Der erste Oktober kam schneller, als Elaine gedacht hätte. Der Sonntagmorgen dieses Tages war im Vergleich zum Rest noch erstaunlich normal. Mit dem Kopf auf der Brust von Raphael wchte sie morgens auf und begann sich fertig zu machen. Der nächste Bäcker war zwei Querstraßen entfernt und da sie so früh schon wach war, holte sie kurzerhand die Brötchen für ihre Mitbewohner und sich selbst.
Dies machte sie so gut wie jeden Sonntag und sie mochte es in der Frühe zu Fuß durch die Straßen von Hannover zu spazieren. Zum Bäcker ging sie auf dem Rückweg, nachdem sie erst einmal eine halbe Stunde durch die Straßen gelaufen war.
Die noch kühle Morgenluft durchflutete ihren Körper und ließ sie wach werden. Morgens waren nur wenige Menschen unterwegs. Wenn sie jemanden traf, dann war derjenige meist mit seinem Hund gerade Gassi.
Zurück in der Wohnung legte sie die Tüte mit den Brötchen auf den Tisch und begann diesen dann zu decken. Nach und nach trudelten immer mehr ihrer Freunde in der gemeinsamen Küche ein. Der Letzte, der erschien war natürlich Julius, welcher am Vorabend natürlich erst spät in der Nacht nach Hause gekommen war, freute sich am Meisten über die Freundlichkeit von seiner Mitbewohnerin. Jedes Mal wieder bedankte er sich bei ihr, wenn sie das Frühstück machte und er davon etwas abbekam. Dies geschah sogar seit Neustem viel häufiger, da er es sich langsam angewohnt hatte nicht bis ein Uhr am Nachmittag erst aufzustehen.
Von Raphael bekam sie einen Kuss auf die Wange, als sie sich neben ihm auf ihrem Stuhl fallen ließ.
Den gesamten Vormittag verbrachten alle in der Küche und genossen die Zeit mit ihren Freunden. Dann vibrierte Elaines Handy und erinnerte sie daran, dass sie noch einen Termin hatte. Vor Schreck schubste sie Emma von der Bank und stolperte mehrmals, bevor sie ihr Gleichgewicht wiederfand und in rasender Geschwindigkeit ihre Sachen zusammen sammelte.
Ihre Schlüssel landeten in ihrer Handtasche und schnell schlüpfte sie in Jacke und Schuhe. Ihren Geldbeutel schmiss sie zu ihren Schlüsseln und mit einem kurzen Kuss verabschiedete sie sich noch schnell von ihrem verdutzten Ehemann, bevor sie auch schon durch die Tür lief.
Auf der Treppe nahm sie mehrere Stufen aufeinmal und sobald sie wieder vor der Haustür war nahm sie ihre Füße in die Hand. Die nächste Straßenbahn würde in nur wenigen Minuten kommen und bis zur Haltestelle musste sie noch ein bisschen laufen.
Gerade noch rechtzeitig erreichte sie die Bahn und erleichtert ließ sie sich auf einen der Sitze fallen. Erst als sie saß, holte sie ir Handy hervor, um Raphael mithilfe einer Nachricht aufzuklären, weswegen sie so übereilt die Wohnung verlassen musste.
Es war schon fünf vor eins und um eins war sie mit einer jungen Journalistin zum Mittagessen verabredet. Nach dem unverfänglichen aufklärenden Mittagessen würden die Beiden dann zum Studio fahren, wo Elaine dann ein Interview geben sollte.
Vor ein paar Wochen hatte sie in einer Zeitung im Krankenhaus diesen Artikel gelesen. In diesem hatte eine Mutter über ihre Erfahrung gesprochen, wie es war durch eine tödliche Krankheit sein Kind zu verlieren. Unter diesem Artikel stand dann die Nachfrage nach weiteren Geschichten dieser Art und Elaine hatte diese Möglichkeit ergriffen. Noch während sie sich im Krankenhaus aufgehalten hatte, hatte sie die angegebene Nummer angerufen und war an die Journalistin gekommen. Diese war von ihrem Anruf einfach nur begeistert und leitete alles Wichtige in die Wege.
Scheinbar würde für eine Fernsehsendung nach genau solchen Interviews gesucht und so stellte sich Elaine gern dafür bereit. Ihr Interview würde vielleicht anderen Menschen mit Krebs helfen mit ihrer Krankheit umzugehen.
Freundlich begrüßte die Journalistin Monika sie und schon wurde das Essen gebracht. Während des Mittagessen wurde Elaine nocheinmal vollständig darüber aufgeklärt, was sie mit ihrer Teilnahme erlauben und ermöglichen würde.
Zwei Stunden später begann die Kamera dann jedes ihrer Worte aufzunehmen.
Als erstes fragte Monika sie, wie es war zu hören, dass Elaine einen unheilbaren Tumor in ihrem Gehirn sitzen hatte. Ehrlich beantwortete sie jede darauffolgende Frage und so sprach sie von ihren Ängsten, Wünschen und Hoffnungen, welche sie das gesamte letzte Jahr begleitet hatten. Es schien Monika sehr zu interessieren, warum Elaine sich diese Liste angelegt hatte und wie sie die langsam abgearbeitet hatte.
Diese Interesse traf bei Elaine auf Begeisterung. Voller Freude erzählte sie von den Reisen und Aktivitäten, die sie unternommen hatte. Auch von Raphael sprach sie viel, aber ihre Familie und ihre Freunde waren logischerweise ein wichtiger Teil ihrer Erzählungen. Es gefiel ihr ein Video in der Zukunft zu haben, welches zeigte, wie sehr das letzte Jahr ihr ihr Leben zurückgegeben hatte. Denn nun wo es fast vorbei war, realisierte sie, dass sie ohne die Liste ihr letztes Jahr nur noch darauf gewartet hätte endlich zu sterben. Mit der Liste aber hatte sie so gut wie jeden Moment noch einmal zu hundert Prozent ausgelebt und sich nicht von der dunklen Zunkunft verunsichern lassen. Diese Aussage wollte sie der Nachwelt überlassen. Es war wichtig im Hier und Jetzt zu leben. Elaine hatten jeden Tag auf den nächsten Tag gelebt und ihre Zukunft vergessen. Diese Tatsache hatte ihr Leben für die vergangenen Monate zu einem echt lebenswerten Leben gemacht.
Sie bereute ihre Taten und Entscheidungen nicht und sie würde es auch in den nächsten zwanzig Tagen nicht noch machen.
Es war ihr Leben, ihre Entscheidungen und auch wenn es nicht das Längste war, so war es dennoch ihres und sie liebte es. Vielleicht wünschte sie sich mehr als nur zwanzig Tage voller Leben, aber das Leben war nun einmal kein Wunschkonzert. Sie hatte sich damit nicht nur abgefunden, sie hatte damit abgeschlossen und die ihr noch bleibende Zeit bestmöglich ausgenutzt, anstatt der verloreren Zeit nachzutrauen.
Mit ihrem Interview wollte sie nicht ihren Tod verschönern, sie wollte Hoffnung geben, dass selbst ein kurzes Leben perfekt und wunderschön sein konnte.
Vielleicht würden ihre Worte nicht nur Gleichgesinnte erreichen und berühren, sondern noch viel mehr als nur Personen, die ihr Schicksal teilen oder miterlebt hatten.
Wenn das passieren würde, hatte sich dieser Tag, dieses Jahr, sogar ihr gesamtes Leben schon mehr als nur gelohnt.
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How I would like to say Goodbye
Художественная проза1 Jahr 356 Tage 8544 Stunden 512640 Minuten 30758400 Sekunden So viel Zeit blieb ihr höchstens noch. 30758400 Sekunden für genau 99 Wünsche, dass sollte doch eigentlich nicht allzu schwer sein. Sie brauchte nur Hilfe, doch wer half einem sterbende...
