47

81 5 0
                                    

Nachdem ich es gesagt hatte, blieb Gale für eine ziemlich lange Weile still und sah nach oben in den schwarzen Himmel.

„Hast du gehört, David", sagt er irgendwann und ich fand es seltsam, dass er mit meinem Vater sprach. „Er glaubt nicht an sich, weil andere nicht an ihn glauben. Das hat er aber von dir, denn ich habe ihm das nicht vermittelt. Ich habe immer gesagt, es ist egal was die anderen denken, du bist der Einzige, der an dich glauben muss."

Dann wandte er sich an mich. „Ich kann nicht glauben, dass ich all die Jahre im Gefängnis vergeudet habe. Ich glaube du hättest jemanden wie mich gut gebrauchen können, Junge. Ich hätte für dich da sein müssen nachdem David es nicht mehr konnte. Die Frauen in deinem Leben haben es echt verkackt."

Das brachte mich zum Schmunzeln. Von dieser Seite hatte ich es noch gar nicht betrachtet.

Eine Weile waren wir wieder still. „Du bist nicht enttäuscht von mir?", fragte ich dann.

Während ich auf die Antwort wartete, merkte ich, dass mir die Frage wichtig war. Ich würde sie meinem Vater nie stellen können.

„Naja, ist nicht was ich mir vorgestellt habe, aber daran ist ja wohl nichts zu ändern. In meiner Zelle habe ich viel Zeit gehabt mir vorzustellen was aus dir, Willow und Charlize geworden ist. Ich hab's nicht gewusst und das war echt hart. Jetzt bin ich draußen und nichts ist so, wie ich's mir ausgemalt habe. Aber egal, ich will nur wieder gut machen was ich verbockt habe."

„Du hast nichts verbockt", erwiderte ich und meinte es auch, „wir hätten dich besuchen sollen, wir haben es verbockt. Es war echt nicht fair dich so zu behandeln."

Er nickte. „Diese Familie ist wirklich ein Desaster, findest du nicht? Irgendwie sehe ich es als meine Aufgabe, sie zu retten."

„Da gibt's nichts zu retten, glaub' mir."

Ich sprang auf, plötzlich wollte ich nicht mehr sitzen. „Ich werde wie Dreck behandelt seitdem es alle wissen. Die meisten glauben nicht mehr an mein Talent. Weißt du, die Bestätigung der anderen hat mich immer stark gemacht, sie war alles was ich wollte. Ich brauche sie."

„Dann hol sie dir wieder", ermutigte er mich und erhob sich ebenfalls.

„Das ist nicht so einfach", entgegnete ich. Bisher war es mir immer gelungen, Leute in ihrer Sicht auf mich zu beeinflussen.

Aber jetzt schien es mir viel schwieriger.

„Aber nicht unmöglich", sagte Gale.

Für einen kurzen Augenblick wünschte ich mir, er wäre mein Vater.


Es gab noch ein Problem, ich war obdachlos. Irgendwie brauchte ich ein neues Zimmer. Ich ging zur Verwaltung, aber die konnten mir auf die Schnelle nicht helfen.

Meine Rettung war Maggie. Sie kannte eine, die jemanden kannte, welcher gerade ein freies Bett in seinem Zimmer hatte und es mir anbot.

Sein Name war Dallas. Er war ein seltsamer Typ, trug dunkle Kleidung und hatte seine hellblond gefärbten, langen Haare oben auf seinem Kopf zusammengebunden. Sein Zimmer war unordentlich, aber das störte mich nicht.

Ich packte meine Sachen aus und setzte ich mich auf das Bett.

„Wer schläft eigentlich hier?", fragte ich ihn und bemerkte ein Tattoo auf seinem Unterarm. Ich hatte mir auch schon mal überlegt, ob ich mir eins stechen lasse. Viele Footballspieler trugen Tattoos.

„Niemand", sagte er.

„Wie das? Die Verwaltung verteilt doch die Betten?"

Er antwortete nicht gleich, er war nicht sehr gesprächig. Dafür, dass er taff wirkte mit seiner Lederjacke und der zu einem Dutt locker zusammengebundenen Mähne war er ganz schön Zögerschüchtern.

„Mein Onkel hat beide für mich gemietet damit ich mir das Zimmer mit niemanden teilen muss."

„Nett von ihm", fand ich.

Dallas nickte. Irgendwie fand ich ihn cool, er war zwar still und ein ziemlicher Außenseiter, aber er verurteilte mich nicht.

„Macht es dir was aus, wenn ich rauche?", fragte er.

„Nein."

Er ging zum Fenster, öffnete es, lehnte sich an den Rahmen und zündete sich eine Zigarette an, fragte mich aber nicht, ob ich auch eine wollte. Ich hätte aber sowieso keine genommen, Rauchen ist für Sportler tabu.

Ich verbrachte viel Zeit mit Dallas, der sonst keine Freunde hatte. Er redete viel über seinen Onkel, auf eine seltsame Art, die ich nicht einordnen konnte.

Mit Bart redet ich nicht mehr. Wann immer ich ihm während des Unterrichts begegnete, zeigte ich ihm die kalte Schulter. Doch mit jedem vergangen Tag, überlegte ich mir, ob ich vielleicht doch mit ihm reden sollte.

Doch etwas anderes beschäftigte mich mehr. Als ich gerade auf dem Weg zu Dallas Zimmer war, traf ich auf ihn und seinen Onkel von dem er mir schon so viel erzählt hatte. Er war ein großer, schlanker Mann, der sehr nett auf mich wirkte und dessen Hand ruhig auf Dallas Schulter lag, als ich mit ihnen redete. Doch da war irgendetwas, was mich an der Begegnung beunruhigte, nur so ein Gefühl, das mich aber nicht mehr losließ.

Ich hatte mich wie ein Eindringling gefühlt, als ich mit den beiden gesprochen hatte, obwohl alles normal schien. Außer dieser Hand und der Körpersprache seines Onkels. Und Dallas selbst, sein grenzenloses Vertrauen, das ich seinem Onkel gegenüber bemerkte.

Irgendetwas, ein Bauchgefühl, warnte mich.

Dreamboy (#deutsch)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt