30 ~ Dämonen sind echt

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Kurz bevor meine Lippen seine berührten sprach er.

»Monday, stopp«, sagte er. Was war los? Hatte ich etwas falsch gemacht? Empfand er gar nicht dasselbe für mich? Hitze kroch an mir empor und ich merkte wie mein Gesicht rot wurde. Langsam ließ ich von ihm ab und zog mich zurück. Es gab doch nichts peinlicheres, als wenn dein Gegenüber deinen Kuss nicht erwidern wollte.

»Tut mir leid, ich kann das nicht«, sagte Jack und rappelte sich auf.

»Warum?« Meine Stimme kam nur als leises Flüstern heraus.

»Glaub mir, ich würde das nur allzu gerne machen. Aber ich kann nicht, weil ich weiß, dass du Gefühle für einen anderen hast.« Jared. Wen sonst konnte er meinen? Er hatte uns beim Küssen gesehen. Wie unangenehm musste es für ihn sein, wenn ich versuchte ihn zu küssen, nachdem ich seinen besten Freund geküsst hatte. In diesem Moment wünschte ich mir nichts sehnlicher, als dass zwischen Jared und mir nie etwas vorgefallen wäre.

Ich war enttäuscht von mir selbst. Jack würde nichts mehr mit mir anfangen wollen. »Verstehe«, sagte ich und konnte nur mit Mühe die Tränen zurückhalten. Dämonenjager weinen nicht, sagte ich mir. Monday weint nicht. Doch ich merkte, dass ich es nicht länger aushalten konnte. Auf keinen Fall wollte ich, dass Jack mich so sah. Zügig drehte ich mich um und verließ den Raum, ohne mich noch einmal nach Jack umzudrehen.


Zuhause angekommen zog ich mich in mein Kellerzimmer zurück, legte mich auf die Matratze und verkroch mich unter der Bettdecke. Ich fühlte mich noch nicht bereit mit irgendeinem Menschen, geschweige denn mit Adam, zu reden.

Warum war Jack so menschlich? Jared hatte es nie gestört, dass ich etwas für Jack empfand. Hatte Jack das nur gesagt, weil er eigentlich gar kein Interesse an mir hatte und mir bloß nett einen Korb geben wollte? Schließlich war er fast immer nett zu mir gewesen. Dämonen konnten damit doch gar kein Problem haben... Ein großer Teil von mir hoffte, dass Dämonen Gefühle haben konnten und Jack es ernst gemeint hatte.

Wieder kamen mir die Tränen. Ich hatte mich in Jack verliebt. Etwas, das ich mir bis vor ein paar Wochen nie hätte ausmalen können. Aber Jack wollte mich angeblich nicht, weil ich etwas für Jared empfand. Jared, den ich damals nur geküsst hatte, weil er behauptet hatte, dass ich Jack komplett egal war.


Ein paar Stunden später rief Norbert die ganze Familie zum Abendessen. Ich zog mir schnell meine Silberkette an.

Missmutig, aber immerhin äußerlich wieder einigermaßen erholt, ging ich hoch in die Küche und setzte mich. Es gab Nudeln mit Tomatensauce, ein Gericht, welches nicht mit der Pizza von Linas und Jacks Eltern mithalten konnte. Überhaupt fand ich es total niedlich, dass die beiden zusammen backten. Als wären sie noch frisch verliebt. Als wären sie Menschen.

»Monday«, riss Norbert mich aus meinen Gedanken. »Adam hat mir erzählt, dass du heute nach der Schule mit einem fremden Jungen mit komischen Kontaktlinsen ein Date hattest. Und dass dieser Junge sich auf eurer Schule rumtreibt, obwohl er dort nicht zur Schule geht. Das finde ich schon ein wenig merkwürdig. Du solltest vorsichtiger bei fremden Menschen sein.«

Ähm, warum hatte Adam ihm bitte davon erzählt?

