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Ich streckte auch meine Hand nach seiner aus, griff sanft nach ihr. So hielt er uns fest, jeder an einer Hand, wie früher, wenn wir spazieren gewesen waren. „Wir haben dich vermisst, Daddy", sagte ich schließlich. Zum ersten Mal seit unserer Ankunft sah ich ein Lächeln auf seinem Gesicht. „Du musst kämpfen", sagte Jada, „du musst für uns kämpfen und gesund werden."

Am nächsten Tag bekam ich den ersten Brief aus Afrika, ein sehr langer, sehr ausführlicher Bericht von Jeffrey. Er schrieb von einer traumhaften Landschaft, von sehr netten, aber sehr armen Menschen, von wilden Tieren und harter Arbeit. Der Brief machte mich nachdenklich. Wenn ich seine Worte las, vermisste ich ihn schrecklich und versuchte mir vergebens vorzustellen, was er dort erlebte. Ich brütete eine Stunde lang über meiner Antwort. Konnte ich ihm von Elijah erzählen? Ich glaube es gibt keine Männer, die vom Charakter so verschieden sind wie Jeffrey und Elijah. Aber ich liebe sie beide auf meine Weise, vielleicht, weil ich genau die Mitte bin. Doch Jeffrey war weit weg, während ich Elijah täglich traf.

Ich gab nicht auf, sprach ihn an, wann immer es möglich war. Ich lächelte ihn an wenn er zurück sah, was immer öfter der Fall wurde. Schließlich nahm ich mir vor, einen Schritt weiter zu gehen. Mit den Armen auf seinen Tisch gestützt und der rechten Schulter keck nach vorne geschoben, versuchte ich möglichst verführerisch auszusehen und fragte: „Wollen wir uns vielleicht mal treffen?"

Elijah, der gerade von seinem Stück Pizza abbeißen wollte, hielt inne und sah auf. Für einen Moment schien er hin und hergerissen, dann legte er das Stück auf seinen Teller zurück und sagte: „Ja okay. Schlag was vor."

Wir gingen nach der Schule in die Innenstadt. Ich konnte nicht aufhören zu strahlen, denn endlich hatte ich ihn für mich alleine, was mein Herz höher schlagen ließ. Wir liefen nebeneinander her, manchmal berührte ich scheinbar versehentlich seine Schulter mit meiner.

„Meine Mom will nicht, dass ich mich mit dir treffe", sagte Elijah plötzlich. Das brachte mich völlig aus meinem Konzept.

„Wirklich?"

„Ja", erwiderte er und betrachtete mich, wahrscheinlich wollte er meine Reaktion sehen. Ich hatte die Augenbrauen missbilligend nach oben gezogen. „Das ist ja total bescheuert", sagte ich. Das brachte ihn zum Grinsen. „Finde ich auch."

„Gut", erwiderte ich erleichtert. Elijah war kein Typ, der sich etwas vorschreiben ließ, vor allem nicht von seiner Mutter. Der Gedanke, ein Tabu für sie zu sein, machte es noch aufregender für mich. Ich musterte ihn von der Seite. Er war derselbe geblieben, zumindest für die anderen, aber ich hatte das Gefühl, etwas in ihm zu sehen, das nur ich sehen konnte. Eine gewisse Neugier, eine Sehnsucht, die ihn schon lange quälte.

„Ich wurde an der Northwestern University angenommen", erzählte er und steckte seine Hände in seine Hosentaschen, „hab ein Footballstipendium bekommen."

„Das habe ich gehört", entgegnete ich und sein Lächeln bestätigte mir, dass er überglücklich darüber war. „Bei mir wird es ein College sein. Das Carthage in Kenosha."

„Herzlichen Glückwunsch", sagte er. Wir gingen nebeneinander her. Ich biss mir nervös auf die Lippen, wusste nicht, wie ich anfangen sollte. „Du tust also so als wäre nichts passiert letzten Frühling?" Es klang ein bisschen beleidigt und er schien es zu bemerken. „Nein", sagte er, „also eigentlich schon. Für die anderen. Das ist besser so."

„Und was ist mit dir? Findest du das auch besser so?" Ich blieb stehen, damit er auch stehenblieb. Ich wollte sein Gesicht sehen, in seine blauen Augen schauen und darin seine Gefühle lesen.

„Ich weiß nicht", sagte er ehrlich. „Es hat mich so viel Kraft gekostet, mein altes Leben wieder aufzubauen. Ich will es nicht kaputtmachen."

Ich schlug die Augen nieder. Sagte er mir, dass ich sein Leben kaputtmachte? Langsam sah ich wieder auf. „Elijah, sag mir, warum hast du unsere Familien auseinandergerissen?" Er schwieg, also fuhr ich fort: „Erinnerst du dich, als wir auf der Zuschauertribüne saßen und du mich fast geküsst hast?"

Er nickte.

„Es geht mir nicht mehr aus dem Kopf", erklärte ich. Er schwieg noch immer, verlagerte sein Gewicht. „Sag doch mal was dazu!", bat ich ihn ungeduldig, ich hatte das Gefühl, jeden Moment vor Anspannung zu platzen.

„Das ist ein Jahr her und du hast dich für Jeffrey entschieden", sagte er endlich. Ich schaute zu Boden.

„Es war die falsche Entscheidung", flüsterte ich, dann hob ich meinen Blick, „willst du, dass ich dich in Ruhe lasse?"

Elijah antwortete ohne nachzudenken: „Nein."

„Dann hast du auch was gefühlt?" Mein Herz schien sich fast zu überschlagen.

Zu meiner Überraschung lachte Elijah kurz auf. „Ist das ernsthaft deine Frage? Wegen dir habe ich mich damals vor allen blamiert. Und dann habe ich unsere Familien auseinandergerissen, weil du mich verletzt hast. Du hast nach allem was ich wegen dir getan habe, Jeffrey mir vorgezogen. Ich hatte gehofft du würdest mich wählen. Du glaubst gar nicht wie sehr ich mich überwinden musste, mich auf dich und meine Gefühle einzulassen."

„Ich wusste nicht wie ernst es mit mir war", sagte ich und spürte ungeheure Erleichterung, „ich habe nicht kapiert, dass du mir so viel bedeutest. Erst als es zu spät war."

Elijah fuhr sich mit der Hand durchs Haar, eine Geste, die ich wahnsinnig süß fand. „Okay." Plötzlich wirkte er verlegen. „Lass uns einfach vergessen was passiert ist und noch einmal von vorne anfangen", schlug er vor. Ich hätte einen Luftsprung machen können, ich hätte schreien können vor Glück. „Wie?"

„Mit einem Picknick am See?"

„Ein Picknick?"

„Jap."

Ich tat so als müsse ich kurz überlegen, damit ich sein erwartungsvolles Gesicht noch eine Weile betrachten konnte, dann nickte ich. „Na gut."

Dreamboy (#deutsch)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt