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Ich war verliebt und Jada nahm es still zur Kenntnis. Wir standen im Badezimmer vor dem Spiegel und putzten Zähne, ich konnte nicht aufhören zu strahlen, während sie stumm in den Spiegel starrte. „Du redest nicht mehr mit Simon?", fragte ich sie, „was hat er denn gemacht?"

„Wir haben uns wegen etwas gestritten", antwortet sie.

„Worüber?"

„Unwichtig."

Ich packte ihren Zopf und zog leicht daran. „Raus damit!" Ich konnte es absolut nicht leiden, wenn sie mir etwas verschwieg und normalerweise tat sie es auch nicht. Normalerweise erzählten wir uns alles. Jada spülte ihren Mund aus und stellte ihre Zahnbürste zurück in den Becher. „Jada, spuck's aus!", drängte ich ungeduldig. Für einen Moment sah sie mein Spiegelbild an, dann drehte sie sich zu mir und legte die Arme um mich. Ich tätschelte ihren Rücken, mir war klar, dass etwas nicht stimmte, doch ich beschloss, dass es nicht der richtige Zeitpunkt war, sie deswegen auszufragen. Alles was sie jetzt brauchte war Trost und Aufheiterung.

„Du bist der beste Bruder auf der ganzen Welt", sagte sie mir ins Ohr. Auch wenn ich mir dessen bewusst war, sprach sie es nicht so oft aus, weswegen es mich jetzt überraschte.

„Und du bist die beste Schwester, auch wenn du manchmal ein bisschen mehr auf mich hören könntest, vor allem was die Wahl deines Freundes angeht", erwiderte ich, küsste sie auf die Wange und ging aus dem Badezimmer. Heimlich griff ich nach ihrem Nachthemd, das rosafarbene mit der Schleife, schlüpfte hinein und spazierte ins Badezimmer zurück.

Jada sah mich und lachte. „Zieh es sofort wieder aus du Idiot!"

Ich machte eine elegante Umdrehung und warf ihr eine Kusshand zu. „Ich finde Rosa steht mir besser als Blau, was sagst du, Schätzchen?", säuselte ich mit zuckersüßer Stimme, was sie nur noch mehr zum Lachen brachte.

Plötzlich klingelte mein Handy, das ich zum Laden in die Badezimmersteckdose gesteckt hatte. Ich hielt es an mein Ohr, zwirbelte das Kabel wie eine verlegene Hausfrau und meldete mich mit hoher Stimme: „Hallo?"

„Austin?", fragte Elijah verunsichert.

„Oh!" Ich gab meine Rolle auf. „Elijah!" Ich hörte Jada neben mir lachen.

„Wir müssen das Picknick leider verschieben", sagte er überhaupt nicht enttäuscht.

Mit fiel fast das Handy aus der Hand. „Wie jetzt?"

„Ich schmeiße morgen Abend eine Hausparty. Du bist eingeladen." Hinter seiner Stimme verbarg sich ein Grinsen.

„Das ist ja überhaupt nicht romantisch", schmollte ich und blickte mich enttäuscht im Spiegel an. Das Nachthemd war ziemlich kurz. „Nein, das ist tatsächlich alles andere als romantisch, aber es wird die coolste Party deines Lebens. Elijah-Partys sind legendär."

Ich musste kichern. „Ich bin ein sehr strenger Party-Kritiker, du musst mir also schon was bieten."

„Du wirst schon sehen. Fängt um Neun an. Bis dann also. Ach ja, Jada darf auch kommen."

„Sie wird sich freuen, bis dann Elijah!" Ich beendete das Gespräch und machte einen Luftsprung. „Wir gehen zu Elijahs Hausparty!"

„Super", meinte Jada, „aber erst ziehst du mein Nachthemd wieder aus, bevor es reißt."

Ich konnte in dieser Nacht vor Aufregung kaum schlafen und es erinnerte mich an früher, ich hatte vor unseren Kindergeburtstagen immer wahnsinnige Angst gehabt. Serena hatte mir schon einiges von Elijahs Partys erzählt, vor allem von den Skandalen, die sich dort ereignet hatten.

Der erste Eindruck bestätigte meine Vermutung, dass der Abend vielversprechend werden würde. Die Einfahrt zu seinem Haus am See war zugeparkt mit Autos, wir hörten die Musik schon draußen, laute Musik mit viel Bass. In der Eingangshalle lagen Berge von Schuhen und Jacken, wir kämpften uns hindurch in den Wohnraum. Überall waren junge Menschen, alles bekannte Gesichter bis auf ein paar wenige. Der Pool war hell beleuchtet, dort tummelten sich ebenfalls Leute, obwohl es zu kalt war zum Baden, für meinen Geschmack. Die große Küche glich einer Bar, sie war voller Flaschen und Gläser.

„Geil", sagte Jada, „er hat's echt drauf."

„Sag ich doch. Er ist der Hammer", entgegnete ich.

„Habe ich da soeben meinen Namen gehört?", fragte eine Stimme hinter uns. Wir drehten uns um und natürlich stand Elijah vor uns. Er trug eine Kiste Bier in den Händen. „Herzlich Willkommen. Nehmt euch eine Flasche."

Jada griff sofort zu und drückte auch mir eine in die Hand, obwohl sie wusste, dass ich das Zeug zu bitter fand.

„Und jetzt", fügte er hinzu, stellte die Kiste ab, nahm sich ebenfalls eine Flasche und hielt sie in die Höhe, „cheers! What happens here stays here."

„Finde ich gut", meinte Jada, dann stießen wir klirrend die Flaschen zusammen. Jada nahm einen riesigen Schluck, was mich ein bisschen erschreckte, dann ließ sie uns stehen und ging zu den Mädchen, die in der Küche abenteuerliche Cocktails mischten.

„Was sagt eigentlich deine Mom zu solchen Veranstaltungen?", fragte ich und probierte einen Schluck von meinem Bier. Es schmeckte fürchterlich.

„Sie bekommt davon nichts mit. Und eigentlich hat sie nichts dagegen, solange es nicht ausartet", antwortete er und nahm ein paar große Schlücke aus seiner Flasche. Plötzlich hörten wir eine laute Stimme, die brüllte: „Rauf oder Sauf!"

Im Bruchteil einer Sekunde waren alle in Bewegung, sprangen auf die Sofas, auf die Küchentheke, hängten sich an Vorhangstangen, hüpften auf Stühle und Bierkästen. Nur ich blieb wo ich war.

Lautes Jubeln erhob sich in der Menge. Elijah sprang von seinem Stuhl, holte etwas aus der Küche und trug es feierlich zu mir.

„Warum lachen mich alle aus?", fragte ich verwirrt.

„Weil du das Opfer dieser Spielrunde bist", lachte er und hielt mir ein Tablett unter die Nase, auf dem drei volle Schnapsgläser standen. „Das Spiel heißt Rauf oder Sauf. Wenn einer das ruft, darf keiner mehr den Boden berühren. Der, der als letzter reagiert, hat verloren und muss drei Shots trinken."

„Bescheuertes Spiel", sagte ich mit rotem Kopf. „Außerdem finde ich das unfair, weil ich das Spiel nicht kenne."

„Lange Partytradition." Alle schauten uns an. „Wenn du nicht als Spielverderber dastehen willst, solltest du das trinken."

Ich sah mich um. Die anderen schauten mich an, manche herausfordernd, andere spöttisch. Sie wollten es wissen, sie wollten wissen ob ich hart genug war, mich zu betrinken. Ich wusste was sie dachten, dass ich zu schüchtern war, zu weich, ein Mädchen. Entschlossen griff ich nach dem ersten Glas.

Ich wollte allen beweisen, dass ich keine schwule Memme war.

Nach dem dritten brannte mein Hals höllisch, ich musste unwillkürlich husten. „Oh mein Gott ist das ekelhaft!", schimpfte ich nachdem die Musik die Gäste wieder in Schwung gebracht hatte. „Aber irgendwie... witzig!"

Mir wurde plötzlich warm und ich bekam Lust zu tanzen. Leicht schwankend fand ich einen Sitzplatz auf dem Sofa, landete versehentlich auf Henrys Schoß, der mich angewidert weg schubste, und beobachtete die Leute. Jemand reichte mir ein Bier, ich wusste, dass ich es nicht mochte, trotzdem nahm ich einen Schluck, es schmeckte doch nicht so schlecht. Serena zog mich aus den Kissen, reichte mir ein Glas Sekt und stieß mit mir an. „Auf uns!" Ich ließ mich von ihr zum Tanzen bewegen.

„Du bist mega hübsch heute, Schätzchen", sagte ich und kippte den Sekt herunter. „Und Elijah ist auch voll hübsch heute..."


Dreamboy (#deutsch)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt