37 ~ Walking on fire

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Direkt hinter Lina trat ich aus dem Raum hinaus in die weite Dämonenwelt. Ich blieb erschrocken stehen, als ich vor mir einen brodelnden Fluss aus Lava entdeckte. Er war mindestens anderthalb Meter breit und trennte die Straße von den Häusern. Feuerzungen schossen aus ihm hervor und Rauch stieg von ihm auf, welcher mich von außen heraus erwärmte. Der Rauch fühlte sich angenehm auf meiner Haut an. Trotzdem war ich nicht gerade erpicht darauf, die gerade mal zwanzig Zentimeter breite Brücke, welche der einzige Weg war, um den Lavafluss zu überwinden, zu beschreiten und dabei womöglich in den Feuerfluss zu fallen.

»Mach doch mal ein wenig schneller«, hörte ich Jareds genervt klingende Stimme hinter mir.

Lina schaute von der anderen Seite des Flusses zu uns hinüber. »Beruhig dich Jared, es ist ihr erstes Mal«, sagte sie. »Lass dir Zeit, Monday. Du schaffst das!«

Ich war nicht überzeugt, dass ich es schaffen würde, allerdings wollte ich vor den anderen nicht wie ein Weichei wirken. Deswegen setzte ich ganz vorsichtig einen Fuß auf die Brücke. Und dann noch einen.

Doch mein Gleichgewichtssinn war nicht gut genug, ich schwankte nach rechts. So schnell wie ich konnte machte ich einen weiteren Schritt und versuchte mein Gleichgewicht wieder in die Mitte zu verlagern, doch es gelang mir nicht. Verzweifelt ruderte ich mit den Armen. Wenn ich schneller rennen konnte, als ich mein Gleichgewicht verlieren würde, so könnte ich die Brücke noch überwinden. Ich sprintete über die Brücke und fiel wortwörtlich in Linas Arme hinein.
»Ich habs geschafft«, keuchte ich erleichtert.

»Wurde ja auch mal Zeit«, grummelte Jared von direkt hinter mir.

Erschrocken löste ich mich von Lina und drehte ich mich zu ihm um. »Wie zum Teufel warst du so schnell?«, fragte ich.

»Ich war die ganze Zeit hinter dir«, erwiderte er. »Wärst du gefallen, hätte ich dich aufgefangen.«

»Ich wäre nicht gefallen«, behauptete ich, ohne mir dabei wirklich sicher zu sein. Fast hätte ich es nicht geschafft. Aber als Halb-Dämon, Halb-Dämonenjäger wollte ich vor niemandem, aber vor allem nicht vor dem arroganten Jared, meine Schwächen zeigen.

»Warum sind die Häuser durch Lavaflüsse zu beiden Seiten getrennt?« fragte ich. »Das ist doch gefährlich.«

»Das sind keine Flüsse«, erklärte Jack, der uns nun auch erreicht hatte. »Die Hölle besteht aus Lava. Die komplette Stadt schwimmt darauf und wird durch Straßen und Verbindungen, sogenannte Brücken zwischen den Häusern zusammengehalten, so wie die Brücke, welche wir eben beschritten haben. Die Lücken zwischen den Häusern und Straßen müssen bestehen, damit das Feuer atmen kann.«

Ein »Wow« entfuhr mir. Ich war schon jetzt beeindruckt von der Hölle. Wie konnte es möglich sein, dass die Straßen und Häuser nicht von der Lava zerstört wurden?

»Komm, lass uns zum Raum der Bestimmung gehen«, sagte Lina. »Der ist nicht weit von hier.«

Als wir durch die Dämonenstadt gingen, war ich noch immer beeindruckt von der Lava unter uns. Teilweise konnte man sogar große Flächen voller Lava sehen. Lava, die ständig in Bewegung war und welche der ganzen Hölle eine angenehme, heiße Atmosphäre bescherte. Ich hätte vorher nie gedacht, dass ich mich hier sofort so wohl, so zugehörig fühlen würde. Mein ganzes Leben auf der Erde wirkte auf einmal sehr dunkel auf mich, düster, langweilig und irgendwie unbedeutend.

Mein Vater, Aleksej, ihr Tod wirkte nur noch wie ein kleiner Teil einer unbedeutenden Welt, welche sich wiederum in einem sehr großen Universum befand. Es machte mir Angst, dass ich plötzlich solche Gedanken hegte, aber ich konnte es nicht ändern, egal wie sehr ich es versuchte. Daddy und Aleksej waren mir immer noch wichtig, aber in diesem Universum bedeuteten sie nichts. Die Hölle ließ mich ganz anders über Leben und Tod denken.

