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„Was ist das mit dir und deinem Onkel, Dallas?", fragte ich

ihn abends im Zimmer. Ich musste es einfach ansprechen.

Dallas zögerte. „Was meinst du?"

Ich wusste nicht wie ich sagen sollte, was mir auf dem Herzen lag. Was wenn ich falsch lag?

„Er... Ich habe das Gefühl er bedeutet dir sehr viel." Augenblicklich bemerkte ich wie Dallas sich verkrampfte.

„Er ist immer für mich da", wiederholte Dallas was er schon tausendmal gesagt hatte, wenn er über ihn sprach.

„Klar", sagte ich schnell, „aber was ist mit dem Rest deiner Familie? Sind sie etwa nicht so für dich da?"

Er zögerte erneut. Ich spürte, dass er nervös wurde.

„Hey", beruhigte ich ihn, dann setzte ich mich neben ihn auf das schmale Bett und starrte mit ihm auf die gegenüberliegende Wand.

Ich hatte mit einem Mal den starken Drang ihm zu helfen.

„Ich will dir nicht zu Nahe treten, aber mein Gefühl sagt mir, dass du darüber reden solltest", fuhr ich vorsichtig fort. Es war das erste Mal, dass ich ein so schwieriges Gespräch führte, aber ich wollte mir beweisen, dass ich es schaffen konnte.

Dallas schwieg, bis ich wieder das Wort ergriff.

„Ich kann dir vielleicht helfen. Du musst mir nur die Wahrheit sagen. Du musst mir vertrauen", sagte ich und es fühlte sich gut an.

Er vergrub die Hände in seinen Haaren. „Mein Onkel tut alles für mich. Ich bin immer zu ihm, wenn ich jemanden gebraucht habe. Er hat mich lieb. Er liebt mich, sagt er. Ich bin wie sein Sohn. Ich habe nie Freunde gebraucht, weil ich ihn habe. Er zahlt alles für mich. Er tut alles für mich."

Ein Klumpen bildete sich in meinem Bauch. Das hier war schlimm und es machte mir sogar ein bisschen Angst. Mit einem Mal waren all meine eigenen Probleme nichtig.

„Und er berührt dich auch?" Ich spürte, wie Dallas zitterte. „Dallas?"

„Er ist immer lieb zu mir", entgegnete er mit zittriger Stimme.

„Hat er dich auch zu Sachen gezwungen?", fragte ich sanft.

„Er sagt immer alles ist gut, alles ist gut", schluchzte er.

Ich zeigte nicht, wie sehr mich erschreckte, dass er weinte. Zögerlich  legte ich einen Arm um ihn. Der Schock lähmte meine Gedanken. Während Dallas weinte, beschloss ich alles zu tun, um ihm zu helfen.

„Dallas, bitte lass mich dir helfen", bat ich, „es gibt hier einen guten Psychologen auf dem Campus."

Ich spürte wie er den Kopf schüttelte.

„Er wird dir helfen, wirklich. Ich möchte, dass er dir hilft."

Er schluchzte etwas, das ich nicht verstand, aber ich wusste, er wollte nicht zum Psychologen. Doch ich gab noch nicht auf. Ich spürte, dass es sich hierfür zu kämpfen lohnte.

„Ich war auch mal beim Psychologen", erzählte ich ihm, „dort habe ich über vieles geredet. Es ist ganz einfach. Du kannst es auch."

Er sah jetzt auf, seine Augen waren rot und feucht.

„Lass es uns versuchen", sagte ich, rutschte vom Bett und hielt ihm meine Hand hin. Er zögerte, kämpfte innerlich, das konnte ich sehen.

„Lass uns einfach mal hingehen."

Schließlich willigte er ein.

Er verbrachte einige Stunden in der Praxis, die ganze Zeit über wartete ich draußen auf ihn. Das Gefühl, Dallas geholfen zu haben, verdrängte meinen eigenen Kummer.

Meine Probleme wirkten lange nicht mehr so schlimm wie vorher. Ich wusste, dass ich ein Kämpfer war und dass ich etwas schaffen konnte, wenn ich es wollte. Ich glaubte wieder an mich.

Als Dallas Stunden später aus der Praxis kam, wirkte er erleichtert, von einer Last befreit.

„Danke", sagte er und umarmte mich. „Ohne dich hätte ich das niemals geschafft."

„Manchmal brauchen wir eben einen Tritt in den Hintern", stellte ich fest und sah Dallas zum ersten Mal lächeln.

Dreamboy (#deutsch)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt