2. Kapitel

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Wochen waren vergangen, als Jeffrey Follett plötzlich vor meiner Tür stand. Mein Herz setzte für einen Moment aus. Er war es, unverkennbar, und er war hier.

Alles, was ich vergessen wollte, stand vor mir, sah mich an mit so viel Erleichterung, dass es mir die Sprache verschlug. Mit einem Augenblick hatte Jeffrey es geschafft, ein halbes Jahr zu überspringen, die Zeit ohne ihn einfach auszuradieren. Es kam mir vor wie gestern, dass ich vor ihm weggerannt war und mir geschworen hatte, ihn nie wieder zu sehen, seinen Namen nie wieder laut zu erwähnen.

Dieser Vorsatz war auf einmal verloren.

„Deine Mom hat mir gesagt, dass du zu Kurt gezogen bist", sagte er und ich zuckte innerlich, als der Klang seiner Stimme in meinen Kopf zurückfand. Der Klang, dem ich so oft mit geschlossenen Augen gelauscht hatte, den ich geliebt hatte, so lange. „Also habe ich mein Auto genommen und bin hergefahren."

Er sagte es so selbstverständlich, als wäre es kaum eine Entscheidung wert gewesen, sondern Gottes Wille, eine Bestimmung, der er gefolgt war, schien nicht zu wissen, was er damit anrichtete. Ich traute mich wieder zu atmen und löste mich aus meiner Starre, um die Tür ein Stückchen weiter zu öffnen. „Damit habe ich nicht gerechnet." Es war ein kleiner Abdruck von dem, was ich wirklich fühlte. Ich fühlte auf einmal den Drang ihn anzufassen, zu prüfen, ob er wirklich hier war.

„Darf ich reinkommen, Austin?", fragte er sanft. Wieder überspülte mich eine Welle von Erinnerungen, die ich verdrängt hatte. Wortlos ließ ich ihn eintreten.

Im Wohnzimmer stießen wir auf Kurt, der sich misstrauisch in seinem Sessel aufrichtete. „Wer ist das?" Ich ärgerte mich darüber wie er aussah, ungepflegt, in Jogginghose und Unterhemd.

„Das ist Jeffrey, mein Exfreund aus Park Falls, kann er ein bisschen bleiben?"

Der Blick, den Kurt Jeffrey zuwarf, war so unverschämt, dass ich reflexartig nach Jeffreys Hand griff und ihn aus dem Raum zog. „Das heißt dann wohl ja", grummelte ich und führte ihn in den Garten, weg von diesem Albtraum von Vater. Ich wollte Jeffreys Hand loslassen, aber er hielt sie fest. Ich kannte diese Finger so gut wie meine eigenen, sie hatten mich so oft berührt. „Das fühlt sich gut an", sagte er und streichelte mit dem Daumen über meinen Handrücken. Es fühlte sich gut an, aber gleichzeitig fragte ich mich, was ich da tat. „Sieh mich an, Austin."

Ich hob den Blick und landete in Jeffreys grünen Augen. Es störte mich, dass ich ihm so leicht verfiel und er Gefühle in mir weckte, die ich für längst vergangen gehalten hatte.

Gefühle, die ich das erste Mal spürte als ich sechzehn war und Jeffrey, ein Spieler aus dem gegnerischen Volleyballteam, kennenlernte. Er hatte mich die ganze Zeit angesehen und gelacht, wenn ich den Ball verspielt hatte. Ich traf ihn im Supermarkt wieder und wieder, weil seine Mutter dort verkaufte und er dort aushalf. Jada drängte mich schließlich, ihn zu mir einzuladen. Und da war es um mich geschehen.

„Ich habe dir etwas mitgebracht", sagte Jeffrey jetzt und legte mir einen Apfel in meine Hand, die er noch immer in seiner hielt. Es war eine Sorte, die den gleichen Namen trug wie ich, er hatte mir damals einen zu unserem ersten Treffen geschenkt, aus dem Supermarkt.

Weil ich nichts sagte, begann er zu reden: „Ich habe mich so oft bei dir entschuldigt, habe dir Nachrichten geschickt, versucht dich anzurufen, tausendmal. Ich wollte dir sagen wie leid es mir tut, was ich dir angetan habe, doch du wolltest es nicht hören. Du hast mich einfach abgestellt, Austin. Nach alldem was wir zusammen hatten."

Seine Verzweiflung war unüberhörbar. Ja, was wir hatten war wunderbar gewesen. Nach unserem ersten Kuss war uns beiden klar gewesen, dass etwas Besonderes zwischen uns gewesen war. Ich hatte Jeffrey geliebt, ich war abhängig von ihm gewesen. Wir hatten einen wunderschönen Sommer zusammen verbracht, auf Jeffreys Segelboot. Ich war so überzeugt gewesen, den Richtigen gefunden zu haben, doch dann kam der Herbst und alles nahm eine Wendung.

Wir waren auf einer Geburtstagsparty von einem Freund von Jeffrey. Jeffrey hatte lange gezögert bis er einverstanden war, dass ich mitkam. Er war von Anfang an distanziert, was ich gar nicht von ihm kannte. Ich stand zufällig in der Nähe, als er mit seinen Freunden redete. Einer von ihnen fragte, ob Jeffrey noch single sei und er antwortete, klar, das wisst ihr doch, Jungs. Und dann hörte ich wie sie über ein Mädchen sprachen und Jeffrey sagte, er könne sie locker an diesem Abend noch flachlegen.

Seine verlogenen Worte brachen mir das Herz und ich fühlte mich hintergangen. Ich rannte nach Hause und weinte tagelang. Jada sorgte dafür, dass Jeffrey mich nicht mehr sehen konnte und ich war erleichtert als er mit seiner Familie in eine andere Stadt zog.

Trotzdem erinnerte mich alles an ihn und der Schmerz wollte nicht weggehen. Dann rief Kurt bei uns an und sprach von einem neuen Versuch und seinem Wunsch, uns wiederzusehen.

Ich sah diesen Neuanfang als meine Rettung, eine Möglichkeit, Jeffrey hinter mir zu lassen. Doch auf einmal war ich mir nicht mehr sicher, ob ich das jemals gewollt hatte. Jetzt war er wieder hier bei mir, der Körper, den ich geliebt hatte, zum ersten Mal in meinem Leben. Ich verspürte wieder den Drang ihn zu berühren und Jeffrey schien es zu bemerken, denn er nahm meine Hand und legte sie an seine Wange. „Ich gehöre immer noch dir, wenn du willst, Austin." Es klang so verlockend, dass ich ins Straucheln kam, meine Gedanken stolperten, mein Herz fiel in seine Arme.

„Es ist viel Zeit vergangen", sagte ich leise, doch in Wirklichkeit kam es mir vor wie Stunden, nicht wie ein halbes Jahr.

„Das spielt keine Rolle, weil ich dich immer noch liebe", entgegnete er und führte meine Hand hinunter zu seiner Brust.

Mir wurde warm bei seinen Worten, bei unserer Berührung, ich hatte das Gefühl, dass die Luft dünner wurde. „Bitte gib mir eine zweite Chance, ich werde dich nie wieder enttäuschen, nie wieder."

Meine Gedanken überschlugen sich mit meinen Gefühlen. Für einen Moment tauchte Elijah in meinem Kopf auf, durchbrach Jeffreys Gesicht und ließ mich zögern.

„Vielleicht können wir es wirklich noch mal versuchen", sagte ich und im nächsten Moment trafen Jeffreys Lippen auf meine und alle Zweifel waren weggeblasen, wir waren sofort wieder da wo wir aufgehört hatten.

Jeffrey wollte wissen, was er alles verpasst hatte. Ich erzählte ihm eine Kurzfassung, in der Elijah nicht vorkam. Er ließ mich nicht mehr alleine und als Jada kam, war es mir ein bisschen peinlich, denn der Blick, den sie mir zuwarf, war ein einziger Vorwurf. Jada wusste nur zu gut was ich mit Jeffrey durchgemacht hatte, sie hatte mich trösten müssen als er mich verletzte. Sie hatte jede meiner Tränen ertragen müssen und jetzt schien es beinahe umsonst.

Unter Kurts verärgerten Blicken richtete ich eine Matratze in unserem Zimmer für Jeffrey ein. "Du vergibst ihm so einfach?", fragte mich Jada, als wir kurz allein waren. Vielleicht war es ein bisschen unfair, ihn einfach in ihr Leben zu schieben, aber ich konnte nicht anders. „Er hat sich entschuldigt."

„Und das reicht dir auf einmal?" Jada war sauer, was mich auch sauer machte, denn ich konnte es nicht leiden, wenn sie sauer war.

„Jeffrey ist nicht irgendein Mensch, Jada, er war lange mein Freund, wie du weißt. Und deshalb verbindet uns etwas, was du nicht verstehst."

Sie hasste es noch mehr, wenn ich sagte, sie würde etwas nicht verstehen und ich wusste das. „Schön für euch!", zischte sie, „aber vielleicht hast du vergessen, dass du ihn eigentlich hassen wolltest, nachdem er dich verleugnet hat!"

Ich hatte es nicht vergessen und suchte schnell nach einem Grund, es nicht mehr zu wollen. „Man kann seine Gefühle nicht steuern."

„Denkst du bei deinen Gefühlen vielleicht auch mal an mich?" Sie starrte mich wütend an, das konnte sie gut, mir ein schlechtes Gewissen machen. Ich wollte etwas erwidern, doch da kam Jeffrey zurück und sie stand ruckartig auf und verließ das Zimmer. Ich kannte dieses Drama, wir hatten es schon einmal durchgespielt als ich Jeffrey kennengelernt hatte. Erst hatte sie es toll gefunden mich mit ihm zu verkuppeln, doch nachdem wir ein Paar geworden waren, hatten wir uns öfter gestritten.

„Sie ist alt genug sich ebenfalls einen Freund zu suchen", sagte Jeffrey und setzte sich zu mir auf das Bett, ich nahm seine Worte dankbar an, weil ich mich damit besser fühlte. Er sah mich an, glücklich, und ich wusste, dass alles wieder wie früher werden könnte, wenn ich es zuließ.

Dreamboy (#deutsch)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt