10. Kapitel

291 31 2
                                    

Der Schütze hatte den ersten Schuss zu schnell nach dem Einschlagen der Scheibe und somit mitten in einer gegensätzlichen Bewegungsrichtung abgegeben.

Hätte er eine Sekunde gewartet, hätte er sie mitten ins Herz getroffen, stellte Neela ernüchtert fest.

Sie betrachtete das Chaos im Wohnzimmer.

Das eine Sofa war verschoben, in den Polstern befanden sich zwei Einschusslöcher. Dahinter war die Wand mit vier Kugeln versehen.

Die zerbrochenen Gläser lagen auf dem Boden und dem Teppich verstreut, das Fenster war mehr ein Luftloch, als dass sich noch Glas darin befand. Auf dem hellen Teppich befand sich außerdem ein großer Fleck Orangensaft.

Harvey schloss die Fensterläden, sodass das Wohnzimmer für einen Moment pechschwarz wurde.

Neela blieb stehen und wartete, bis ihr Bruder den Lichtschalter betätigte, und die ebenfalls getroffene Glühlampe einmal kurz aufflackerte und dann erlosch. Neela seufzte.

Harvey machte einen großen Schritt über das Glas, dass er auf dem Boden nur schemenhaft erkennen konnte und schaltete das Licht in der Küche an, das auch das Wohnzimmer spärlich mit erhellte.

Von hinten legte er Neela kurz eine Hand auf die Schulter und begann dann, die Scherben zusammenzufegen.

Die Geschwister hatten es ganze zehn Minuten im Keller ausgehalten, bevor Neela ungeduldig wieder nach oben gegangen war.

Resigniert holte sie einen Lappen und einen Eimer Wasser aus der Küche und begann, den Saftfleck aus dem Teppich zu schrubben.

Es hatte angefangen zu regnen. Ein Blitz erhellte für kurze Zeit das Zimmer, trotz der geschlossenen Läden. Der Donner folgte sofort. Das Gewitter war direkt über ihnen.

Wenn Mark und Josh den Schützen jetzt nicht erwischten, wären morgen alle seine Spuren vom Regen weggewischt.

Sie hörte eilige Schritte auf der Veranda, dann wurde die Tür aufgestoßen.

Mark und Josh waren komplett durchnässt.

Neela schob sich eine Strähne zurück, die sich aus ihrem Zopf gelöst hatte und blickte zu den beiden hoch.

Marks resignierter Blick sagte alles.

Neela stand auf, um heißes Wasser für einen Tee aufzusetzen, den die beiden bestimmt brauchen würden, während Harvey Mark und Josh Anziehsachen von sich gab und ihnen die Dusche zeigte.

Als Neela die Tür des Schrankes zuklappte aus dem sie die letzten beiden Tassen, die nicht kaputt oder dreckig waren, herausgeholt hatte, stand Mark im Türrahmen und beobachtete sie.

Er trug noch immer seine eigenen, durchnässten Sachen und hatte lediglich ein kleines Handtuch über seine Schultern gelegt.

„Du tropfst", bemerkte Neela kurz und zwang sich, nicht festzustellen, wie gut er mit seinen verstrubbelten, nassen Haaren aussah.

Mark richtete sich auf. „Ich warte nur, bis Josh fertig mit Duschen ist. Falls er das ganze Wasser verbraucht, kann ich ja immer noch rausgehen."

Er warf einen zweifelnden Blick aus dem nicht verschlossenen Küchenfenster, der sie ungewollt zum Lachen brachte.

Wahrscheinlich war das so eine Art Waffenstillstand, überlegte Neela, während sie die Teebeutel in den Tassen mit dem heißen Wasser übergoss.

Eine Tasse reichte sie Mark. Als sie seine eiskalten Hände berührte, zuckte sie zusammen. Er sollte wirklich bald duschen, um sich nicht zu erkälten.

It All Comes Back Again Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt