45 ~ Sinnlos

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Alle Versuche, meine Begabung herauszufinden, führten ins Leere, keiner davon bewirkte etwas. Langsam gab ich die Hoffnung auf. Was, wenn ich, weil ich nur zur Hälfte ein Dämon war, gar keine Begabung hatte?
Weder Jack noch Jared kannten einen Halbdämonen. Woher also konnten wir wissen, dass diese generell eine besaßen?
»Das ist doch sinnlos«, murmelte ich. »Wir wissen nicht einmal, ob ich überhaupt eine Begabung habe. Warum probieren wir dann überhaupt so lange herum?«
»Garantiert hast du eine«, widersprach Jared. »Du bist etwas besonderes.«
Ich spürte, wie mir die Hitze in die Wangen stieg. »Ich bin doch nichts besonderes«, meinte ich verlegen. »Und selbst wenn, nur weil man besonderes ist, heißt das noch lange nicht, dass man eine Fähigkeit besitzt.«
»Ich stimme Monday zu«, sagte Jack. »Wir haben schon so viel probiert und immer noch nichts damit erreicht.« Er wandte sich zum Gehen und öffnete die Zimmertür. »Ich jedenfalls werde jetzt kochen, denn meine Eltern kommen bald zurück.«
Eilig ging ich ihm hinterher. »Ich kann dir helfen!« Auf keinen Fall wollte ich wieder alleine mit Jared sein. Ich Angst davor, dass er mich wieder bedrängen würde und dazu kam, dass ich ihm versprochen hatte, über eine zweite Chance nachzudenken. Was, wenn er mich wieder darauf ansprechen würde? Ein Nein würde er wohl kaum akzeptieren.
»Eigentlich würde ich das auch alleine schaffen«, sagte Jack. Warum war er auf einmal so abweisend zu mir?

»Dann guck ich dir halt zu«, schlug ich vor. »Alleine kochen ist doch langweilig.«

»Na, davon kann ich dich wohl kaum abhalten.« Er hielt mir die Tür auf.

Ich lächelte ihn unsicher an, dann folgte ich ihm hinaus den den Flur. Er ging weiter, so schnell, dass ich ihm kaum folgen konnte.

»Was ist denn los?«, rief ich ihm hinterher.

Abrupt blieb er stehen und drehte sich zu mir um. »Ernsthaft? Das fragst du noch?« In seiner Stimme schwang Wut mit. So hatte ich ihn noch nie erlebt, wusste gar nicht, dass diese Seite in ihm existierte. Es kam so unerwartet, dass ich gar nicht wusste, was ich darauf antworten sollte, ganz davon abgesehen, dass ich keine Ahnung hatte, worauf er hinaus wollte.

Nach einigen Sekunden der Stille sprach er weiter. »Weißt du, Monday, du sagst, du gibst mir Anzeichen, dass du etwas von mir willst, dann versuchst du mich zu küssen und ich lehne ab und erkläre dir ganz deutlich, dass ich nichts von dir will, weil du Gefühle für Jared hast. Und dann... dann willst du mir die ganze Zeit sagen, dass du keine für ihn hast und tust so, als wäre ich der einzige Mann, der dich interessiert. Du verführst mich, küsst mich im Portal, dann, im nächsten Moment wirfst du dich wieder Jared an den Hals und gibst ihm eine weitere Chance, bloß weil er ja so lieb darum bettelt.«

»Du hast uns gehört?«, fragte ich kleinlaut. Von wegen, ich würde ihn verführen, eigentlich war er doch derjenige gewesen, der mich geküsst hatte.

»Nicht nur das, Monday. Ich sehe doch, wie du ihn anguckst und wie du die ganze Zeit mit ihm geflirtet hast, während wir versucht haben deine Begabung herauszufinden. Du versuchst dir mit uns beiden alle Möglichkeiten offen zu halten. Sag mir, macht dir das Spaß, meine Gefühle zu verletzen? Ich mag dich, sehr sogar. Du bist das einzige Mädchen, für das ich mich je in meinem Leben interessiert habe. Und dann willst du lieber so einen wie Jared, der etwas mit jeder hatte. Es ist wie ein Spiel für dich.«

Ich brauchte einen Moment, um die ganzen Informationen in mir aufzunehmen. Wann hatte ich denn den Eindruck gemacht, mit Jared zu flirten?

Jack verstand das ganz falsch. Ich wollte nicht Jared, ich wollte ihn.

»Es ist kein Spiel für mich«, sagte ich schließlich. »Ich habe Jared noch keine zweite Chance versprochen, sondern ihm nur gesagt, dass ich darüber nachdenken will. Er hat mich be–«

»Ach, und dann gibst du dem Menschen eine Chance, welcher schon ganz am Anfang versucht hat, mich von dir fern zu halten? Weißt du, er hat mir gesagt, du hättest keine Gefühle für mich, zu dir meinte er, ich würde dich verabscheuen. Er hat das ausgenutzt, um dir näher zu kommen, um dich zu küssen.«

Das war ausnahmsweise nichts Neues für mich. »Wenn er so schlimm ist, warum bist du dann mit so einem schrecklichen Menschen befreundet?«, fragte ich.

»Er war mein bester Freund, seit dem Kindergarten. Er konnte vor unseren Feinden mich beschützen, seien es andere Dämonen oder Dämonenjäger. Meine Eltern konnten das nicht immer, denn sie waren schwächer als er und außerdem nicht in der Lage, die ganze Zeit bei mir zu sein.« Er atmete verärgert aus. »Aber du versuchst nur, vom Thema abzulenken. Warum ich mit Jared befreundet bin ist nicht wichtig. Du bist diejenige, die auf ihn steht und etwas von ihm will, mehr als nur freundschaftlich. Weißt du, kochen kann ich auch alleine. Es wäre besser, wenn du jetzt gehst.« Er drehte sich schwungvoll um und lief die Treppen hinunter.

Fassungslos starrte ich ihm hinterher. Er hatte mich doch nicht... Nein, er hatte mich tatsächlich alleine hier stehen gelassen, nachdem er mir Sätze entgegen geworfen hatte, welche so gar nicht stimmten. Ich stand nicht auf Jared, ich wollte nichts von ihm. Und doch fasste Jack es so auf. Verstehen konnte ich es, dass er deswegen sauer auf mich war, aber dass er mir gar keine Gelegenheit gab, um mich zu verteidigen, ihm zu sagen, dass ich nur ihn wollte? Alleine die Tatsache, dass er von mir dachte, ich würde bloß mit ihm spielen, es machte mich wütend und traurig zugleich. Müsste er, wenn ich ihm wichtig war, mich nicht gut genug kennen, um zu wissen, dass ich so etwas niemals machen würde?

Mir kamen die Tränen. Es war vorbei, zwischen Jack und mir, was auch immer da zwischen uns war. Wie in Trance ging ich die Treppe hinunter, zog meine Schuhe an und ließ das Haus hinter mir.

Als ich um einige Ecken gegangen war, wunderte ich mich, warum es hier so voll war, normalerweise war hier doch weniger los, doch heute tummelten sich eine große Menschengruppe auf der Straße. Doch mit meinen Gedanken hing ich noch viel zu sehr bei Jack, um dem eine allzu große Beachtung zu schenken.

Erst viel zu spät, als zwei Menschen direkt vor mir den Gehweg blockierten, blickte ich in ihre Gesichter.

Ach du Sch...

Rote, orangene, gelbe Augen. Jeder einzige der über zwanzig Wesen war ein Dämon.

Und alle Augen waren auf mich gerichtet.

Monday - Dämonen der VergangenheitWo Geschichten leben. Entdecke jetzt