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Trotzdem war ich erleichtert, als die Frühlingsferien kamen.

Ich hatte mit Austin ausgemacht, dass ich ihn mit meinem Auto abholte und wir gemeinsam nach Beaver Dam fahren würden. Es war eine sehr lange Fahrt, aber wir würden uns viel zu erzählen haben.

Doch als er zu mir ins Auto stieg, wirkte er unglücklich. Sein Begrüßungskuss war flüchtig und als ich losfuhr, schwieg er.

„Was ist?", fragte ich, da er nicht selber damit herausrückte.

„Ich habe gestern mit Jeffrey gesprochen", sagte er und ich warf ihm einen kurzen Blick zu. Seine Augen waren rot.

Mit meinem Blick auf der Straße, hakte ich nach. „Und?"

„Er ist HIV positiv."

„Scheiße." Ich legte mir schockiert die Hand vor den Mund.

Für einen kurzen Moment schwiegen wir.

„Das ist wirklich schlimm", sagte ich dann und er tat mir leid. Ich sah wieder kurz zu Austin. Er hatte sich auf die Unterlippe gebissen und versuchte Tränen zurückzuhalten.

Ich nahm meine rechte Hand vom Lenkrad und legte sie auf die Mittelkonsole. Er ergriff sie und ich hielt ihn ganz fest.

Wir schwiegen wieder, ich wollte nicht mit meinen Geschichten in Jeffreys schlimmes Schicksal hinein grätschen.

Austin war in Gedanken und ich ließ ihn dort. Wir fuhren einige Kilometer schweigend.

„Was gibt's Neues von Bart?", fragte er schließlich.

„Er genießt sein neues Amt als den Gründer. Er lässt sich feiern, überlegt sogar, ob er ein Portrait von sich über dem Kamin aufhängen lassen soll", erzählte ich und Austin schnaubte.

„Warum nicht gleich eine drei Meter hohe Statue im Garten", sagte er sarkastisch. „Erinnerst du dich an Corey, seinen großen Bruder?", wollte ich wissen.

„Ja, warum?" Er hörte sich plötzlich alarmiert an und ich warf ihm einen Blick zu. Er wartete angespannt auf meine Antwort, sah mich aufmerksam an.

„Er hat seine Verlobung aufgelöst. Bart würde seine Verlobte gerne haben."

„Er hat sie wirklich aufgelöst?"

„Ja." Keine Ahnung was er daran so aufregend fand.

„Mh." Wieder begann er zu schweigen.

Wir kamen nach ein paar Stunden an. Ich war müde vom Fahren und zog mich gleich nach Hause zurück, nachdem ich kurz bei Austins Familie vorbeigeschaut hatte.

Das Haus war verlassen, stickige Luft kam mir entgegen, als ich die Haustür aufdrückte.

Ein seltsames Gefühl erfasste mich, als ich im Hausflur stand. Melancholie.

Dieses Haus war einmal mein richtiges Zuhause gewesen. Ich hatte meine Kindergeburtstage hier gefeiert, hatte meine große Schwester um den Tisch gejagt und mit meinem Vater im Garten gespielt. Ich erinnerte mich an sein Lachen und an das meiner Mom.

Aber jetzt war alles still.

Ich hatte plötzlich Lust, meine alten Videospiele wieder rauszuholen. Mit aufgedrehter Musik saß ich den Rest des Abends in meinem Zimmer, zockte Videospiele und war dabei seltsam glücklich.

Ich musste den Kühlschrank wieder auffüllen, deshalb ging ich am nächsten Morgen einkaufen. Austin begleitete mich.

„Und du bist dir wirklich sicher, dass du dir heute Abend etwas kochen willst?", fragte er mich und blieb vor einem Regal stehen, das mit Tütensuppen beladen war.

„Ich weiß du traust mir das Kochen nicht zu", sagte ich, „aber ich werde mir heute Abend eine Lasagne machen."

Ich schob meinen Einkaufswagen Richtung Kasse. Kochen war absolut nicht meine Stärke.

„Die Schulkantinen-Zeit ist vorbei", fügte ich hinzu, „und meine Mom hat sich nicht die Zeit genommen, ebenfalls nach Hause zu kommen. Also werde ich mir selbst Essen machen." Zumindest würde ich es versuchen.

Als ich um ein Regal bog, stand mir plötzlich ein Mann gegenüber.

Ich sah in sein Gesicht und erstarrte, denn ich kannte diesen großen Mann mit den schulterlangen, dunkelbraunen Haaren, dem Fünf-Tage-Bart und den dunkelblauen Augen.

Es war Gale, der Cousin meines Vaters.

Ich hatte keine Ahnung was er hier machte. Auf diese Begegnung hätte ich gut verzichten können.

Anscheinend hatte auch er mich erkannt, er lehnte sich auf meinen Einkaufswagen und versperrte mir somit den Weg.

Ich überlegte mir, wie ich an ihm vorbeikommen konnte, vielleicht war eine Football Strategie notwendig.

„Na sieh mal einer an", sagte er mit dieser leider vertrauten, rauen Stimme und musterte mich von oben bis unten, „habe ich endlich einen von euch gefunden."

Dreamboy (#deutsch)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt