58

86 5 0
                                    

Drei Jahre sind eine lange Zeit. Eine lange Zeit um unglücklich zu werden oder Gefühle in Zweifel zu verwandeln. Die Hoffnung einen Menschen nicht zu verlieren, kann plötzlich aufgegeben sein.

Was bleibt jedoch von dieser Zeit, wenn man sie immer weniger miteinander teilt? Was bleibt von den gemeinsamen Minuten, in denen man sich schweigend gegenüber sitzt? Dann ist alles was bleibt die Berührung zweier Körper, deren Seelen auseinandergehen.

Elijahs College-Zeit endet nach drei unbeschreiblichen Erfolgsjahren. Mithilfe seiner beiden optimistischen, tatkräftigen Manager und seinem unerschöpflichen Talent hat er es nach ganz oben auf die Begehrtesten-Liste der College-Footballspieler geschafft.

Ich habe ihn begleitet bis zu diesem Punkt, bin der Liebe gefolgt. Jetzt habe auch ich das College hinter mir und die Welt steht mir offen.


Elijah wartet schon auf mich, an einem hübsch dekorierten Tisch in meinem Lieblingsrestaurant in Chicago. Er nimmt seine Sonnenbrille ab und grinst als ich hereinkomme. Ich fühle mich schuldig während ich langsam an den übrigen besetzten Tischen vorbeigehe, den Blick auf mein Ziel gerichtet. Am Tisch angekommen bleibe ich stehen und atme tief ein.

„Hi."

„Hey", sagt Elijah und grinst noch breiter, „ich bin gespannt auf den Tag an dem du das erste Mal pünktlich kommst."

Ich setze mich. „Ich habe auch schon oft auf dich warten müssen", widerspreche ich.

„Ja stimmt. Egal, was willst du essen?" Er zeigt auf die Karte.

Ich starre ihn an.

„Was ist?", fragt er, als er meinen Blick bemerkt.

„Ich fliege nach Paris."

Er weiß sofort was ich damit meine. Sein Lächeln erstarrt.

„Das klingt entschlossen."

„Ist es auch."

„Nein nein nein, warte!" Er hebt abwehrend die Hände, „ich dachte, das hättest du aufgegeben oder wenigstens verschoben."

„Das dachte ich auch... für eine Weile. Aber jetzt bin ich mir sicher", erkläre ich. Es tut weh, aber es ist die Wahrheit.

„Für ein Jahr?"

„Eher zwei", verrate ich.

„Zwei!" Seine Augen starren mich an. „Das meinst du nicht ernst."

„Doch."

Für einen Moment ist er sprachlos. Dann wandert sein Blick durch das Fenster nach draußen. Seine Brust hebt und senkt sich langsam, während er schweigend und unbeweglich hinaussieht.

„Ich kann so nicht weitermachen", erkläre ich. „Nicht solange Ruhm und Reichtum alles ist was dich interessiert."

Elijah sieht mich an. „Es ist nicht Ruhm und Reichtum. Ich will meinen Traumberuf erreichen. Ich will Profi sein."

Ich betrachte ihn. „Das stimmt nicht. Dass du ganz nach oben willst bedeutet, dass du das willst: Berühmt sein."

Elijah verschränkt die Arme und hebt fragend die Schultern. „Und wenn schon? Was ist so schlimm daran?"

„Glaubst du wirklich das macht glücklich? Denkst du es macht dich zu etwas Besserem?"

„Denkt das nicht jeder? Ist es nicht so?"

Ich schlage mit den Handflächen auf den Tisch. „Herrgott nein! Sieh dir Bart an! Er hat Unmengen an Geld, jeder kennt seinen Namen, aber sein Leben ist alles andere als beneidenswert. Er hat keine Freunde, kein Familienleben und keine Beziehung. War deine Mutter jemals glücklich mit dem ganzen Geld? Willst du dein Leben so leben wie sie? Alleine?"

Elijah hebt einen Mundwinkel. „Was für eine Moralpredigt wird denn das jetzt hier?"

„Ich bin der Meinung, dass du das zu ernst nimmst, Elijah. In letzter Zeit geht es dir nur noch um Erfolg. Aber das ist nicht alles. Manchmal reicht es auf sein Herz zu hören. Jesse ist mit Nichts nach New York gegangen und hat jetzt immer noch nicht viel. Trotzdem ist er glücklich! Und weißt du warum? Weil er nicht darauf achtet, was die anderen von ihm denken!"

Elijah lässt den Blick über die anderen Tische wandern. „Schön für ihn. Aber du weißt sehr gut, dass mein Leben noch nie minimalistisch war. Und ich bin auch glücklich, Austin."

Ich schnaube. „Wie kann man glücklich sein, wenn man sein Leben nur nach einem Ziel richtet, ohne den Wert in anderen Dingen zu sehen?"

Elijah schüttelt leicht den Kopf. „Was willst du mir damit vorwerfen?"

„Wenn du immer nur daran denkst was die anderen von dir denken, vergisst du an dich selbst zu denken. Seit du bekannt geworden bist, machst du alles nur noch für die Öffentlichkeit. Du bist die Person, die sie sehen wollen. Und immer weniger die Person, die ich in dir sehen will."

„Vielleicht kann ich aus einer Gesellschaft, die jeden Menschen in eine Schublade zu stecken versucht, einfach nicht ausbrechen", gibt er energisch zurück und stützt sich mit den Unterarmen auf dem Tisch ab, „sie haben sich längst ein Bild von mir gemacht. Und wenn ich ein Footballstar für sie bin, dann ist das gut. Denn lieber bin ich das als ein Niemand, der wegen seiner Homosexualität abgelehnt wird." Er rutscht unruhig auf seinem Stuhl hin und her. „Diese Welt ist doch immer noch verdammt intolerant. Was ist man, wenn man schwul ist? Wir sind anders und die Gesellschaft sträubt sich, uns zu tolerieren. Was ich damit sagen will ist, dass ich unglaublich froh bin, von der Öffentlichkeit gefeiert zu werden. Und ich werde weiterhin alles dafür tun, damit das so bleibt."

Die Kellnerin kommt mit seinem Essen und stellt es vor ihm ab. Elijah entspannt sich wieder ein bisschen. „Möchten Sie auch etwas essen?", fragt sie mich freundlich.

„Den großen Salat bitte", antworte ich und warte bis sie wieder hinter der Theke verschwunden ist. „Nicht alle sind so intolerant wie du es beschreibst", sage ich dann, „es gibt viele die okay damit sind und das weißt du auch. Die Medien unterstützen dich."

Elijah nimmt seine Gabel in die Hand und dreht sie in seinen Fingern „Ich war lange davon überzeugt, dass ich mir im Weg stehe und dass ich deswegen meinen Traum aufgeben muss", gibt er zu.

„Jetzt ist es nicht mehr so, ganz im Gegenteil, die Leute lieben dich."

„Meine eigene Mom hat mich lange nicht toleriert. Deine Familie stand immer hinter dir. Ihr habt immer zusammengehalten. Sie haben dir die Sicherheit gegeben, die auch ich gebraucht hätte. Aber ich hatte kein Familienleben und stand alleine da. Ich wollte mir beweisen, dass ich es schaffen kann."

Er sieht mir in die Augen.

Ich liebe diesen Blick. „Trotzdem hat Charlize es geschafft, dich durch ihre falschen Werte und ihre engstirnige Sichtweise von mir zu entfernen", stelle ich traurig fest. „Und jetzt ist sie plötzlich für dich da. Jetzt, da du geschafft hast was sie immer von dir erwartet hat."

Elijah atmet hörbar aus und auch er wirkt plötzlich niedergeschlagen.

„Alle haben an mir gezerrt mit ihren Erwartungen, haben versucht, mich zu beeinflussen. Aber ich bin meinen Weg gegangen. Und ich bin zufrieden, denn es ist was ich will."

„Okay." Ich richte mich blinzelnd auf. „Es ist nur nicht was ich möchte. Ich möchte nicht mehr hinter dir stehen und zusehen wie du glaubst zu erreichen, was du für perfekt hältst. Ich möchte kein Lückenfüller mehr sein."

Dreamboy (#deutsch)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt