»Das sieht aber ziemlich krakelig aus«, sagte Frau Ramm und blickte abschätzig auf mein Bild hinunter. »Ich würde meinen, selbst Sie, Sunday, würden das besser hinbekommen, wenn Sie sich wenigstens einmal in ihrem Leben Mühe geben würden.«
Ich starrte auf unser Model, das im heutigen Kunstunterricht aus niemand geringerem als aus meiner Erzfeindin Kim bestand. Lässig saß sie auf dem Tisch und betonte ihren Busen, indem sie ihn weiter als gewöhnlich herausschob. Das deswegen entstehende Hohlkreuz sah nicht gesund aus. Aber das konnte mir egal sein. Sollte sie doch verreck–. Ich unterbrach meinen Gedanken schnell. Nein. So etwas sollte ich nicht einmal über jemanden wie sie denken. Schließlich war sie kein blutrünstiger Dämon, der mich töten wollte. Und doch konnte ich sie überhaupt nicht ab.
»Das Bild spiegelt lediglich die Realität wieder«, sagte ich, als Frau Ramm sich schon dem nächsten Schüler zugewendet hatte. »Was kann ich dafür, wenn das Model so komisch aussieht?« Ich wusste, dass meine Aussage gemein war. Aber Kim war ebenso gemein. Sie hatte mir den Einstieg an dieser Schule mit ihren Gerüchten sehr schwer gemacht und sie war mit Jared zusammen. Dafür verdiente sie es.
Frau Ramm drehte sich blitzschnell zu mir um. Eine Zornesfalte bildete sich zwischen ihren Augenbrauen. »Entschuldigen Sie!«, schrie sie mich an. »So können Sie doch nicht mit ihrer netten Mitschülerin reden. Los, entschuldigen Sie sich sofort bei der lieben Miss Kim, ansonsten muss ich Sie beim Direktor melden.« Während sie sprach, landete ein Fetzen ihrer Spucke auf meinem Gesicht. Angewidert wischte ich es mit meinem Ärmel fort.
Langsam hatte ich genug von dieser Frau. Das ganze Schuljahr über hatte sie sich schon über meine Arbeit lustig gemacht. Seitdem ich den ersten Schritt in ihr Klassenzimmer getan hatte, hatte sie mich vor all den anderen Schülern zur Schnecke gemacht und dabei behandelte sie nie die anderen auf solch eine erniedrigende Weise.
Und nun wollte sie auch noch allen Ernstes, dass ich mich bei dieser Tussi Kim entschuldigte? Vor meinem Inneren sah ich, wie sie ihre Zunge in Jareds Hals steckte und mich über seinen Kopf hinweg siegessicher angrinste.
Mir reichts, dachte ich und innerlich zerrissen all meine Schranken. Nun ja, nicht alle. Für meine Verhältnisse hielt ich mich noch zurück. Aber irgendjemand musste dieser Frau, und auch Kim, zeigen, wo ihre Grenzen waren.
»Hören Sie mal gut zu, Frau Ramm. Passen sie auf, dass ich Sie nicht bei dem Direktor melde, dafür, dass Sie hier eine ihrer Schülerinnen benachteiligen. Und ich wette, ich bin nicht die einzige. In den anderen Klassen gibt es sicherlich auch welche.«
»Ich habe hier nieman–«
Ich unterbrach sie mit einer raschen Handbewegung. »Ach, nun machen sie mir keinen Scheiß vor. Sie haben mich verabscheut, seit Sie mich zum ersten Mal gesehen haben. Und dann sagen Sie, meine Werke sind hässlich und ich gebe mir keine Mühe? Ich gebe mir verdammt viel Mühe! Und das wüssten Sie vielleicht, wenn Sie nicht so darauf versessen wären, mich zu hassen.« Ich atmete zornig aus. »Und dass sie dann auch noch Kim in Schutz nehmen. Kim, die sicherlich schon über die Hälfte der Schüler fiese Gerüchte verbreitet hat. Das ist nun wirklich das Allerletzte!«
Ich hob mein Kunstwerk vom Tisch auf und zerknüllte es, dann warf ich es meiner Kunstlehrerin vor die Füße.
Ohne ein weiteres Wort zu sagen, verließ ich das Klassenzimmer. Erst, als die Tür hinter mir ins Schloss gefallen war und ich mich tief ein- und ausatmend gegen die Wand lehnte, bereute ich meinen Gefühlsausbruch. Dies würde mich ganz sicher ein Gespräch beim Direktor kosten.
In der nächsten Stunde hatte ich Deutsch mit Lina. Obwohl Jared mir versichert hatte, dass ich ihm nichts schenken müsste, wollte ich nicht ganz ohne etwas auftauchen. Seit ich aus dem Kunstunterricht gestürmt war, dachte ich schon darüber nach, was ich ihm noch besorgen könnte. Doch mir viel einfach nichts ein.
»Was schenkst du Jared zum Geburtstag?«, fragte ich Lina, als wir gerade eine freie Arbeitsphase im Deutschunterricht hatten.
»Socken.« Sie setzte ein leichtes Grinsen auf. »Davon kann man nie genug haben.«
»Wenn du ihm schon Socken schenkst, wäre es zu viel, wenn ich ihm auch welche schenke. Ich muss mir etwas anderes überlegen«, meinte ich.
»Ach, nun mach dir nicht allzu große Gedanken darum. Er meinte doch, er braucht nichts von dir zu bekommen. Außerdem ist er nun wirklich nicht derjenige, in den du deine Mühe stecken musst, sondern mein Bruder.«
»Ja, ich weiß«, murmelte ich, doch ich war mir da nicht so sicher. Jack hatte mich abgewiesen. Zwar hatte er allem Anschein nach von mir geträumt, doch er hatte mich abgewiesen. Jared hingegen wollte eine zweite Chance von mir, ob freundschaftlich oder mehr.
Eine zweite Chance! Bis jetzt hatte ich immer nur gesagt, dass ich darüber nachdenken würde, aber für seinen Geburtstag könnte ich ihm sie vielleicht geben.
Ob das genug war? Eher nicht. Aber immerhin war es mehr, als er verdiente.
»Was ziehst du zu der Poolparty an?«, fragte ich meine beste Freundin weiter aus. Ich war noch nie in meinem Leben bei einer Poolparty gewesen. Und damit meine ich nicht, dass ich nicht hätte gehen wollen, bloß war das Wetter in meiner Heimat größtenteils so schlecht, dass an eine sonnige Poolparty kaum zu denken war.
»Na, meinen sexiesten Bikini natürlich, es könnte ja sein, dass ich dort meinen Zukünftigen treffe. Und darüber vielleicht ein Kleid, mal sehen.«
»Ich habe gar keinen Bikini mehr«, gab ich zu. »Mama hat meinen weggegeben, bevor wir umgezogen sind. Kann man so einen hitzebeständigen Bikini wie Jared ihn mir ausleihen will auch zu einer normalen Poolparty tragen?«
Lina lachte, doch hielt sich rasch die Hand vor den Mund, als unser Lehrer streng zu uns hinüberschaute. »Nein, das geht nicht«, flüsterte sie, immer noch kichernd. »Ich meine, von der Form würde das vielleicht gehen, da gibt es natürlich unterschiedliche, aber vom sonstigen Aussehen wäre das viel zu auffällig.«
Ich seufzte. »Schade, dann bleib ich halt am Rand sitzen, wenn ihr schwimmt.«
»Quatsch!«, widersprach Lina. »Du kannst einen Bikini von mir ausleihen. Weißt du was? Wir haben ja heute früh Schluss, also können wir uns nach der Schule treffen und uns zusammen für die Party vorbereiten. Und vielleicht überlegen wir dann auch, was du Jared noch schenken kannst. Klingt das nach einer guten Idee?«
Ich nickte.
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Monday - Dämonen der Vergangenheit
ParanormaleKann man jemanden verurteilen, nur weil er ein Dämon ist? Triff Monday, sechzehnjährige Dämonenjägerin. Seitdem ihr Vater von einem Dämonen getötet wurde, macht sie ihren Job nicht mehr aus Pflicht, sondern nur noch aus Hass. Alles was sie will, ist...