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„Du hast das Spiel gewonnen", freute sich Austin für mich, „ich habe es angeguckt." Das freute mich, denn Austin schaute nicht gerne Sport im Fernsehen, er tat das nur wegen mir. Er mag Football nicht wirklich, versteht nicht, was ich daran finde. „Das war das beste Spiel bisher", sagte ich, „es war ein krasses Erlebnis. So viele Leute, das hättest du erleben müssen." Ich sprühte vor Begeisterung und Austin lächelte darüber.

„Dann hattet ihr ja ordentlich was zu feiern."

„Oh ja. Heute Abend steigt eine Party."

„Und du bist nicht dort", fiel ihm auf und er glaubte wohl, ich würde wegen ihm etwas verpassen.

„Das ist egal", beruhigte ich ihn, „ich war schon oft auf solchen Partys." Ich hatte die Aufmerksamkeit des Tisches und erkannte, dass niemand von ihnen je auf einer solchen Party gewesen war. „Sie sind legendär. Alle tanzen auf den Tischen, es gibt illegalen Alkohol und am Ende ist immer jemand schwanger." Letzteres war ein Scherz. Zumindest galt es nicht für jede Party.

„Scheiß auf diese Partys", sagte Fay, „total oberflächlich."

„Von wegen", sagte ich und nahm einen Schluck von Austins Cola, „meistens tiefe Einblicke."

„Ja, aber nicht in die Seele", gab sie zurück, „eher in die Kloschüssel."

Ich hob eine Augenbraue. Sie war schlagfertig. „Nicht jeder endet so."

„Vielleicht."

Ich konnte sie nicht einfach so damit durchkommen lassen. „Warst du schon mal auf so einer Party?"

Sie zögerte. Zwei zu eins für mich. „Ist nicht mein Niveau."

Mist. Es war sinnlos. Sie grinste, nahm einen Schluck von ihrem Wasser und ich grinste zurück. Wir waren gleichstark. Ich spürte wie mir Austin leicht in die Seite boxte, wahrscheinlich benahm ich mich seiner Meinung nach kindisch, was mich noch mehr amüsierte. Mir fiel plötzlich etwas auf.

„Wo ist eigentlich Jada?"

„Sie kommt ein bisschen später dazu", erklärte Austin und ich bemerkte, wie er sich anspannte.

„Habt ihr euch gestritten?", fragte ich deshalb.

„Nein", sagte er und ich hörte an seinem Ton, dass das nicht ganz stimmte. Ich fragte nicht weiter nach. Wenn sich die beiden streiten, halte ich mich raus. Es ist sinnlos sich einzumischen. Sie begannen sich über Theater zu unterhalten, was wirklich nicht meine Welt ist und ich hörte nur mit einem Ohr zu.

Offenbar gehörte auch Jesse nicht zum Theaterkurs, denn er lehnte sich zu mir hinüber, begleitet von einer Duftwolke. „Ihr seid echt süß zusammen", sagte er.

„Was ist mit dir, single?", fragte ich.

Er wirkte überrascht über die Frage. „Ja. Weißt du, Honey, nicht jeder lebt ein Märchen so wie ihr. Ich beneide euch beide."

Dieser Typ war schräg. Bevor ich etwas erwidern konnte, bemerkte ich Jada, die gerade den Grill betrat. Sie sah uns, kam herüber und grüßte flüchtig. Es überraschte mich total, dass sie nicht in diesen Freundeskreis zu gehören schien. Ich tippte Austin auf die Schultern und er stand auf, damit auch ich aufstehen konnte.

„Hey, Elijah ist ja auch da!" Jada grinste und umarmte mich, offenbar froh, dass sie mit mir sprechen konnte und sich nicht an den Tisch setzen musste. „Ich dachte du hättest ein Spiel heute."

„Hatte ich auch", sagte ich und wir lehnten uns an einen freien Tisch, „ich habe meinem Team zum Sieg verholfen."

Sie boxte mir lachend in die Seite. „Rede nicht so eingebildet, Mr Ich-Kann-Alles."

„Wenn es aber wahr ist", gab ich zurück und betrachtete Austin, der sich geheimnistuerisch mit Jesse unterhielt. „Sind die da nicht deine Freunde?"

Jada lächelte ein seltsames Lächeln. „Nein. Ich habe eigene Freunde."

„Wow."

„Siehst du, du bist überrascht. Was ist so komisch daran, dass ich auch mal meine eigenen Freunde haben will? Austin versteht es auch nicht. Er ist verärgert, weil wir uns seltener sehen, weil wir nicht mehr so viel Zeit miteinander verbringen. Sag mir, Elijah, ist das nicht gut, dass ich jetzt mein eigenes Leben haben will?"

Immer wenn ich Jada ansah, sah ich so viel von Austin. Aber gleichzeitig war sie ganz anders, nicht so emotional, eher nachdenklich. Sie war unabhängiger und willensstärker, suchte nach einem Abenteuer. Ich spürte, dass sie mich auf ihrer Seite haben wollte. „Ja, ich denke schon", sagte ich deshalb. Ich kannte sie gar nicht so. Jada und Austin waren immer so eng gewesen, ich hatte mich anfangs sogar gefragt, ob ich Austin überhaupt alleine haben konnte. Sie hatten stets dieselben Freunde gehabt und ich dachte immer, dass es für beide okay war.

Sie wollte noch etwas sagen, aber Austin kam zu uns herüber und sie verstummte. Die beiden sahen sich an, Austin mit einem stillen Vorwurf, Jada mit Entschlossenheit. „Schön, dass du auch mal vorbeikommst", sagte er in einem leicht bissigen Ton.

„Ich war unterwegs", sagte sie. Die Stimmung gefiel mir gar nicht. „Wie geht es eigentlich Kurt?", fragte ich, tat so als hätte ich ihren steifen Wortwechsel nicht mitgekriegt. Sie sahen mich an, beide mit demselben Blick und ich wusste, ich hatte sie wieder in ein Boot geholt.

„Er ist stabil", erzählte Jada.

„Mom kümmert sich gut um ihn und er hat einen neuen Hausarzt", fügte Austin hinzu und Jada ergänzte noch: „Aber er ist noch nicht gesund. Er hat Schmerzen."

Ich hatte Kurt nie wirklich gemocht, aber sein Schicksal hatte auch mich getroffen. „Richtet ihr ihnen Grüße von mir aus?", bat ich und sie nickten. Ich wollte nicht länger bleiben, sondern Austin endlich für mich alleine haben. Er war einverstanden und wir verabschiedeten uns von allen. Für die Nacht hatte ich ein Zimmer in einem einfachen Bed&Breakfast gemietet, denn Austin hatte ja kein eigenes Zimmer so wie ich.

Sobald wir in meinem Auto saßen, fragte er mich: „Und? Wie findest du Jesse?" Seine Augen sprühten immer voller Begeisterung, wenn er von ihm sprach. Ich konnte das nicht verstehen. Ich dachte an den katzenhaften, dünnen Jungen mit den geschminkten Augen. „Er..." Ich hatte keine Ahnung wie ich es ausdrücken sollte.

Austin fand das irgendwie komisch. Er kicherte. „Er verschlägt einem die Sprache?"

Er wusste genau, dass ich das nicht sagen wollte. Plötzlich nachdenklich sah er mich an. „Ich finde ihn toll. Weißt du, er macht einfach sein Ding. Es ist ihm egal was andere Leute über ihn denken. Er ist frei und er lebt so, wie er es will. Er schminkt sich morgens, trägt ausgefallene Sachen und träumt von einem Leben in New York City." Sein Blick wanderte wieder nach vorne. „Und er ist glücklich. Er strahlt immer wie eine Sonne."

Ich schwieg, denn ich konnte tatsächlich nachvollziehen, was Austin so daran begeisterte. Es war das Gegenteil von dem was ich machte, er trug seine Homosexualität praktisch zur Schau, schämte sich nicht für sein Anderssein, sondern lebte es aus.

Aber ich wollte gar nicht anders sein, ich wollte mich nicht auf diese Weise von den anderen abheben. Für mich zählte dazuzugehören, mich in die Gesellschaft einzufügen und dort einen sicheren und angesehenen Platz zu finden. Ich hatte mein Ziel, ich hatte genauso Träume wie Jesse.


Dreamboy (#deutsch)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt