11 ~ Jack is in the house

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Müde stand ich auf. Wir hatten am Vortag noch drei Filme geschaut, bevor wir ins Bett gegangen waren.

»Lass mich noch schlafen«, grummelte Lina neben mir.

Also erfüllte ich ihr den Wunsch und machte mich durch den langen Flur auf den Weg zum Badezimmer.

Doch als ich die Badtür zu aufmachte, war das Zimmer nicht leer. Vor dem Waschbecken stand ein oberkörperfreier Typ, mit seinem muskulösen Rücken zu mir.

Hoffentlich hatte er mich nicht gehört.

Gerade wollte ich die Tür wieder schließen, als er sich zu mir umdrehte und mich mit seinen orangenen Augen musterte. Ich muss wohl kaum erwähnen, wie gut er dabei aussah. Wie konnte man mit einer Zahnbürste im Mund so extrem sexy aussehen?

»Was machst du hier?«, nuschelte er und spülte dann seinen Mund aus.

»Ich hab bei Lina geschlafen«, erklärte ich und machte Anstalten, die Tür wieder zu schließen, als er »Kannst hier bleiben, ich brauch nicht mehr lange«, sagte.

Zögernd betrat ich das Badezimmer. Seit unserem gemeinsamen Aufenthalt im Oberstufenraum hatte ich kein einziges Mal mit Jack geredet, weil er immer in Begleitung von Jared gewesen war. Jared. Allein der Gedanke an ihn machte mich wütend. Wie konnte er Veronica wie Scheiße behandeln und dann auch noch so tun, als würde er auf mich stehen? Oder hatte Veronica nur gelogen, damit ich mich vor Jared blamierte? Ja, das war am Wahrscheinlichsten.

Warum konnte Jack sich nicht einmal ein T-Shirt anziehen?

»Wie lang brauchst du denn noch?«, fragte ich, denn ich musste aufs Klo und das würde ich garantiert nicht machen, wenn Jack hier war.

»Jetzt sei doch nicht so ungeduldig«, meinte Jack und trocknete seine Hände an einem Handtuch ab. Auf dem Weg zur Tür lächelte er mich an. Selbst seine Augen, welche durch das hereinfallende Sonnenlicht noch farbenfroher wirkten, lächelten mit. Ich konnte meinen Blick nicht von ihm wenden. Dieses Lächeln, diese Augen, das sah einfach zu süß aus.

»Du kannst mich nachher beim Essen noch genug anstarren!«, sagte er und schloss hinter mir die Tür.

Oh mein Gott, wie peinlich!


Eine Viertelstunde später ging ich mit einer übermüdeten Lina zur Küche. Sie wach zu kriegen war die Herausforderung meines Lebens gewesen. Aber was tut man nicht alles, um mit einem Dämonen Frühstück zu essen. Und dann auch noch mit einem netten, gutaussehenden Dämonen.

Genau dieser Dämon saß nämlich gerade im Esszimmer, welches nur durch eine offen stehende Tür von der Küche getrennt war.

»Guten morgen!«, rief er und kaute genüsslich sein Brot.

Müde torkelte Lina zum Schrank, deckte zwei Teller und schob zwei Brote in den Toaster. Anscheinend war sie so müde, dass sie Jack gar nicht wahrgenommen hatte. Hatte sie nicht genauso lange wie ich geschlafen?!

»Guten morgen«, antwortete ich deshalb für sie und setzte mich gegenüber von ihm hin. »Hast du gut geschlafen?«

»Perfekt. Danke der Nachfrage. Ihr habt anscheinend nicht viel geschlafen?«

Ich schüttelte meinen Kopf.

Lina kam mit den zwei getoasteten Broten angetorkelt und legte mir eins auf meinen Teller. Dann schmiss sie sich neben mich auf den Stuhl und biss in ihr Brot, ohne irgendetwas darauf zu schmieren.

»Habt ihr Messer?«, fragte ich. Käse und Honig waren schon gedeckt, wahrscheinlich von Jack.

»In der Küche«, nuschelte Lina mit vollem Mund.

Also schob ich meinen Stuhl zurück und machte mich auf die Suche. Nachdem ich erfolglos drei Schränke und fünf Schubladen geöffnet hatte, hörte ich plötzlich Jack hinter mir: »Komm, ich zeig dir, wo die Messer sind.«

Ich guckte ihm zu, wie er eine Schublade neben einem der Kühlschränke öffnete. Ein vollständiger Besteckkasten kam zum Vorschein.

»Hier«, sagte Jack und reichte mir ein Messer. Obwohl ich sie erwartete, ließ mich die von ihm ausgehende Hitze kurz zusammenzucken. Vor Schreck ließ ich das Messer fallen.

Aus Reflex griff ich danach und fing es noch in der Luft auf.

»Gut gefangen«, sagte Jack und lächelte mich an. Oh mein Gott, allein dieses Lächeln bewirkte, dass mir wieder warm ums Herz wurde. Ich wünschte, ich könnte ihn anfassen, seine Hitze für immer spüren.

Aber, nein! Daran durfte ich gar nicht denken.

»Danke«, murmelte ich und schaute an ihm vorbei, um wieder einen klaren Kopf zu bekommen.

»Wofür?«

Ich ließ meinen Blick kurz über sein Gesicht streifen. Jetzt lächelte er nicht mehr, aber dafür starrten mich seine orangenen Augen direkt an. Für diesen kurzen Augenblick, wo unsere Blicke sich trafen, spürte ich, wie mir wieder wärmer wurde. Sobald ich wieder weg sah, war mir eiskalt.

Fühlte er es auch?

«Danke für das Messer«, sagte ich und begab mich mit Beinen, die sich wie Wackelpudding anfühlten, zurück zu meinem Platz.


»Warum bist du eigentlich so gut mit Jared befreundet?«, fragte ich nach einer Weile. Es wunderte mich wirklich, warum ein Dämon einen Player wie Jared als seinen besten Freund ansah. Wozu sollte ein Dämon sich mit einem Menschen gut verstehen?

Jack schwieg kurz. Wahrscheinlich dachte er darüber nach, was er darauf antworten sollte. Ich konnte wohl kaum erwarten, dass er mir die Wahrheit sagen würde, oder? Dämonen verbreiten doch nur Lügen, wo sie können. »Wir kennen uns seit dem Kindergarten«, erklärte Jack. »Und jetzt sind wir uns gegenseitig so wichtig geworden, dass wir nicht mehr aufeinander verzichten können.«

»Worauf könnt ihr nicht verzichten?«, hakte ich weiter nach.

»Das bleibt ein kleines Geheimnis zwischen Jared und mir«, meinte Jack lächelnd. Anscheinend würde ich nicht einfach Informationen aus ihm herausbekommen. Mein Ziel jedoch war es, ihn besser kennenlernen. Um ihm mit dem Wissen über seine Schwächen ein qualvolles Leben zu gestalten.

Plötzlich berührte etwas heißes meine Hand. »Au!«, schrie ich aus Reflex. Aber mein Schrei verstummte, als ich sah, was meine Hand berührte. Auf ihr lag die Hand von Jack, welcher über den Tisch gegriffen hatte, um seine Hand auf meine zu legen.

»Sorry, ich wollte dich nicht erschrecken«, meinte dieser lachend, während meine Hand sich anfühlte, als würde sie von einem Feuer verschlingt werden. »Aber du musst das nicht persönlich nehmen, wenn ich dir nichts von Jared und mir erzähle. Es liegt nicht an dir.«

Ich konnte seinen Sätzen gar nicht folgen, so sehr lenkte die Hitze mich ab, welche jetzt nicht nur meine Hand erfüllte, sondern langsam aber stetig meinen Arm verbrannte.

»Mir sagt er auch nichts«, warf seine Schwester ein.

Ich versuchte, Jack meine Hand zu entziehen, aber er hielt sie fest umschlossen.

»Ist schon okay«, sagte ich, während ich versuchte mir nicht anmerken zu lassen, wie nervös Jacks Berührung mich machte. »Jeder hat seine Geheimnisse.«

»Besonders du hast viele Geheimnisse«, behauptete Jack und schaute mich durchdringlich mit seinen orangenen Augen an. »In der Schule reden alle über dich. Aber wissen tut man kaum etwas über dich.«

Mit diesen Worten ließ er meine Hand los und stand auf. Und ließ mich allein mit seiner Schwester, einem eiskalten Gefühl in meinem Körper und tausend Gedanken.

Monday - Dämonen der VergangenheitWo Geschichten leben. Entdecke jetzt