ZWEIUNDZWANZIG oder wie Elaine einen Fluchtort bekam

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Die ganze nächste Woche verbrachte Elaine bei der Familie Seitz. Es hatte nicht wirklich lange gedauert und schon hatte sie sich in das Familienleben der Familie eingelebt und half als Gegenleistung dafür, dass sie hier leben durfte, im Haushalt mit. Dabei war sie neben Rosa die Einzige, die wirklich etwas tat. Aber Rosa freute sich immer so sehr über ihre Hilfe, dass es für Elaine eine regelrechte Freude war der älteren Frau mal unter die Arme greifen zu können und vor allem fand sie es einfach nur fantastisch ihr beim Kochen zusehen und behilflich sein können, denn sie hatte innerhalb der letzten Tage schon sehr viele neue Rezepte kennen gelernt und konnte einige davon schon selbst nachkochen, was ein echt positiver Nebeneffekt war.
Die ersten Tage lang musste sie alle halbe Stunde ihren Vater wegdrücken, da er sie ständig anrief. Zu Beginn hatte sie ihr Handy noch nicht auf lautlos gestellt gehabt, sodass es jedes Mal, wenn er sie angerufen hatte, laut geklingelt, doch auch dann hatte die Familie nichts gesagt.
Kontakt zu ihrer restlichen Familie hatte sie schon. Zumindest zu Mia, die sie schließlich jeden Tag in der Schule sah und die ihren Aufenthaltsort zwar wusste ihn aber dennoch nicht verriet, und auch zu ihrem Bruder hielt sie wie immer Kontakt.
So kam es wohl auch dazu, dass ihr Vater noch nicht die Polizei auf sie angesetzt hatte, denn manche Informationen von ihr wurden noch über Mia weitergeleitet. Doch die Tatsache, dass er immer noch nicht den genauen Aufenthaltsort seiner ältesten Tochter wusste, machten ihn schon ziemlich nervös und deswegen flehte er seine Jüngste regelrecht an den Ort zu verraten. Dennoch hatte Mia sie bisher noch nicht an ihn verraten und dafür hatte sie wirklich etwas gut bei Elaine.
Deswegen hatte diese ihre jüngere Schwester auch erstmal vor ein paar Tagen auf ein riesiges Eis eingeladen.
Ansonsten kam nach und nach der Alltag  in das Leben der Schüler wieder ein. Bisher hatten Elaine und Raphael noch keinen neuen Wunsch erfüllt. Doch dies lag nicht daran, dass sie keine Lust gehabt hätten. Ganz im Gegenteil die Beiden hätten wohl nichts lieber gemacht als sich einmal mit soetwas abzulenken, doch sie hatten einfach nicht die Zeit dafür. Denn bald standen ihre nächsten Klausuren bevor und dafür mussten sie wohl oder übel üben.
Somit nutzten sie ihre freie Zeit nach der Schule fast nur mit lernen. Die einzigen Ausnahmen bildete bei Raphael das Sport treiben und bei ihr ihre Abrbeitsschichten im Café, auf die sie sich immer freute. Der Job war wirklich perfekt für sie. Elaine gab Raphael bei der Gelegenheit, die das Lernen ihr bat, direkt schon die Nachhilfe, die sie ihm versprochen hatte als Gegenleistung für seine Hilfe bei ihren Wünschen. Doch es stellte sich herraus, dass Raphael vielleicht nicht die besten Noten schrieb, aber deswegen war er trotzdem alles andere als dumm. Sein einziges Problem war, dass er ein bisschen zu faul war und auch in den Schulstunden wohl häufiger nicht so wirklich aufpasste.
Somit bestand ihre Hauptaufgabe darin, den Stoff noch einmal zu wiederholen und vielleicht hier und da mal ein bisschen genauer auf die Themen einzugehen als es der ein oder andere Lehrer vielleicht tat.
Am Freitag hatten sie dann ihre erste Klausur geschrieben und danach entschieden sich die Beiden dafür ihren Köpfen zumindest erstmal einen freien Nachmittag zu gönnen.
Raphael hatte dabei die schöne Idee mit den Wünschen anzufangen, die etwas mehr Planung benötigen. Damit meinte er wohl vor allem die Wünsche, die sich auf das Reisen in fremde Länder bezogen, wovon sie schließlich mehrere hatte. Ihr neu verdientes Geld reichte zwar noch lange nicht, aber ihr Vater hatte schließlich gemeint, dass er ihr wohl das Erbe einfach schon auszahlen würde oder ihr solche Wünsche bezahlen würde. Dass sie sich dafür erstmal wieder mit ihrem Vater vertragen musste, versuchte sie zurzeit noch zu verdrängen. Aber auch ihr war klar, dass diese Versöhnung bald nicht mehr zur Verhindern war.
Eigentlich mochte sie es auch nicht so wirklich, wenn es Streit in ihrer Familie war, doch irgendwie war es dieses Mal anders. Ihr gefiel es irgendwie nicht immer mit ihrem Vater einer Meinung zu sein. Vielleicht hatte sie gerade einen Teil ihrer rebellerischen Seite entdeckt. Auf jeden Fall genoss sie es mal die Person zu sein, die nicht nach Vaters Pfeife tanzte und nicht wie sonst immer einer ihrer Geschwister.
Außerdem meinte sie immer noch, dass sie im Recht war. Es hatte ihn doch nun wirklich nicht zu interessieren, ob sie ihre Haare bunt färbte, wofür sie bisher eigentlich nur Koplimente bekommen hatte, oder sich einen Piercing stechen ließ, welcher ihr wiklich gut stand. Es war ihr Körper und ihr restliches Leben. Außerdem würde ihr Körper nie so faltig werden, dass sie so eine Tat wahrhaftig bereuen würde, denn schließlich ist dies das einzige wirkliche Problemen bei Piercings und Tattoos.
Im Großen und Ganzen gesehen war sie also eindeutig im Recht!
Deswegen hatte sie auch nun weniger Angst davor, dass sie sich eigentlich noch ein Tattoo stechen lassen wollte. Denn wie gesagt es war ihr Körper und ihr Leben.
Auf jeden Fall drifteten ihre Gedanken mal wieder ab, während Raphael sich irgendetwas im Internet anschaute. Ein Blick auf den Bildschirm verriet ihr, dass er nach billigen Flügen schaute.
"Wohin willst du denn als erstes reisen?"
Er lachte. "Also ich würde sagen, es sind deine Wünsche und deswegen entscheidest du wohl, wohin wir wann reisen."
"Mir ist dies aber relativ egal. Ich will nur am Ende alle Wünsche erfüllt haben." sie zuckte mit ihren Schultern und hockte sich dann neben ihm auf das Bett. Dann bemerkte sie aber, dass sie Lust auf Süßes hatte und lief desegen in die Küche, um eine Eisschachtel hervor zu holen. Dazu nahm sie noch zwei Löffel in die Hand und lief wieder nach oben.
Mit etwas zu viel Schwung ließ sie sich auf das Bett fallen und stoß dabei Raphael etwas zur Seite.
"Also wofür hast du dich entschieden?"
"Lass mich überlegen. Ich finde Paris ist etwas tolles für den Frühling und Amerika würde ich gerne nach dem Abi machen, da ich dies so oder so vor hatte. Auch bin ich kein Mensch des Winters und mag die Wärme lieber. Also hätte ich für die fast zwei Wochen die Idee auf die Südhalbkugel zu fliegen."
"Das finde ich auch gut. Wie wäre es wenn wir nach Australien fliegen?"
Er lachte und zeigte seinen Daumen nach oben. Dann zeigte er ihr die von ihm geöffnete Seite und sie konnte sehen, dass er längst nach Flügen nach Australien geschaut hatte. Auch sie fing an zu kichern und hielt ihm erst den zweiten Eislöffel hin, bevor sie sich ihren ersten befüllten Löffel in den Mund steckte.
Danach konzentrierte sie sich auch auf den Bildschirm und so verbrachten die beiden ihren Nachmittag damit ihren ersten gemeinsamen Urlaub zu planen. Sie entschieden sich dabei noch dazu ihre ganzen Freunde zu fragen, ob sie nicht mitkommen wollen würden.

How I would like to say GoodbyeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt