35 ~ Was bin ich?

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Nach dem Frühstück war ich direkt zur Schule gefahren, in der Hoffnung, dass ich noch vor dem Unterricht mit Lina über mein Halbdämon-Problem reden konnte.

»Könntest du Lina und mich alleine lassen, wenn sie kommt?«, fragte ich Adam.

»Warum?«

»Wir haben noch Mädchensachen zu besprechen«, log ich. Ich wollte mit Adam nicht darüber reden, dass meine Mama ein Dämon war. Denn was hätte ich davon? Adam hatte keine Ahnung von Dämonen und könnte mir überhaupt nicht weiterhelfen.

»Achso. Mädchensachen interessieren mich sowieso nicht.«

»Ach, deswegen hast du auch dieses interessante Buch mit dem Titel So bekommst du jedes Mädchen in deinem Zimmer?«

»Hör doch auf, Monday.«

»Du hast mir immer noch nicht gesagt, welches Mädchen du beeindrucken willst.«

»Hey Monday«, hörte ich plötzlich Linas Stimme neben mir.

»Oh, hallo Lina«, erwiderte ich und zog sie in eine lange Umarmung. »Ich hab dich gar nicht kommen gesehen.« Aus dem Augenwinkel nahm ich wahr, wie Adam sich eilig ein paar Schritte von uns entfernte.

»Merkst du das, wie Adam immer wegrennt, sobald er mich sieht?«, fragte Lina, nachdem sie sich aus unserer langen Umarmung gelöst hatte. »Das ist doch kein Zufall mehr.«

»Er rennt doch überhaupt nie weg«, widersprach ich, dann zog ich sie in eine leere Ecke. »Ich habe ihn gebeten, dass er uns etwas Zeit zu zweit gibt, weil ich dich etwas fragen wollte. Über Dämonen.«

»Mich kannst du alles fragen. Was willst du wissen?«

»Also, ich hatte heute Nacht einen Traum «, erklärte ich.
»Was hat ein Traum mit Dämonen zu tun?«

»Hör mir doch erstmal zu, Lina«, sagte ich. »In meinen Träumen habe ich oft Rückblenden, ich sehe Dinge, die mir vor Jahren passiert sind. Heute Nacht habe ich gesehen, dass die Frau, die ich für meine Mutter gehalten habe, gar nicht meine Mutter ist. Meine Mama ist ein Dämon. Macht mich das dann zu einem Halbdämonen?«

»Oh, wow!«, rief Lina aus und schaute mich mit weit aufgerissenen Augen an. »Ich habe noch nie in meinem Leben einen Halbdämonen gesehen. Ich habe dir ja gesagt, wie selten es ist, dass ein Dämon sich in einen Menschen verliebt.«

»Leider hat mein Daddy ihre Liebe nicht erwidert. Er hat sie aus dem Haus geworfen, sobald er erfahren hat, dass sie eine Dämonin ist.«

»Oh nein, Monday! Das ist ja schrecklich. Wie kann ein Mensch so herzlos sein?«

»Ich glaube, er wollte mich beschützen. Er hatte Angst, dass sie mir etwas antut. Er hat nicht gesehen, was für ein wundervoller Dämon sie war. Sie hat mich geliebt. Sie hätte mir nie wehtun können.«

»Natürlich nicht. Eine Dämonenmutter würde nie ihrem Kind schaden.«

Ich dachte kurz nach. »Was bedeutet das dann für mich, dass ich ein Halbdämon bin?«, fragte ich. »Habe ich auch eine Dämonenbegabung?«

Auf einmal ertönte die Schulglocke.

»Oh Mist, wir haben jetzt Englisch«, sagte Lina. »Wir reden in der Pause weiter, einverstanden?«

»Ja, alles klar«, murrte ich unzufrieden, denn ich war in einem anderen Englischkurs als Lina. Viel lieber hätte ich die Schule geschwänzt und weiter über Halbdämonen geredet.


