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„Aber Chicago kenne ich doch schon", meinte er enttäuscht und versuchte vergeblich eine Haarsträhne aus seinem Gesicht zu wischen, „ich fände es schöner, wenn du mir deinen Campus zeigst."

„Das läuft ja nicht weg", beruhigte ich ihn. Es tat weh zu sehen, dass er keine Ahnung hatte.

„Na gut."

Wir trugen sein Gepäck zu meinem Auto, verstauten es und spazierten dann los. Ich steckte meine Hände in meine Jackentasche damit er sie nicht nehmen konnte. Wenn zwei Männer Händchen halten ist schon alles klar. Entweder ist einer von ihnen behindert oder sie sind schwul. Für manche ist es dasselbe.

Ich konnte es ihm nicht ausreden in ein paar Läden zu gehen, er liebt einkaufen und ich war einfach nur froh, ihn bei mir zu haben. Ich betrachtete sein Gesicht, verfolgte seine Mimik und musste immer lächeln, wenn er lächelte.

Wenn wir in einer menschenleeren Straße waren, zog ich ihn an mich und wenn wirklich niemand schaute, gab ich ihm einen Kuss. Ich liebe Austin über alles, niemand kann mir das Gegenteil weiß machen. Aber ich musste für alle anderen der bleiben, der ich für sie war, nur so würde ich mein Ziel erreichen können. Ich konnte meine Zukunftschancen nicht aufgeben, konnte nicht riskieren, dass man schlecht über mich redete. Deshalb diese Vorsichtsmaßnahmen.

Ich hatte Bilder vor Augen gehabt. Mein Team, wie sie nicht mehr mit mir spielen wollen würden. Ich stellte mir vor, dass sie mir auf dem Feld aus dem Weg gehen würden. Ich stellte mir vor, dass sie mich nicht mehr an ihrem Tisch sitzen lassen und mich beleidigen würden. Es waren Albträume. Ich sah mich ganz allein.

„Hey Süßer, hörst du mir zu?", drang Austins Stimme an mein Ohr. Wir hatten uns in einem Restaurant niedergelassen, als die Sonne untergegangen war. „Ich war gerade in Gedanken", gab ich zu und sah auf meinen vollen Teller hinunter.

„Was hast du gedacht?"

„Dass es besser ist, wenn du nicht gesehen wirst."

Austin sah mich irritiert an. „Was meinst du?"

„Im Palace steigt doch heute die Party. Ich möchte, dass du dich rein schleichst, sodass du nicht gesehen wirst", führte ich das Ganze aus.

Natürlich war er empört. Sein Blick wurde traurig, sein Mund verzog sich zu einem Strich. Ich seufzte innerlich. Ich tue ihm nicht gerne weh, im Gegenteil, aber es musste eben sein. Ich wollte seine Hand nehmen, aber er zog sie weg. Keine Berührung, zur Strafe.

„Niemand weiß von mir, stimmt's?"

Es fiel mir plötzlich schwer zu antworten, aber ich zwang mich. „Ja."

Er machte ein Gesicht, als hätte ich ihm meine Faust in den Bauch gerammt. „Warum?"

Das hatte ich ihm schon tausendmal erklärt, aber er hatte das Recht, es nicht zu verstehen. Trotzdem versuchte ich mich zu rechtfertigen. „Ich bin doch noch gar nicht lange hier, es ist einfach noch zu früh." Ich bemerkte, dass meine Erklärung ihm Hoffnungen machen könnte, verstummte und versuchte es noch einmal: „Ich habe einen sicheren Platz gefunden. Ich kann ihn jetzt nicht aufgeben."

Er öffnete den Mund um etwas zu sagen. Etwas, das mir Schuldgefühle geben würde, das ihn als unwichtig und hintergangen darstellen würde und mich als einen feigen Egoisten, dem sein Ansehen wichtiger ist als die Liebe. Ich unterbrach ihn, bevor er es sagen konnte.

„Lass uns nicht schon wieder darüber reden, bitte", bat ich, „genießen wir einfach, dass wir zusammen sind."

Er sah auf die Tischplatte, so geknickt, dass ich mich selbst hasste.

„Okay", sagte er dann, aber ich wusste, es war nicht okay.


Austin war immer noch beleidigt, als wir nach Evanston fuhren. Ich parkte das Auto in der Einfahrt. Die Außenbeleuchtung war an. Ich bemerkte, dass das Lächeln auf sein Gesicht zurückgekehrt war. „Das ist ein wunderschönes Haus."

„Warte bis du mein Zimmer gesehen hast", flüsterte ich. Wir machten es so wie ich es geplant hatte. Er würde meinen Schlüssel nehmen und sich hinten rein schleichen, während ich vorne klingelte.

Als Bart mir die Tür öffnete, bemerkte ich, dass ich nicht passend angezogen war. Er trug ein Jackett, das ihm perfekt stand, so perfekt, dass ich ihn für einen Augenblick nur dumm anstarren konnte. Damit es nicht komisch wirkte, begann ich zu lachen. „In welchem Jahr bin ich denn jetzt gelandet?"

„The Great Gatsby", sagte er charmant lächelnd und die Rolle passte mit einem Mal so gut zu ihm, dass ich mich völlig fehl am Platz fühlte. „Ich hatte dich doch gebeten einen Anzug anzuziehen."

„Ich bleibe nicht auf der Party", erklärte ich und betrat das Haus. Es war voller Leute in Abendgarderobe. „Ich hatte heute Extratraining und bin extrem müde." Keine Ahnung ob er mir das glaubte.

„Wenigstens ein Glas Champagner?"

„Ja gerne. Zwei bitte."

Wenn er jetzt skeptisch war, ließ er sich nichts anmerken. Er trat näher an mich heran, sodass ich sein Parfüm riechen konnte. „Heute sind viele hübsche Mädchen hier", raunte er mir ins Ohr und mir stellten sich alle Armhärchen auf.

Ich trat schnell zurück. „Na dann wünsche ich dir noch viel Spaß."

Mit dem Gedanke, dass diese Party sowieso nichts für mich gewesen wäre und zwei Gläsern Champagner in den Händen, eilte ich die Treppe hinauf. Die Tür zu meinem Zimmer war nur angelehnt, ich drückte sie mit dem Fuß auf und trat ein.

Zu meinem Schreck war Austin nicht alleine. Er saß auf meinem Bett und neben ihm saß Maggie. Sie trug ein Kleid, hatte sich die Haare geflochten und hohe Schuhe angezogen.

Ich fluchte innerlich, denn ich hatte vergessen ihr abzusagen. Wir schwiegen für ein paar Sekunden, dann durchbrach sie die unangenehme Stille: „Ich habe Austin kennengelernt."

Was du nicht sagst, dachte ich, stellte die Gläser auf meinem Schreibtisch ab, fuhr mir durchs Haar und sah Austin an. Er lächelte und ich wusste auch warum. Er hatte heute einen Sieg gelandet. Sein stiller Triumph ärgerte mich ein bisschen. Ich verliere wirklich nicht gerne.

„Sie hat sich extra für dich schön gemacht", sagte Austin und ich hatte das Gefühl, er wollte mich noch zusätzlich ärgern.

„Tut mir leid, Maggie."

„Ist schon okay", meinte sie und sah zu Austin, „du hast ja Besuch." Eilig erhob sie sich und ging zur Tür. „Wir sprechen uns morgen", sagte sie, bevor sie die Tür hinter sich schloss.

„Sie ist nett und voll hübsch", bemerkte Austin und erlaubte  sich auch noch ein freches Grinsen, „und jetzt weiß sie, dass du schwul bist."

Ich sah ihn an, lange, wie er auf meinem großen Bett saß und anstatt ihm länger böse zu sein, war ich froh schwul zu sein, denn sonst könnte ich Austin nicht lieben. Das machte er mit mir, wenn ich mit ihm alleine war. „Komm her", flüsterte er und ich wusste, er hatte denselben Gedanke. Wir ließen den Champagner unberührt.

Etwas riss mich unsanft aus dem Schlaf. Ich öffnete die Augen und war erst einmal geblendet. Während sich meine Augen an das Licht gewöhnten, hörte ich die wütende Stimme.

„Raus!", brüllte Bart außer sich vor Wut, „verlasse sofort dieses Haus!"

Dreamboy (#deutsch)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt