Direkt vor mir standen ein Mädchen mit blutroten und ein Mann mittleren Alters mit gelben Augen. Das Mädchen hatte passend zu ihren Augen dunkelrote Haare, welche ihr in Wellen über die Schulter fielen. Beide guckten mich mit feindseliger Miene an.
»Lasst ihr mich bitte durch?«, fragte ich in der Hoffnung, sie wären nicht für mich da.
»Tut mir leid, Monday, aber so einfach lassen wir dich nicht entkommen«, entgegnete das rothaarige Mädchen schnippisch.
»Warum zum Teufel kennt ihr meinen Namen?« Ich hatte diese Dämonen noch nie gesehen. Was wollten sie von mir? Wollten sie mich aussaugen, so wie der Unsichtbare? Bei der Vorstellung sträubten sich meine Nackenhaare.
»Da du in der Unterzahl bist, steht es dir nicht an, uns Fragen zu stellen.« Sie schaute mich eindringlich an. »Hast du schon deine Augenfarbe freigeschaltet?«
»Warum sollte ich euch antworten?«, erwiderte ich.
Das Mädchen rollte genervt mit den Augen. »Weil wir dich, falls du keine Gefahr darstellen solltest, am Leben lassen werden. Du bist der erste Halb-Mensch, Halb-Dämon seit Jahren und wir wissen noch nicht, wie wir dich einschätzen sollen. Solltest du dich in irgendeiner Weise wehren, dann bist du schneller tot, als du tot sagen kannst. Kapiert?«
Eine Gefahr? Ich war nicht anders als sie, hatte noch nicht einmal meine eigene Begabung herausfinden können. Was sollte an mir bitte gefährlich sein? Ich wusste nicht, was sie von mir wollten und das machte mir Angst.
Konnte ich diesen seltsamen Dämonen entkommen? Panisch schaute ich mich um. Mittlerweile hatten sie einen engen Kreis um mich gebildet. Wenn ich es versuchte, dann kännte ich vielleicht hindurchkommen. Auf der anderen Seite gab es eine große Wahrscheinlichkeit, dass ich es nicht schaffen würde. Außerdem müsste ich bei einem Fluchtversuch die anderen Dämonen verletzen, sie eventuell sogar töten. Mein Messer und die Silberkette hatte ich mal wieder nicht dabei, denn vor meinem Ausflug zur Hölle hatte ich sie abgelegt. Konnte man überhaupt mit Silber, einem der einzig giftigen Materialien für Dämonen, in ihr Reich reisen?
Aussaugen war noch immer eine Lösung. Aber wollte ich das? Ich wusste noch nicht einmal, was sie von mir wollten. Ich konnte doch nicht wieder damit anfangen, Dämonen, die mir noch nichts getan hatten, zu ermorden.
Ich wandte meinen Blick wieder dem Mädchen zu und nickte. Vorerst würde ich mich nicht wehren.
Diese atmete hörbar genervt aus. »Na, dann frag ich noch einmal: Hast du deine Bestimmung schon gemacht?«
»Ja, habe ich her.« Was interessierte sie das überhaupt?
»Dann zeig mal.«
Ich konzentrierte mich darauf, meine Augenfarbe zu wandeln, doch es gelang mir nicht, dafür war ich viel zu nervös.
»Wird's noch?« Das rothaarige Mädchen schaute mich gleichgültig an, als wäre es ihr vollkommen egal, ob sie mich nun töten müsste oder nicht. Mit ihr war nicht zu spaßen, das merkte ich schon jetzt.
Ich schloss meine Augen und versuchte mir angestrengt meine Dämonenaugen vorzustellen. Meine Umgebung blendete ich dabei so gut es ging aus.
Blutrot, blutrot, blutrot, wiederholte ich wie ein Mantra. Warum gelang es mir denn ausgerechnet jetzt nicht?
Auf einmal machte irgendetwas in meinem Kopf klick, ich hatte es geschafft. Erleichtert öffnete ich meine Augen.
Die Rothaarige warf mir einen gereizten Blick zu. »Wurde ja auch mal Zeit«, sagte sie und inspizierte meine Augen. »Blutrot. Immerhin keine Stufe Null, von diesen übernatürlichen Dämonen gibt es schon genug.« Sie wandte sich an den Mann neben mir. »Führst du bitte den Test durch?«
Test? Was, bitteschön, meinte sie damit? Bei dem Wort geisterten mir gruselige Vorstellungen durch den Kopf. Wollten sie mir irgendetwas injizieren, um zu prüfen, wie ich darauf reagierte? Wie viel ich aushalten würde, bis ich starb? Mir wurde ganz mulmig.
Vorsichtig und ganz langsam, sodass es nicht auffiel, wich ich einen Schritt zurück. Während ich das Mädchen, welches hier offensichtlich das Sagen hatte, beobachtete, sah ich aus den Augenwinkeln, wie der Mann zwei Winterhandschuhe aus seiner Hosentasche holte und sie sich anzog. Bei diesem Wetter? Was plante er denn damit?
Er nahm sich seinen Rucksack vom Rücken und stellte ihn auf dem Boden ab, um darin zu wühlen. Nach einigen Sekunden holte er einen kleinen Beutel hinaus, welchen er vorsichtig öffnete. Achtsam fasste er mit seiner rechten Hand hinein und zog mit seinen Fingerspitzen etwas Silbernes hinaus.
Erleichtert atmete ich aus. Es handelte sich lediglich um einen kleinen harmlosen Löffel aus Silber.
Er war doch harmlos, oder nicht? Silber hatte mir bis jetzt noch nie etwas angetan, aber jetzt wo ich meine Bestimmung hinter mir hatte, wer konnte mir garantieren, dass es mich nicht verletzte? Ich hatte oft genug mit eigenen Augen sehen können, was für einen großen Schaden Silber bei Dämonen anrichten konnte, wie sehr es ihnen schmerzte. Seit ich meine neuen Dämonenaugen hatte, war ich noch gar nicht dazu gekommen, um zu prüfen, ob Silber mir etwas antun und mich womöglich sogar töten konnte. Es würde schmerzhaft werden, sehr schmerzhaft.
Während der Mann auf mich zuging, machte ich einen weiteren kleinen Schritt zurück.
Und was wäre, wenn der Silberlöffel keine Wirkung bei mir zeigte, wenn er mir gegenüber harmlos wäre? War es das, was das rothaarige Mädchen als Gefahr bezeichnete? Dass ich gegen Silber immun sein könnte?
»Also werdet ihr mich töten, wenn das Silber nicht bei mir wirkt?«, fragte ich sicherheitshalber.
»Hatte ich dir nicht gesagt, dass du nicht an der Reihe bist, fragen zu stellen?« lautete die Antwort.
Das nahm ich als ein deutliches Ja auf. Wenn dem nicht der Fall wäre, dann hätte sie mich doch beruhigt, oder nicht? Für sie wäre es viel einfacher, mich zu töten, wenn sie mich überraschte.
Mit einem mulmigen Gefühl schaute ich dem Mann entgegen.
»Gib mir bitte deinen Unterarm«, sagte er. Im Gegensatz zu der Rothaarigen hatte er immerhin noch Manieren und wusste, wie man das Zauberwort verwendete.
Was blieb mir noch für eine andere Wahl? Vielleicht würde der Löffel mir nicht wehtun und ich könnte dieser Situation friedlich entkommen.
Zögernd streckte ich dem Mann meinen Arm hin.
Er griff nach diesem, während er mit seiner anderen Hand den Löffel auf mich zubewegte.
Ich hielt verängstigt die Luft an. Gleich würde er mich berühren.
Drei, zwei, eins.
Es war totenstill, als der Löffel meinen Unterarm berührte. An der Stelle, wo der Löffel auf meiner Haut aufkam, war es kühl, aber ansonsten zeigte er keine Wirkung.
Einige Sekunden starrten alle wie gebannt auf den Löffel und meinen Arm, dann durchdrangen zwei schrille Wörter die Stille.
»Tötet sie!«
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Monday - Dämonen der Vergangenheit
ParanormalKann man jemanden verurteilen, nur weil er ein Dämon ist? Triff Monday, sechzehnjährige Dämonenjägerin. Seitdem ihr Vater von einem Dämonen getötet wurde, macht sie ihren Job nicht mehr aus Pflicht, sondern nur noch aus Hass. Alles was sie will, ist...