Prolog

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1986
Karluk, Alaska

Emily blickte aus dem Fenster hinaus auf die Straße. Der Regen peitschte über den Asphalt, kleine Bäche flossen den Hügel hinunter, auf dem sich das Haus der Baxters befand. Es kam ihr nicht wie acht Jahre vor, die vergangen waren, seit sie gemeinsam mit ihren Schwestern hier eingezogen war.

Die beiden waren bereits ausgezogen, noch bevor Emily ihren Mann Alex kennengelernt hatte. Doch nach dem, was sie in der letzten Woche über ihn herausgefunden hatte, wünschte sie, sie hätte ihn nie geheiratet, hätte auf ihre älteste Schwester gehört.

Die Bäume bogen sich im Wind, einige Äste lagen bereits auf dem Boden und obwohl es erst Mittag war, war es bereits dunkel. Emily spürte, wie sich die winzigen Härchen in ihrem Nacken aufstellten, als ihr Mann hinter sie trat und ihr seine Hände auf die Schultern legte.

„Ich muss jetzt wieder los. Mein Team wartet auf mich", sagte er leise und begann sanft, sie zu massieren. Emily bekam eine Gänsehaut. Sie versuchte, sich keine Veränderung anmerken zu lassen. Er durfte nicht wissen, dass sie alles wusste.

Ihre Freundin, eine Journalistin, hatte Anfang der Woche auf Emilys Wunsch hin begonnen, Nachforschungen anzustellen. Noch immer konnte Emily nicht glauben, was ihr Mann getan hatte und tun würde. Aus Liebe. Aber nicht zu ihr, sondern zu einer anderen Frau.

Sie schluckte, als der Brechreiz sie beinahe überwältigte und zwang sich, weiter verträumt zu lächeln, da sie wusste, dass er sie in der Spiegelung der Scheibe sehen konnte. Dann drehte sie sich zu ihm um und versuchte, alles auszublenden, was sie über ihn in Erfahrung gebracht hatte, um ihn wieder so zu sehen, wie sie es noch vor kurzem getan hatte. Liebevoll strich er mit der Hand über ihre Wange.

„Du weißt, wie gerne ich hier bleiben würde. Aber die Arbeit ruft."

Emily konnte ihn nicht anschauen. Sie nickte stumm. Er würde merken, dass etwas nicht stimmte, aber sie konnte es noch immer auf den Todestag ihres Babys schieben.

Wahrscheinlich war es auch das, was er vermutete, als er ihr Gesicht in die Hände nahm und sie leidenschaftlich küsste. Emily spürte, dass sie die Tränen nicht mehr lange würde zurückhalten können.

Durch das Prasseln des Regens drang ein Hupen in das Wohnzimmer. Alex löste sich von ihr und blickte durch das Fenster. Er seufzte.

„Das ist mein Partner." Er blickte sie erneut an. „Bist du sicher, dass ich dich hier allein lassen kann? Ich weiß, heute ist Lilys Todestag..."

Emily nickte. Mehr als sicher. Erst wenn er weg war, konnte sie das tun, was sie tun musste: Ihre Familie beschützen.

„Es geht schon." Eine einsame Träne lief ihre Wange hinunter. Nun also doch. Alex wischte sie mit dem Daumen sanft weg. „Ich bin so schnell wie möglich wieder da. Der Fall ist bald abgeschlossen und dann nehme ich mir frei. Wir fliegen nach Sydney, was sagst du? Nur wir zwei?"

Emily zwang sich zu lächeln. „Das klingt wunderbar, Schatz." Sie stellte sich auf die Zehenspitzen und küsste ihn.

Es war das letzte Mal, dass sie ihn so küssen würde, ein letztes Mal, dass sie sich an der Lüge ihres bisherigen Lebens festklammerte.

Als Alex' Partner erneut hupte, drückte er sie noch einmal kurz an sich und verließ dann mit großen Schritten das Zimmer.

Durch die regennasse Scheibe sah Emily Alex und dem anderen Polizisten zu, wie sie die Straße davonfuhren.

Kaum waren sie außer Sichtweite, sank Emily auf den Boden und vergrub das Gesicht in den Händen. Sie weinte.

Um ihr ungeborenes Kind, um ihre kaputte Ehe, ihr zerstörtes Leben. Und um ihre Schwester und deren Familie, die bald nicht mehr sein würde, wenn es nach ihrem Mann gehen würde.

It All Comes Back Again Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt