01 ~ New city, new family

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Unmotiviert fuhr ich mit meiner Hand die Regentropfen nach, welche das Autofenster herunterliefen. Außer dem Regen konnte man durch die Fenster nichts erkennen. Draußen lauerte die Dunkelheit. Nun waren wir – meine Mutter und ich – schon seit fünf Stunden unterwegs. Alles in mir sträubte sich dagegen, in eine neue Stadt zu ziehen, aber da ließ sich nichts machen.

Evelyn, meine Mutter, hatte auf Parship einen neuen Freund kennengelernt. Zwar hatte sie ihn vor einer Woche das erste Mal getroffen, aber dann mussten die beiden sich spontan dazu entscheiden, dass wir zu ihm ziehen würden. Er dachte, es wäre wegen ihm. Tja, der richtige Grund lag leider darin, dass meiner Mutter der Job gekündigt wurde und sie nicht länger die Miete zahlen konnte.

»Monday, wir sind da!«, rief meine Mutter. Ich hatte gar nicht gemerkt, dass wir stehen geblieben waren. Müde machte ich die Tür auf und stieg aus, in den strömenden Regen. So ein Pech, dass ich meine Regenjacke in den Koffer getan hatte. Der Regen war so stark, dass er einen nach wenigen Sekunden vollkommen durchnässte. Nass bis auf die Unterhose öffnete ich den Kofferraum und hievte meinen Koffer heraus. Dann zog ich ihn zum Haus.

Vor der Tür, unter einem Vordach, hielt meine Mutter mich am Arm zurück. »Benimm dich, ok?«, flüsterte sie. »Bitte.«

Ich nickte. Das sollte ihr als Antwort reichen. Sie schaute mich noch einmal kurz mahnend an, bevor sie klingelte.

Niemand öffnete. Wie lange sollten wir denn noch im Regen warten?

»Monday, welche Hausnummer ist das hier?«, fragte Evelyn. »Ich kann das durch den Regen nicht so gut erkennen.«

»Nummer 70.«

»Oh nein, Norbert wohnt doch Nummer 69. Wir sind auf der falschen Seite!« Sie rannte mit ihren zwei Koffern davon. Musste ich jetzt ernsthaft noch einmal durch den Regen laufen?

Plötzlich ging die Tür auf. Drinnen stand ein Junge, etwa in meinem Alter. Dunkelbraune Haare hingen ihm in seine saphirblauen Augen. Saphirblau, sie waren so schön und ungewöhnlich, dass ich gar nicht anders konnte, als sie anzustarren.

»Hey«, sagte er. »Alles okay?« Oh mein Gott, ich sah vermutlich scheiße aus. Wegen des Regens klebten meine Haare mir auf unvorteilhafteste Weise am Gesicht und mit meinen Klamotten war die Situation auch nicht viel besser. Warum musste ich mir auch ausgerechnet heute ein weißes T-Shirt anziehen?! So hatte dieser Junge einen perfekten Blick auf meinen schwarzen BH.

»Sorry, falsche Tür«, murmelte ich so selbstbewusst wie es ging. Normalerweise achtete ich doch auch nicht darauf, was andere Menschen von mir hielten. War mir doch scheißegal, was er jetzt von mir dachte! Wütend über mich selbst drehte ich mich um und ging zu dem Haus auf der anderen Straßenseite.

»Monday, komm schnell rein!«, rief meine Mutter von drinnen. Sie hatte sich ein Handtuch um ihre Schultern gewickelt.

Zögernd betrat ich das Haus. Das würde ihrem neuen Freund doch sicher nicht gefallen, wenn ich seinen kompletten Boden voll tropfte, oder? Solange ich das nicht wieder saubermachen musste, war das jedenfalls nicht mein Problem!

Viel Zeit zum Nachdenken blieb mir nicht, denn in diesem Moment kam ein Mann um die Ecke geflitzt und legte ein Handtuch vor mir auf den Boden.

»Bitte nicht unseren teuren Orientteppich nass machen!«, schrie er schon fast und zerrte mich auf das Handtuch. Das musste wohl Norbert sein. Na wow, toller neuer Vater. Wie konnte meine Mutter so schnell einen so billigen Ersatz für meinen Vater, den besten Dämonenjäger, den die Erde je gesehen hat, finden? Es war erst ein Jahr her, dass er von uns gegangen war. Mein Herz würde nie wieder ganz sein, denn mit seinem Tod war auch ein Teil von mir gestorben. Ich würde ihn rächen.

Monday - Dämonen der VergangenheitWo Geschichten leben. Entdecke jetzt