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Ich hatte Austin nichts davon erzählt, im Gegenteil, ich hatte seine Nachrichten und Anrufe ignoriert, wollte nicht, dass er mich so erlebte.

Irgendwie hatte ich das Gefühl, alleine damit fertig werden zu müssen.

Aber am übernächsten Tag stand er im Salon. Ich hatte ihn nicht erwartet, aber es fühlte sich unglaublich schön an, als er die Arme um mich legte und seinen Kopf an meine Brust lehnte.

„Warum hast du dich nicht bei mir gemeldet?", fragte er, „ich musste es von Maggie erfahren."

Meine Arme umschlossen ihn fest. „Ich war nicht bereit darüber zu reden."

Austin sah zu mir auf. „Bereit? Was ist das Problem? Wir müssen uns nicht mehr verstecken, das ist doch genial!"

„Nein", widersprach ich kopfschüttelnd, ließ ihn los und trat einen Schritt zurück, „daran ist überhaupt nichts genial."

„Was?", Austin sah mich fassungslos an. „Willst du damit sagen, du willst dich verstecken? Mich verstecken?"

„Nein, das will ich damit nicht sagen. Denn die Lüge ist vorbei, ich brauche nichts mehr zu verstecken."

Ich ging an ihm vorbei und setzte mich auf das Sofa. „Jetzt weiß jeder was ich bin. Jeder verschissene Student hier weiß es."

Austin schlug theatralisch die Hände zusammen. „Oh mein Gott! Das ist wirklich schlimm wenn man plötzlich man selbst ist!", meinte er sarkastisch.

Man selbst. Was war ich denn? Ich hatte mein Selbst verloren. „Du verstehst es nicht!" Ich stand wieder auf. „Du hast ja keine Ahnung was diese Veränderung macht! Sie sehen mich mit Abscheu an oder so als wäre ich unheilbar krank! Sie gehen mir aus dem Weg und reden hinter meinem Rücken über mich!"

Ich hob verzweifelt die Hände. „Aber das Schlimmste ist, dass sie mich nicht mehr in ihrem Team haben wollen, das spüre ich. Ich bin ihr bester Spieler, aber jetzt zeigen sie mir gegenüber Abneigung. Sie behandeln mich anders, halten Abstand. Ich bin nicht mehr wie sie."

Fast ruhig ließ ich mich wieder auf das Sofa fallen. Es fühlte sich gut an, das auszusprechen.

„Du kennst mich. Und du weißt, dass das Footballteam schon immer meine Familie war. Eine Familie, die mich mochte, mich unterstützte. Kumpels mit denen ich Spaß hatte und zu denen ich einfach dazugehörte wie zu einem Rudel. Wir haben aufeinander aufgepasst und über jeden Mist geredet. Wir waren die Helden einer Klassenstufe. Und jetzt haben sie mich ausgeschlossen, als wäre ich ein Verräter. Ich habe eine Familie verloren. Jetzt ist das passiert, wovor ich am meisten Angst hatte. Das macht mich fertig. Ich habe das Gefühl von vorne anzufangen. Nur, dass jetzt ein riesiger Stein auf meinen Weg gerollt ist."

Das war es. Alles was ich fühlte, hatte ich ihm gerade offenbart.

Austin biss sich auf die Lippe, wirkte irgendwie unschlüssig, starrte mich an, wie ich da saß, völlig aufgelöst und unglücklich.

Unglücklich über mich selbst. Mein Leben.

Als er sprach war es als würde es aus ihm herausbrechen. „Ich habe genug davon! Wieso ist das so ein Problem für dich, dich zu akzeptieren? Merkst du denn gar nicht was du falsch machst? Warum stellst du zwischen uns was uns verbindet? Jetzt weiß es jeder, na und? Akzeptiere es und sie werden es auch akzeptieren! Weißt du wie feige das ist? Mir nichts zu sagen, glaubst du, dass es das besser macht?"

Seine Worte kamen nicht bei mir an. „Du verstehst nicht warum ich darunter leide."

Er hob die Hände. „Oh bitte! Football ist nicht alles auf dieser Welt! Hier geht es auch um uns, Elijah! Findest du es besser so zu tun als gäbe es uns nicht?", fuhr er fort und wurde immer lauter, „kapierst du denn nicht, dass ich dich liebe weil du Elijah bist und nicht nur weil du schwul bist? Ich liebe auch die Seite an dir, die nicht zugeben will, dass sie mich liebt! Aber diese Seite ist mir abgewandt, verstehst du das? Sie schließt mich aus! Sind dir die anderen so viel wichtiger als ich es bin? Ist dir ihre Bewunderung wichtiger als meine Liebe zu dir?"

Hastig stand ich auf, ging zu ihm und legte meine Hände an seine Wangen. Ich wollte nicht, dass er mich falsch versteht.

Ich liebte ihn über alles. „Nein", sagte ich und zog meine Augenbrauen zusammen, „aber du bist am College und ich bin hier. Alles was sie sehen bin nur ich, nicht wir. Und zwar nicht den Elijah den du kennst, sondern den, der ein Footballprofi werden will."

Ich holte stockend Luft und eine Träne bildete sich in meinem Augenwinkel. Vor Austin erlaubte ich sie.

„Mein Leben ist hier und ich werde noch drei weitere Jahre hier sein. Und alles was ich deshalb will, ist von allen akzeptiert und gemocht zu werden. Denn so war es immer und es gehört zu meinem Leben dazu, so wie es zu deinem Leben gehört, von deiner Familie geliebt zu werden. Es gibt mir die Kraft, die deine Familie dir gibt. Deshalb ist es mir wichtig. Genau so wichtig wie du mir bist. Du und das sind zwei Dinge, die ich brauche."

Er schloss die Augen und plötzlich hatte ich Angst, das hier könnte uns auseinanderbringen. Ich küsste ihn, es war ein verzweifelter Kuss, aber er erwiderte ihn und ich gab mich ihm hin, versuchte nicht länger über unser Gespräch nachzudenken.

Ich vergrub meine Hände in seinen Haaren, wollte ihn spüren lassen, dass ich unsere Beziehung immer noch genauso wollte wie zuvor.

Er war es, der den Kuss beendete und zurücktrat, ohne mich anzusehen.

„Es tut mir leid", flüsterte ich, mein Blick lag auf ihm. Und das tat es wirklich. Meine ganze traurige Geschichte tat mir leid.

Aber ich konnte nicht anders. Austin hatte von zwei Seiten gesprochen, eine davon sei ihm abgewandt, aber das war sie nicht. Sie war mir selbst abgewandt. Austin liebte ich über alles.

Der Fehler war ich selbst.

Dreamboy (#deutsch)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt