31 ~ Niveau

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Es dauerte gefühlt eine Ewigkeit, bis ich Adam alles über Dämonen und ihre Jäger erzählt hatte.

»Wirst du mich trainieren?«, fragte Adam aufgeregt.

»Natürlich. Nichts lieber als das. Du wärst mein erster Schüler.«

Adams Mine schien sich zu verfinstern. »Aber wann soll ich dann meine Hausaufgaben für die Schule machen und lernen? Ich müsste ja mein ganzes Leben hinschmeißen!«

Sein ganzes Leben? Ach herrje, ich bezweifelte, dass man das als Leben bezeichnen konnte. Lernen war doch nur reine Zeitverschwendung.

»Das werden doch nur höchstens ein paar Stunden pro Tag sein«, versuchte ich ihn zu beschwichtigen. »Danach hast du noch genug Zeit für deinen Schulkrams.«

»Ein paar Stunden pro Tag!«, rief Adam entrüstet aus. »Ich dachte an höchstens eine Stunde pro Woche, besser noch pro Monat. Ich bin sehr aufnahmefähig und kann wirklich schnell lernen.«

»In der Theorie vielleicht. Aber das trifft ganz bestimmt nicht aufs Trainieren zu. Im Sportunterricht machst du doch auch nie mit.« Ich machte Anstalten, das Zimmer zu verlassen. So etwas musste ich mir doch nicht bieten.

»Warte, Monday! Ich würde wirklich gern von dir zum Dämonenjäger trainiert werden. Ich habe schon immer gespürt, dass ich zu etwas höherem bestimmt war. Auch, wenn ich dann zu einem Einser-Schüler degradiert werde. Ohne besondere zusätzliche Leistungen.«

Ach, herrje. Wer beschwert sich bitte darüber nur ein Einser-Schüler zu sein?

»Super! Wir beginnen morgen mit dem Training. Gute Nacht, Adam.« Ich ging zur Tür und legte meine Hand auf die Türklinke.

»Monday!«, rief Adam mir hinterher.

»Was denn jetzt?«

»Du weißt, dass du jederzeit in meinem Zimmer willkommen bist, oder? Ich hätte nichts dagegen, wenn du wieder bei mir schläfst.«

»Ja, schön, danke«, erwiderte ich und und drückte die Türklinke herunter. Im Hintergrund hörte ich, wie Adam einige polternde Schritte auf mich zumachte. Er fasste mich am Oberarm und drehte mich zu sich herum.

Mit großen Augen schaute er mich an. »Du kannst mich doch jetzt nicht alleine lassen!«, jammerte er. »Nicht nachdem du mir erzählt hast, dass Dämonen echt sind. Was, wenn sie mich im Schlaf fressen?«

»Dämonen fressen keine Menschen, sie saugen uns bloß unsere Seelen aus«, korrigierte ich ihn.

»Monday, das macht es nicht besser!« Adam stieß einen Schluchzer aus. Für so ängstlich hatte ich ihn nicht gehalten. Vielleicht war es ein Fehler gewesen ihm von Dämonen zu erzählen. »Bitte lass mich jetzt nicht allein.«

»Nagut, heute schlaf ich bei dir. Aber morgen schaffst du das allein«, gab ich nach. Ich entzog ihm meinen Arm. »Und jetzt lass mich los, damit ich meine Zähne putzen kann!«


Vorsichtig machte ich einen Schritt vor den anderen. Ich hatte Angst hinzufallen. Nur noch wenige Schritte und ich wäre in Sicherheit, in den Armen von Mama.

Plötzlich stieß mich etwas um und ich fiel der Länge nach hin. Ich war so erschrocken, dass ich augenblicklich anfing zu weinen.

»Hände weg von meiner Tochter«, hörte ich die Stimme von Mama. Da mir niemand dabei half aufzustehen, drehte ich mich um und setzte mich auf meinen Po.

Neben mir konnte ich sehen, wie Mama einen fremden Mann gegen die Wand presste. Einen Mann mit orangefarbenen Augen.

»Wie kann sie deine Tochter sein?«, röchelte der Mann. »Sie ist anders als du.«


Ein leichter Stoß gegen die Stirn weckte mich. Verwirrt öffnete ich meine Augen und blickte auf einen Ellenbogen. Adams Ellenbogen. Es dauerte einen Moment, bis ich realisierte, wie ich in seinem Bett gelandet war.

Ich wischte mir übers feuchte Gesicht. Wer war die Frau aus meinem Traum? Immer wenn ich sie sah, dachte ich an Mama. Als könnte ich nichts anderes denken. Mama, sie war meine Mama. Aber Evelyn war doch meine Mutter?

Neben mir erwachte Adam. Verschlafen setzte er sich auf. »Hat der Wecker schon geklingelt?«, fragte er.

»Nein.«

»Sind das da Tränen in deinem Gesicht? Hast du geweint?« Warum zum Teufel musste Adam so viele Fragen stellen? Mir war es nicht gerade angenehm, wenn er mir ansehen konnte, dass ich geweint hatte.

»Ich hatte bloß einen seltsamen Traum«, erwiderte ich und hoffte, er würde meine Tränen vergessen. »Dort hatte ich eine andere Mama. Findest du es nicht auch merkwürdig, dass Evelyn meine Mutter sein soll?«

»Ja. Bei eurem Verhältnis hatte ich immer das Gefühl du wärst adoptiert.« Das würde so einiges erklären.


»Hallo Monday, hallo Adam!«, rief Lina zur Begrüßung in der Pausenhalle und schenkte uns ihr strahlendstes Lächeln. Auch wenn ich es nicht wollte, musste ich bei ihrem Anblick direkt an Jack denken. Ich fragte mich, ob auch er solche schönen grauen Augen wie Lina hätte, wenn ich seine Dämonenaugen nicht sehen würde. Was war wohl seine menschliche Augenfarbe?

Ich umarmte Lina und setzte mich mit ihr und Adam auf eine Bank.

»Ich habe dich gestern gar nicht mehr gesehen. Wie war es noch mit meinem Bruder?«, fragte sie.

»Nicht so toll. Er nimmt es mir übel, dass ich etwas mit Jared hatte.«

»Ich hab doch gesagt, dass du nie etwas mit ihm anfangen sollst!«, rief Lina.

»Das habe ich ihr auch gesagt«, warf Adam ein.

»Wirklich?«, fragte Lina. »Wow, wir sind uns so ähnlich!« Flirtete sie gerade mit meinem Stiefbruder?

»Ich finde nicht«, erwiderte Adam kühl. »Du entsprichst überhaupt nicht meinem Niveau. Ich bezweifel mal ganz stark, dass du einen Einser-Schnitt hast.« Wenn ich ihn so reden hörte, wunderte es mich nicht, dass er keine Freunde hatte. Arme Lina.

»Pass mal auf, was du sagst«, wies ich ihn zurecht. Bloß weil sich herausstellte, dass er ein Dämonenjäger ist, konnte er nicht meine Freunde beleidigen. »Lina ist ein wunderbarer Mensch.« Naja. Mensch, mehr oder weniger. Wunderbar, auf jeden Fall. »Wenn hier jemand nicht auf ihr Niveau kommt, dann bist das du.«

Beleidigt stand Adam auf. »Wir sehen uns nach der Schule«, sagte er und entfernte sich einige Meter von uns. Aber, anstatt sich wie erwartet einsam in eine Ecke zu begeben, gesellte er sich zu einer anderen einsamen Person. Veronica. Seitdem Kim mit Jared zusammen war, entdeckte ich sie immer öfter alleine auf dem Schulhof.

»Warum ist er so gemein zu mir?«, murmelte Lina.

Monday - Dämonen der VergangenheitWo Geschichten leben. Entdecke jetzt