»Erstens geht der Junge auf meine Schule«, erwiderte ich. »Und zweitens sollte es dich nicht sorgen, wenn ich ihn treffe, selbst wenn er fremd wäre. Adam war total fremd, als du uns dazu gezwungen hast in einem Zimmer zu schlafen.«

Norbert tat so, als hätte er mich nicht gehört. »Ich will nicht, dass du diesen Jungen noch einmal wiedersiehst.« Ja, ist klar, ich sah ihn ja auch nur jeden Tag in der Schule. Vor allem, wie sollte Norbert kontrollieren, ob ich ihn traf? Ich hatte den leisen Verdacht, dass er mir immer noch böse war, weil ich vor ein paar Tagen die Schule geschwänzt hatte und nicht auf ihn gehört hatte.

»Nein, natürlich werde ich ihn nie wiedersehen«, murmelte ich ironisch.

»Genau das wollte ich hören«, nuschelte er mit vollem Mund und lächelte. Das war eindeutig kein schöner Anblick.


Als alle aufgegessen hatten folgte ich Adam in sein Zimmer.

»Wir müssen reden«, sagte ich und setzte mich auf sein Bett.

»Tut mir leid, dass ich Papa von deinem Typen erzählt habe. Ich habe mir bloß Sorgen gemacht. Woher hätte ich wissen sollen, dass er so überreagiert?«, sagte Adam aufgebracht.

»Das war nicht, worüber ich mit dir reden wollte. Norbert kann mir sowieso nichts verbieten«, beschwichtigte ich ihn. »Ich wollte dich bloß fragen, ob du schon öfter Menschen mit seltsamen Augenfarben gesehen hast.«

Adam schaute mich etwas verwirrt an.

»Menschen mit Kontaktlinsen, so wie Jack«, korrigierte ich mich. »In weiß, gelb, orange oder rot.«

»Ja, ab und zu«, erwiderte Adam. »Ich weiß nicht, was die daran so schön finden. Das sieht immer so gruselig aus.«

Adam konnte Dämonen sehen. Warum hatte ich ihm diese Frage nicht schon viel früher gestellt? Es war schließlich nicht das erste Mal gewesen, dass er Dämonenaugen mir gegenüber erwähnt hatte.

Ich nahm meine Silberkette ab.

»Öffne mal bitte deine Hand«, sagte ich zu Adam und legte die Kette hinein. Nichts geschah. Für mich war das Beweis genug, dass er kein Dämon war. Er war ein Dämonenjäger, der nichts davon wusste und nie trainiert wurde. Sollte ich es ihm erzählen? Ich wollte keine Dämonen mehr jagen, hatte Angst, dass ich wieder unschuldige töten würde. Aber was wäre, wenn es mal wieder ein Dämon gezielt auf mich absehen würde? So wie der unsichtbare. Dann wäre es verdammt nützlich einen anderen Dämonenjäger im Haus zu haben. Seitdem ich hier wohnte hatte ich keine anderen Jäger kennengelernt. Ich wollte nicht mehr die einzige sein. Ich brauchte Menschen, nicht Dämonen, mit denen ich über alles reden konnte.

»Die Kontaktlinsen, die du gesehen hast, waren ihre echten Augen«, erklärte ich Adam. »Menschen mit solch roten oder gelblichen Augenfarben sind eigentlich gar keine Menschen, sondern Dämonen, welche uns mit ihrer bloßen Hand töten können. Und du kannst ihre echten Augenfarben sehen, weil du ein Dämonenjäger bist. So wie ich.«

Wieder guckte Adam mich verwirrt an, er glaubte mir nicht.

»Erinnerst du dich an die Frau mit den blutroten Augen?«, fragte ich.

Er nickte zögerlich.

»Sie hat versucht unsere Seelen auszusaugen indem sie ihre Hände auf unsere Herzen gelegt hat«, fuhr ich fort. »Weißt du das noch?«

Adam schien zu überlegen. »Ich dachte, ich hätte das geträumt«, flüsterte er kaum hörbar.

»Nein, Dämonen sind echt«, erwiderte ich.

Monday - Dämonen der VergangenheitWo Geschichten leben. Entdecke jetzt