58 ~ Vorbereitungen

610 46 5
                                    

»Darin sieht man ja meinen ganzen Po!«, beschwerte ich mich lautstark, als Lina mir ein türkisfarbenes Ding vor die Nase hielt, das viel mehr aus dünnen Bändern als aus Stoff zu bestehen schien. Es sollte verboten werden, dies als Bikini zu bezeichnen. »Das kann ich nicht anziehen.«

»Ein Po ist etwas ganz normales«, klärte Lina mich auf. »Jeder Mensch hat einen Po. Es ist jetzt nicht wirklich so, als wüssten die anderen nicht, dass du einen hast.«

Ich verschränkte meine Arme vor der Brust. »Ich. Zieh. Das. Nicht. An.«

»Aber du willst doch einen guten Eindruck auf Jack hinterlassen«, sagte Lina.

»Ja, als ob es einen guten Eindruck auf ihn hinterlassen würde, wenn ich mich schlampig anziehe. Außerdem will Jack gar nichts mehr von mir, weil er denkt, ich würde auf Jared stehen.«

»Wie jetzt?«, fragte Lina. »Er hat dir immer noch nicht verziehen? Er sieht doch, wie du ihn magst. Ich muss mal ein ernstes Wörtchen mit ihm reden.«

»Vielleicht hat er ja auch recht«, murmelte ich, obwohl ich es ungern zugeben wollte. »Ich spüre diese Temperatur zwischen Jared und mir. Da ist etwas zwischen uns. Und wenn Jack das nicht akzeptieren will, dann ist das halt so.« Mir stiegen die Tränen in die Augen, als ich an unseren Streit dachte. Ich wandte mein Gesicht von Lina ab und blinzelte schnell, in dem Versuch sie wieder zurückzudrängen.

»Oh, Monday«, flüsterte Lina und nahm mich in ihre Arme. Aus ihrer Stimme konnte ich die Traurigkeit heraushören.

Ich vergrub mein Gesicht in ihrer Schulter. In meinem Kopf hörte ich, wie meine kleine Kinderstimme, ungläubig, aber dennoch voller Hoffnung und Fröhlichkeit klingend, Mama schrie. Ich fühlte mich in den Traum zurückversetzt, in dem ich aus lauter Freude am Wiedersehen in ihre Schulter geschluchzt hatte.

Hoffentlich würde ich Mama bald finden.

Als ich meine Tränen unter Kontrolle hatte, rückte ich ein Stück von Lina ab.

»Ich glaube, du könntest Recht mit deiner Vermutung zu meiner Begabung haben«, sagte ich.

»Wie kommst du darauf?«

»Ich habe gestern geträumt und an Jack gedacht und dann bin ich, glaube ich, in seinem Traum gelandet... Aber sag ihm das nicht, okay? Er wird bestimmt sauer auf mich sein, wenn er erfährt, dass ich ihm nach spioniert habe, nachdem er mir gesagt hat, dass er nichts von mir will.«

»Natürlich sag ich ihm nichts«, versicherte Lina. »Aber woher weißt du, dass es sein Traum war?«

»Naja, als er mich geküsst hat, haben seine Lippen wie Käsekuch–«, begann ich zu erklären, doch Lina unterbrach mich mit einem aufgeregten Quieken.

»Wie? Er hat dich geküsst? In seinem Traum? Also, wenn das wirklich sein Traum ist und er dich da geküsst hat, dann wäre das ja so etwas von romantisch.«

»Als romantisch würde ich das nicht bezeichnen. Wäre er romantisch, dann würde er mich in der Realität nicht zurückweisen. Jedenfalls haben seine Lippen wie Käsekuchen geschmeckt. Und dann hast du Jared heute morgen den Käsekuchen geschenkt, den dein Vater für dich gebacken hat. Was, wenn Jack den Käsekuchen gerochen und irgendwie in den Traum mitgenommen hat?«

Lina nickte nachdenklich »Das kann gut sein. Aber bist du dir sicher, dass ich dir nicht vorher von dem Käsekuchen erzählt hast und du das unbewusst in deinen Traum übertragen hast? Ich weiß, dass es meine Idee war, dass deine Begabung das Traumwandeln ist, aber wir können nicht ausschließen, dass ich vielleicht im Unrecht liege.«

»Nein, du hast mir nicht erzählt, dass dein Vater einen Käsekuchen backen will«, meinte ich kopfschüttelnd. »Ich wusste ja bis gestern nicht einmal, dass Jared heute Geburtstag hat.

»Oh Mann«, meinte Lina. »Ich wünschte echt, wir könnten heute probieren, ob es funktioniert, wenn du mich in meinem Traum besuchst, aber leider haben wir nicht genug Zeit bevor der Party und außerdem bin ich viel zu wach, um jetzt einzuschlafen. Aber du könntest doch Jack fragen, ob er dich in seinem Traum gesehen hat.«

»Nein! Ich meinte doch, ich will nicht, dass er davon weiß, dass ich in seinem Traum herumspioniert habe. Es ist mir unangenehm.«

»Zu allem, was ich dir vorschlage, sagst du nein«, sagte Lina und schob schmollend ihre Unterlippe vor. »Nicht einmal diesen schönen türkisfarbenen Bikini willst du nehmen.«

»Der hat zu wenig Stoff.«

»Probier ihn doch wenigstens einmal an«, drängte Lina. »Ich verspreche dir, wenn du ihn einmal angezogen gesehen hast, wirst du ihn lieben.«

»Wenn du ihn so sehr magst, dann zieh du ihn doch an«, erwiderte ich.

»Ich weiß schon, welchen ich anziehe.« Sie deutete auf einen bordeauxroten Bikini, der ebenso wenig Stoff besaß wie der Türkisfarbene.

»Hast du denn gar keinen, der den Po bedeckt?«, fragte ich.

»Ich schau mal.« Lina wühlte in ihrem Kleiderschrank herum und schmiss nach einigem Suchen ein hellblaues Höschen über ihre Schulter. »Hier muss auch noch irgendwo das Oberteil sein«, murmelte sie und setzte unbeirrt ihre Suche fort.

Als sie beide Teile zusammen hatte, hielt sie diese mir hin. »Probier mal an«, forderte sie mich auf.

Ich zog mir meine Hose aus und zog mir das blaue Stück über die Unterhose. Mein T-Shirt zog ich hoch, um einen besseren Blick auf das Unterteil zu bekommen. Kritisch betrachtete ich mich im Spiegel. Das Bikinihöschen war highwaisted, wodurch mein Bauch schlanker aussah, als er eigentlich war. Und obwohl es hinten weniger Stoff hatte, als mir eigentlich lieb war, hatte es doch weitaus mehr als diese String-Bikinis. Der Bikini sah gut an meiner Figur aus. Wäre da nicht das eine Problem gewesen... »Ich kann das nicht zur Party anziehen«, meinte ich. »Blau ist nicht meine Farbe, darin sehe ich viel zu blass aus.«

»Was behauptest du denn da für einen Quatsch?« Lina guckte mich entsetzt an, als könnte sie kaum glauben, was ich gesagt hatte. »Dieser Bikini steht dir wunderbar! Und dieses Pastellblau schmeichelt deinem Hautton. Der ist perfekt. Du ziehst den an. Keine Widerrede.«

Monday - Dämonen der VergangenheitWo Geschichten leben. Entdecke jetzt