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Die Spielsaison dominierte meinen Alltag. Meine Mannschaft hatte jedes Wochenende ein Spiel und die ganze Universität unterstützte sie. Bei den ersten beiden Spielen saß ich noch auf der Bank, aber schon beim dritten schickte mich der Coach aufs Feld. Ein Test, hatte er betont.

Der Moment, in dem ich voller Spannung auf den Anpfiff wartete, war der Höhepunkt meiner bisherigen Footballkarriere. Die Zuschauer sprangen, schrien und jubelten, schickten eine Welle pure Motivation durch mich hindurch. Der Pfiff kam und wir waren alle in Bewegung, die Kamera folgte uns, während ich den Ball fing und los rannte. Ich hatte drei Verfolger, aber ein freies Feld vor mir.

Also rannte ich, rannte als wäre der Teufel hinter mir. Ich hatte ein Ziel vor Augen.

Ihr spürte den gefährlichen Atem meines Gegners im Nacken und es spornte mich an, noch mehr zu geben. Die Linie kam, ich überquerte sie und ein unglaubliches Gefühl des Triumphs erfasste mich. Ich riss das lederne Ei in die Höhe, entfachte damit Euphorie auf den Tribünen, laute, begeisterte Menschen, für die ich in diesem Moment ein Held war.

Die anderen waren bei mir angekommen. Deon packte meinen Helm und stieß ihn an seinen, grinste mich durch das Gitter hindurch an, sein nasses Gesicht feierte meinen Spielzug. Ich spürte eine Hand auf meiner Schulter, immer und immer wieder, lobend, den Triumph mit mir teilend. Der Schiedsrichter rief uns zur Aufstellung und ich wurde von meinen Mitspielern zur Feldmitte eskortiert, begleitet vom unerschöpflichen Jubeln meiner Fans. Ich war voller Adrenalin und Stolz, fühlte mich unbesiegbar.

Ich sah nicht viel durch das Gitter meines Helmes, aber alles was wichtig war. Die Gegner, meine Spieler, den Ball, die Linien, die Gabel. Den Rest konnte ich spüren. Den Pfiff, der mich reflexartig in Bewegung brachte, den Rasen unter meinen Schuhen, den Ansporn der Zuschauer und das Gewicht meiner Gegner, wenn sie sich auf mich warfen, mich zu Boden rissen und ich mich geschlagen geben musste.

Ich mochte die Geschwindigkeit des Spiels und seine kurzen Pausen, liebte die Atmosphäre eines Alles oder Nichts, lebte den Sieg.

Wir gewannen das Spiel, ließen uns feiern und zogen wie ruhmreiche Gladiatoren vom Feld. In der Umkleide entfachte das absolute Chaos, das Feiern eines wilden Haufens, voller Energie. Für diesen Moment fühlt man sich ewig.

Es ergibt sich ein Sinn, ein Gefühl, etwas geschafft zu haben. Wir teilen es, spüren es gemeinsam und gehören zu etwas Großem, zu etwas Unsterblichen. Ich gehöre dazu.

Es dauerte eine Stunde bis wir uns beruhigt hatten, bis wir wieder auf dem Boden aufgekommen waren. Wir zogen uns um, waren immer noch ein bisschen aufgedreht. Um mich herum lauter glänzende Oberkörper, Körper aus Stahl.

„Kommst du mit zur Party?", fragte mich Owen, legte mir seine Hände auf die nackten Schultern. Fest und fordernd, hier machte keiner halbe Sachen. „Nein", musste ich ihm sagen, „ich feiere in Kenosha weiter."

Er wusste offensichtlich nicht wo das war, vermutete wohl, dass es etwas Großes war. „Okay, aber schade. Du warst heute echt gut, Mann."

„Danke", sagte ich. Er ließ mich los und wir gaben uns einen Handschlag.

Es wurden zehn Handschläge und eine unfreiwillige Spaßrangelei bis ich den Football Center verlassen hatte. Ich war glücklich als ich in meinen Wagen stieg, drehte die Musik auf und startete den Motor.