Auf unserem Weg kamen uns andere Dämonen entgegen, aber nicht nur Dämonen. Auch sehr blasse Gestalten, welche uns bedrohlich ihre spitzen Reißzähnen zeigten, erregten meine Aufmerksamkeit. Das waren doch nicht etwa... Konnte das sein?

»Sind das Vampire?«, fragte ich in die Runde.

»Ja, Vampire haben auch Zugang zu der Hölle«, erwiderte Lina. »Allerdings kommen ihre Überreste nicht in die Hölle, wenn sie gestorben sind. Schließlich sind sie ja sowieso schon untot. Wir hingegen sind, auch wenn wir unsere Körper verlieren können, unsterblich, denn selbst wenn wir auf der Erde sterben, kommen wir in die Hölle. Ich glaube, deswegen mögen uns viele der Vampire nicht.«

»Ich wusste gar nicht, dass Vampire existieren«, sagte ich erstaunt.

»Es gibt so einiges, von dem du nichts weißt«, warf Jared ein.

»Na, vielen Dank auch«, scherzte ich. »Bezeichnest du mich gerade als dumm?«

»Wie kommst du denn darauf?« Jared schlug sich die Hand auf die Stirn.

Plötzlich sah ich aus meinem Augenwinkel einige schwarze Schatten beisammen stehen. Die Schatten standen aufrecht und hatten die Umrisse von Menschen, allerdings bestanden sie bloß aus Schatten.

Wie angewurzelt blieb ich stehen. »Was ist das?«, fragte ich erschrocken.

»Oh, das sind die verbannten Dämonen«, erklärte Jack, als wäre es nichts besonderes. »Die Dämonen, welche in der Menschenwelt gestorben sind und somit keinen Körper mehr haben. Sie müssen auf ewig hier in der Hölle bleiben.«

»Wie schrecklich.« Die Schatten kamen mir noch immer gruselig vor. Sie hatten etwas, das mir Angst machte, eine negative Ausstrahlung. Ich wollte mir nicht vorstellen, dass ich nach meinem Tod auch mal einer von ihnen werden würde.

»So schlimm ist das gar nicht«, behauptete Lina. »Es ist schön hier. Angenehm. Und es gibt hier genug interessante Aufgaben, die man auch noch als Verbannter übernehmen kann. Es ist eine richtige eigene Welt, bloß ohne Menschen.«

»Wenn du meinst...« Überzeugt war ich noch immer nicht. Es war nicht so, als hätte ich Angst davor für immer in der Hölle zu leben. Ich fürchtete mich eher davor, körperlos zu sein. Was musste das für ein Gefühl sein? Was konnte man dann überhaupt noch machen?

»Wir sind da«, sagte Lina. »In dem Haus ist das Zimmer der Bestimmung« Sie deutete auf ein alt aussehendes Gebäude, aus dessen Dach Flammen in den Himmel aufstiegen. Wie konnte das möglich sein, ohne dass das Gebäude abbrannte? Wie konnte so eine Welt wie die Hölle möglich sein? Es war unglaublich.

Jack schritt über die Brücke, ich ging direkt hinter ihm, ohne lange darüber nachzudenken. Ich wollte nicht wieder meiner Angst die Oberhand geben. Trotz allem zitterte ich, als ich die Brücke hinter mir gelassen hatte und stolperte durch die Haustür direkt in Jack hinein.

»Oh, sorry«, sagte ich. Der Raum, in dem wir uns befanden, wurde wie der vorherige Raum von einem Höllenfeuer in der Mitte des Raumes erleuchtet.

Jack fasste mich an meinen Oberarmen. »Alles okay?«, fragte er. »Du musst dich nicht vor der Lava fürchten. Die Lava ist unser Element. Wenn du willst können wir mal zusammen in der Lava schwimmen gehen. Glaub mir, danach hast die niemals wieder Angst davor haben zu fallen.«

»Man kann darin schwimmen?«, fragte ich. »Warum sagt ihr mir erst jetzt, dass die Lava ungefährlich ist?«

»Oh Monday, ich war davon ausgegangen, dass du das weißt. Wir sind hier in der Hölle, der Welt der Dämonen. Sobald du deine Bestimmung hinter dir hast, kannst du hier nicht mehr sterben.«

»Hab ich doch gesagt, dass sie wenig weiß«, sagte Jared vom anderen Ende der Brücke.

Monday - Dämonen der VergangenheitWo Geschichten leben. Entdecke jetzt