Der Englischunterricht zog sich quälend langsam dahin. Normalerweise mochte ich ihn, weil Englisch neben Sport das einzige Fach war, in welchem ich gut war und es mir gleichzeitig auch Spaß machte. Heute allerdings wünschte ich mir nichts sehnlicher, als mit Lina zu reden.

Nachdem der Unterricht endlich vorbei war, stürmte ich überglücklich in die Pausenhalle. Lina war noch nicht da, aber dafür entdeckte ich Jack direkt am Eingang. Er schaute von seinem Handy auf, als ich an ihm vorbeiging.

»Monday.« Er flüsterte meinen Namen so leise, dass ich ihn kaum hörte.

Nachdem er meinen Kuss nicht erwidert hatte, war es mir unangenehm ihm gegenüberzutreten. Sollte ich einfach so tun, als hätte ich ihn nicht gehört? Allerdings wünschte ich mir nichts sehnlicher, als ihm zu sagen, dass ich nie Gefühle für Jared hatte, sodass ich den Kuss mit Jack nachholen könnte.

»Hi Jack«, erwiderte ich und ging ein wenig aus dem Weg, um andere Schüler durch den Eingang zu lassen. Ich wusste nicht ganz, wie ich mich Jack gegenüber verhalten sollte. War es in Ordnung ihn zu umarmen, nachdem er meinen Kuss abgelehnt hatte? Wohl kaum. Also stand ich bloß ziemlich unbeholfen vor ihm.

»Es tut mir leid wegen unserem Date«, sagte Jack. »Ich wollte nicht, dass du dich unwohl fühlst.« Hatte er gesehen, dass ich weinen musste? Wie peinlich. Es war mir unangenehm, dass er sehen konnte, wie emotional schwach ich doch eigentlich war.

»So schlimm war es nun auch nicht«, log ich. »Und zu meinen Gefühlen zu Jared. Ich habe ihn nie –«

»Monday und Jack, wir haben Dämonensachen zu bereden«, unterbrach Lina mich, gerade als ich Jack von meinen nicht vorhandenen Gefühlen gegenüber Jared berichten wollte. Mist.

Lina guckte von mir zu Jack. »Habe ich euch bei etwas unterbrochen?«, fragte sie zerknirscht. »Ich kann auch später zurückkommen, wenn ihr wollt.«

»Nein, schon okay. Wir können jetzt über die Dämonensachen reden«, sagte ich und setzte mich mit den Dämonengeschwistern auf eine Bank in der Pausenhalle.

»Also, soweit ich weiß, hast du genauso wie jeder andere Dämon eine Begabung«, sagte Lina.

»Wie?«, fragte Jack. »Monday ist ein Dämon?«

»Halbdämon«, korrigierte ich.

»Oh, deswegen spürst du die Temperaturen«, murmelte Jack. Ich hatte den Eindruck, dass seine Wangen sich leicht röteten. Machte es ihn nervös, über meine Temperatur ihm gegenüber zu reden? Das machte ihn bloß noch süßer, als er sowieso schon war.

»Ja, jetzt ergibt alles Sinn«, sagte Lina. »Jedenfalls musst du erst einmal in die Hölle reisen und deine Begabung samt Nachtsicht freischalten. In der Innenstadt befindet sich ein Portal zur Hölle. Wenn du willst, können wir am Wochenende einen kleinen Ausflug machen.«

»In die Hölle?«, fragte ich entsetzt. »Lina, ich weiß nicht so recht. Das ist doch gefährlich.«

»Quatsch, das ist ganz nett dort. Die Hitze wird dir gefallen. Solange du den Dämonen nicht sagst, dass du ein Halbmensch bist, wird dir nichts passieren. Willst du etwa nicht deine Begabung nutzen können?«

»Doch, natürlich, aber –«

»Super!« Zu meinem Bedauern duldete Lina keine Widerrede. »Dann lass uns am Samstag in die Hölle fahren.«

Monday - Dämonen der VergangenheitWo Geschichten leben. Entdecke jetzt