Doch für mein vollständiges Glück fehlte noch Austin. Wäre mir auf der Fahrt zu ihm eine Streife entgegengekommen, hätte man mich angehalten, viel zu schnell fuhr ich, viel zu unaufmerksam, dabei war ich nicht mal alkoholisiert.

Ich hätte jetzt gerne etwas getrunken, einfach nur, um mein Glücksgefühl weiter in die Höhe zu treiben und vielleicht etwas Dummes zu tun, etwas, das Spaß machte. Wir hatten ausgemacht, dass wir uns in einem kleinen, einfachen Restaurant, treffen.

Als ich die Tür aufstieß, hörte ich laute Stimmen und der Geruch von Essen lag in der Luft. Austins kleiner Freundeskreis war nicht zu übersehen, sie waren fast die einzigen Gäste. Er saß mit zwei Mädchen und zwei Jungen an einem Tisch. Sie diskutierten laut, beugten sich lachend über den kleinen Tisch und gestikulierten wild.

Als Austin aufblickte und mich sah, strahlte er und kletterte eilig von der Sitzbank. Er kam mir entgegen, schlang seine Arme um mich und küsste mich. Immer wenn er das tut glaube ich, dass wir füreinander gemacht sind.

Jetzt war mein Tag vollkommen. Ich hatte ein erfolgreiches Footballspiel hinter mir und Austin in meinen Armen, wünschte mir, dass jeder Tag so sein könnte.

Da war ein kleines bisschen Nervosität in seinem Gesicht, als er mich an die Hand nahm und mich zum Tisch zog. Seine Freunde hatten ihre Diskussion beendet und sahen mich jetzt neugierig an. Ich hatte trotzdem das Gefühl, dass sie schon eine Menge über mich wussten.

„Das ist Elijah", sagte Austin und lehnte sich an mich. Ich fand es süß, dass er stolz dabei klang. Sie betrachteten mich eingehend, aber auf eine freundliche Weise.

Eines der beiden Mädchen stand auf. Sie hatte lange, blonde Haare und war aufwendig geschminkt. „Austin, du hast nicht zu viel versprochen, er ist heiß", sagte sie zu ihm und sie grinsten sich an. „Ich bin Fay und sehr erfreut den Traumprinzen endlich kennenzulernen", sagte sie dann zu mir, „und das hier sind Hayly, Eddie und Jesse."

Mein Blick wanderten zu den anderen drei. Sie sahen sympathisch aus.

Von Jesse hatte ich schon gehört. Austin hatte voller Begeisterung von ihm erzählt. Er sei wie er, praktisch sein Seelenverwandter, der beste Freund, den er jemals gehabt habe. Ich musterte Jesse. Er hatte blond gefärbtes Haar, aufwendig in die Höhe drapiert, seine Augen waren schwarz umrandet, sein Lächeln kokett. Er trug eine silbern schillernde Jacke und einen großen, rosafarbenen Schal. Sein Blick war mir unangenehm.

„Hi", sagte ich. Ich bin ja kein schüchterner Mensch, aber diese Leute waren anders als die mit denen ich sonst immer abhing. Ich kenne Menschen gut, bei den meisten weiß ich wie sie ticken. Ich kann sie kategorisieren. Diese Gesellschaft war mir eher neu.

Austin half mir. Er zog mich zur Sitzbank, schenkte mir seinen Platz und setzte sich auf meinen Schoß. Er ist wirklich ein Fliegengewicht.

Ich legte die Arme um ihn. Er hat so einen zarten Körper, weich und glatt, ich konzentrierte mich auf seine Wärme und seinen Geruch, legte mein Kinn auf seine Schulter. Er schauderte, als mein Atem seinen Hals streifte und wären wir alleine gewesen, hatte ich weiter gemacht, hätte die leichte Senke darunter geküsst und mit meinen Händen nach mehr Haut gesucht.

Ich blickte auf und begegnete Jesses Blick. Er lächelte, so als wüsste er Bescheid, was ich irgendwie schon wieder unangenehm fand.

Dreamboy (#deutsch)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt