ich sagte es nicht.

„Was hast du dir dabei gedacht?", fragte er.

Nichts, dachte ich, nur dass ich Austin will. Ich sagte es nicht. Er hatte recht, ich hatte mir nichts dabei gedacht. Es war mir nicht gelungen Austin zu verstecken, ich hätte es nie versuchen dürfen. Jetzt kannten schon zwei Personen mein Geheimnis.

Plötzlich hatte ich Angst, dass es noch mehr werden würden. „Kannst du es für dich behalten?"

„Das tue ich schon die ganze Zeit", sagte er. Ich war kurz völlig überrascht. „Was? Du willst mir sagen, du hast es schon die ganze Zeit gewusst? Woher? Wieso erfahre ich das erst jetzt?"

„Du glaubst doch nicht, dass ich herausgefunden habe wo du wohnst, wo du zur Schule gegangen bist, was deine Hobbys sind und was deine Mutter arbeitet ohne zu erfahren was du für Vorlieben hast?"

„Okay. Warum hast du heute morgen dann so reagiert? Und gestern? Was war das gestern mit den Mädchen, die du mir andrehen wolltest?" Sein Verhalten machte mich wütend.

„Ich wollte sichergehen, dass du den Schein auch aufrecht erhältst", sagte er und da wurde mir bewusst, dass er auf meiner Seite war, „niemand soll davon erfahren, verstanden? Das hat äußerste Priorität. Und dazu gehört nicht, dass du diesen... Jungen hier herbringst. Das war naiv. Er wird nicht noch einmal kommen wenn wir nicht wollen, dass es jemand erfährt."

Ich sah es ein, er hatte recht. Das Ganze war wirklich fahrlässig gewesen. Aber ich musste an Austins Gesichtsausdruck denken, als er hinausgerannt war. „Du hättest es anders machen können."

„Nein. Auch dein Freund muss das verstehen."

„Austin sieht...", setzte ich an, aber er unterbrach mich.

„Ist mir egal. Wir verlieren kein Wort mehr darüber." Damit verließ er mein Zimmer und ich wusste nicht, ob ich ihn mochte oder hasste.

Ich blieb noch ein paar Minuten in meinem Bett sitzen, mich bedeckte nur das Laken. Ich starrte es an. Dann angelte ich mein Handy vom Nachttisch und wählte Austins Nummer.

Er ging erst nach einer Ewigkeit ran. „Bart ist ein verfluchtes Arschloch", hörte ich ihn sagen. Ich sah sein verheultes Gesicht vor mir und es tat mir leid.

„Wo bist du?", fragte ich sanft.

„Im Bus nach Chicago. Ich nehme den nächsten Zug zurück nach Kenosha."

Ich hätte ihn gerne noch einmal berührt, bevor er ging. „Das war wirklich nicht okay von Bart, aber er hatte seine Gründe."

„Du verteidigst ihn?" Schon wieder hatte ich Austin verletzt. Ich war ein Idiot. Er klang wütend und sehr enttäuscht. „Er hat mich rausgeschmissen, ich bin halb nackt über den Campus gerannt und du hast nicht mal irgendetwas gesagt! Du hättest mich verteidigen können, aber du hast mich einfach gehen lassen! Du hast dich geschämt, habe ich recht? Wir haben ein Recht zusammen zu sein und niemand kann uns das verbieten! Vor allem nicht dieser Aufreißer!"

Ich fühlte mich schlecht. „Es tut mir leid, Austin. Du hast recht und es tut mir leid."

„Wann verstehst du das alles endlich?"

Ich schwieg, konnte nichts dazu sagen. Nur eine Sache, eine Sache, die ich verstand und von der ich wollte, dass auch er sie verstand: „Ich liebe dich." Wenn mir alles zu kompliziert wird, sage ich diese eine Sache, denn sie ist einfach und unmissverständlich.

Ich hörte ihn seufzen und wusste, wir konnten es dabei belassen.

„Nächstes Wochenende komme ich zu dir", beschloss ich und damit hatte ich es endgültig wieder gut gemacht.

„Ich freue mich darauf", sagte er, „letzte Nacht war schön."

„Das war sie", stimmte ich zu. Sie würde mir noch die ganze Woche in Erinnerung bleiben.

Ich wollte auch mit Maggie darüber reden. Wie trafen uns in einem Café, sie hatte ihre Stifte auf dem Tisch ausgebreitet.

„Hey." Ich ließ mich ihr gegenüber auf die Sitzbank fallen.

„Zeichnest du schon wieder?"

Sie sah von ihrem Papier auf, lächelte und nickte. „Ich muss bis in vier Wochen ein ganzes Buch voll zeichnen."

„Wow." Ich betrachtete ihre Zeichnung, ein schwarz-weißes Abbild des Zuckerstreuers, der vor ihr stand. „Das sieht richtig gut aus."

„Danke." Sie strich sich verlegen eine rotbraune Haarsträhne hinters Ohr und sah dann wieder auf. „Darf ich dich zeichnen?"

„Klar. Solange ich nicht eine halbe Stunde sitzen muss, ohne mich zu bewegen."

„Nein. Ich mache es skizzenhaft." Sie nahm ein neues Papier und griff zu einem Kohlestift. Ich lehnte mich zurück und sah zu wie ihre zarte Hand über das Papier flitzte und sich schwarze Striche nach und nach zu einem Bild zusammenfügten.

„Jetzt kennst du mein Geheimnis", sagte ich irgendwann.

Es sollte wie der Standartsatz der Schlüsselszene eines Superheldenfilms klingen.

„Ja, es hat mich sehr überrascht." Ihr Blick huschte zwischen meinem Gesicht und dem Papier hin und her.

„Ich bin gut darin es zu verstecken."

„Warum versteckst du es?"

Immer diese blöde Frage. So als gäbe es keinen Grund es zu verstecken. „Ich bin Footballspieler."

„Diese Welt ist idiotisch." Sie betrachtete mich. „Im Tierreich gibt es auch Homosexualität." Ich wusste nichts mit der Aussage anzufangen, sie änderte nichts.

„Ich mag Austin", sagte sie nach einer Weile, „erzähl mir von ihm."

Ich zögerte, wusste nicht warum, vielleicht weil mich noch nie jemand nach ihm gefragt hatte. „Er ist der emotionalste Mensch, den ich jemals kennengelernt habe", erzählte ich dann, „und er ist unglaublich lebhaft. Als ich ihn das erste Mal gesehen habe, wusste ich nicht, was so besonders an ihm ist. Es ist alles, alles an ihm ist besonders." Ich schwieg für einen Augenblick. Ich hatte noch nie davon erzählt. „Er weiß gar nicht, was er mit mir anstellt. Ich könnte nicht ohne ihn."

Maggie lächelte, während sie zuhörte und zeichnete.

„Wir haben viele Meinungsverschiedenheiten." Ich sah aus dem Fenster. „Aber es ändert nichts daran was ich für ihn empfinde." Ich sah sie wieder an. „Du musst es für dich behalten."

„Das werde ich, keine Sorge", versprach sie mir, griff über den Tisch und nahm meine Hand. Ich weiß nicht warum sie das tat, vielleicht um ihr Versprechen zu bestärken.

Dreamboy (#deutsch)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt