47 ~ Das Ende der Party

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Schnell griff ich nach dem Löffel in der Hand des Mannes vor mir und hielt diesen schützend vor mich. Zu meinem Entsetzen merkte ich, wie sich von hinten Hände um mich schlangen und versuchten, nach meinem Herzen zu greifen. Als ich mit dem Löffel auf die Hände schlug, ertönten Schmerzensschreie und die Hände zogen sich zurück.

»Noch einen Schritt weiter und ich erschlage euch mit dem Silberlöffel!«, drohte ich.

Die Rothaarige lachte nur. »Als ob du damit so viel ausrichten kannst«, sagte sie und schlenderte lässig auf mich zu.

»Seht ihr? Ich kann gar nicht so viel ausrichten. Ich bin keine Gefahr für euch. Lasst mich einfach gehen und wir vergessen das alles«, versuchte ich sie zu überzeugen, während ich mich panisch im Kreis drehte und weitere nach mir greifende Hände mit dem Löffel abwehrte.

»Du bist keine Gefahr für uns?«, äffte das Mädchen mich nach und kicherte. »Wie kommst du denn darauf? Ein Dämon, der immun gegen Silber ist und die Fähigkeiten eines normalen Dämons hat. Du hast mehr als wir alle. Die einzige Möglichkeit, um dich zu beseitigen, ist durch Aussaugen deiner Seele. Ansonsten kann dir kein Dämonenjäger etwas anhaben. Natürlich bist du eine Gefahr für uns.«

»Ich bin nicht anders als ihr«, sagte ich verzweifelt. »Ich habe gar keine andere Fähigkeit als meine Immunität gegenüber Silber.«

Das rothaarige Mädchen war nun auf Armlänge mit mir. »Und das sollen wir dir glauben?« Sie musterte mich mit schief gelegtem Kopf. Dann machte sie einen Satz auf mich zu, fasste nach meinem Handgelenk und verdrehte mit einem geschickten Hebel meinen Arm, so schnell, dass ich gar nicht reagieren konnte.

Autsch. Beinahe fiel mir der Löffel aus der Hand, doch ich schaffte es gerade noch so, ihn festzuhalten. Er war eine meiner wichtigsten Waffen, er war das, was mich von den anderen Dämonen unterschied. Ich durfte ihn nicht verlieren.

Die Rothaarige griff nach meinem Herzen. Ich versuchte mich zu wehren, mich aus ihrem Hebel zu winden, doch es half nichts. Sie war stärker als ich.

Schon merkte ich, wie es unangenehm an meinem Herzen zog. Es war schmerzvoll, als würde sie mein Inneres aussaugen, mir alle Energie nehmen. In einer blutroten Farbe verließ meine Seele mein Herz und wanderte ihren Arm hinauf. Aber das war noch nicht alles. Goldenes Feuer waberte in dem blutroten Strom herum. Es war meins, meine Seele! Sie gehörte mir. Dieser blöde Dämon hatte kein Anrecht darauf!

Mit voller Kraft trat ich ihr gegen das Bein. Kurz rang sie mit dem Gleichgewicht, dann stürzte sie und riss mich mit sich. Ihr Griff allerdings war gelockert, sie verlor die Kontrolle. So schnell wie ich konnte, befreite ich mich, beugte mich über sie und presste den silbernen Löffel gegen ihren Hals. Ein zischendes Geräusch ging von ihrer Haut aus, als würde ihre Haut verbrennen. Und das tat sie ja auch. Ein schwarzer, rußartiger Kreis bildete sich um die Stelle und Rauch stieg auf, dort wo ich sie berührte.

»Macht doch etwas«, röchelte die Rothaarige. »Saugt sie endlich aus!«

Einige Sekunden dauerte es, dann merkte ich, wie sich wieder die Hände von hinten an mich annäherten. Verzweifelt schlug ich um mich, streckte meine freie Hand nach den mich umringenden Dämonen aus, um ihre Herzen zu erfassen, aber sie wichen mir aus. Schon spürte ich, wie die rothaarige Dämonen meine Hand mit dem Löffel beiseite schlug. Ich war verloren. Gleich ging mein Leben zu Ende.

Zitternd und nicht wissend, was ich machen sollte, stolperte ich nach hinten, direkt hinein in die Dämonenmasse. Fremde Arme schlangen sich um mich, während die Rothaarige mit wutverzerrtem Gesicht auf mich zuging.

»Das wirst du bereuen«, fauchte sie und schnellte mit ihrer Hand vor.

Kurz bevor sie mich erreichen konnte, ging ein Ruck durch sie hindurch. Sie versteifte sich, ihr Kopf fiel in den Nacken. Urplötzlich ließen alle Hände von mir los. Mit Erstaunen konnte ich beobachten, wie ein gewaltiger blutroter und goldener Strom aus dem Herzen der Rothaarigen floss. Was zum Teufel war das?

Verwirrt schaute ich mich um. Die Rothaarige war nicht die Einzige, der es so erging. Aus allen Dämonen flossen die Seelen hinaus, waberten durch die Luft, bis sie sich schließlich zu meiner Linken zu einem großen Strom vereinten. Dort stand niemand anderes als Lina, welche mit vor Angst geweiteten Augen den gewaltigen Seelenstrom in sich aufnahm.

Es war wie ein Wunderwerk. Goldene Seelen waberten umhüllt von weißen, gelben, orangene, feuerroten und blutroten Flüssen durch die Gegend, bis sie schließlich bei Lina ankamen.

Ein grausiges Wunderwerk. All diese Dämonen, welche auf diese Weise ihr Leben auf der Erde verließen.

Die Dämonen waren wie gelähmt, unfähig etwas zu machen, unfähig, sich zu wehren.

Ich wandte meinen Blick zu der rothaarigen Dämonin vor mir. Der Schock und die Verständnislosigkeit standen ihr deutlich ins Gesicht geschrieben, ihre Lippen waren leicht geöffnet, als wollte sie sagen: Was passiert hier?

Schließlich, nach einer gefühlten Ewigkeit, ebbte der Seelenstrom ab, die Farben wurden immer weniger intensiv, bis sie schließlich gar nicht zu sehen war. Nacheinander zerfielen die Dämonen um mich herum zu Asche. Wie Staub wirbelte die Überreste der Dämonen umher, bis sie sich letztendlich auf dem Boden niederließen.

Ich war umgeben von einem Leichenfeld. Einem Leichenfeld aus Asche.

Mit Beinen aus Wackelpudding ging ich auf Lina zu, unsicher, wie ich reagieren sollte.

Das war also ihre Begabung. Andere Menschen und Dämonen aus einer Distanz gleichzeitig aussaugen zu können. Es war simpel, aber doch so grausam. Langsam konnte ich verstehen, warum sie sich wegen ihrer Fähigkeit geschämt, warum sie mir nie davon erzählt hatte.

Als ich Lina endlich erreicht hatte, ging ihr Blick ins Leere, als versuchte sie, alles um sich herum auszublenden. Behutsam fasste ich ihr an die Schulter und musste feststellen, dass sie am ganzen Körper zitterte.

War sie okay? Nachdem sie solch eine große Menge an Seelen verzerrt hatte?

Mit glasigen Augen schaute sie mich an. »Z... zu viele... S... Seelen«, stammelte sie, dann schwankte sie und fiel bewusstlos in meine Arme.

Monday - Dämonen der VergangenheitWo Geschichten leben. Entdecke jetzt