Den ganzen Vormittag verbrachten sie noch am See und machten sich einen schönen Tag. Am frühen Nachmittag packten sie schlussendlich ihre Zelte wieder ein und schmissen ihre Tasche in den Kofferraum. Innerhalb von einer viertel Stunde waren sie Aufbruch bereit und die Mädchen und Jungs verabschiedeten sich voneinander.
Danach schnallten sie sich an und fuhren von ihrem Übernachtungsplätzchen fort. Laute Musik begleitete sie auf ihrem Weg nach Hause.
Elaine war die Erste, welche abgesetzt wurde. Da sie in dieser Nacht eher wenig Schlaf bekommen hatte, begrüßte sie nur kurz den restlichen Teil ihrer Familie und lief dann die Treppenstufen nach oben, um sich dann in ihr Bett fallen lassen zu können.
Doch gegen ihrer Erwartung schaffte sie es dennoch nicht ihre Augen länger als zwanzig Minuten geschlossen zu halten und in einen erholsamen Schlaf zu fallen. Dabei wollte sie so gerne vor ihrem wöchentlichen Termin im Krankenhaus noch ein bisschen Ruhe finden. Eine ganze weitere Stunde blieb sie noch liegen und wurde dann von ihrem Vater aus dem Bett geworfen.
"Elaine beeil dich! In einer viertel Stunde müssen wir in Hannover sein!"
Seine Stimme durchschnitt die Stille um sie herum und mit ein bisschen Schwung setzte sie sich wieder auf und schlüpfte in ihre Jeans und ein neues T-Shirt. Während sie sich ihre Turnschuhe über ihre Füße streifte, stolperte sie die Treppe herunter.
Tatsächlich kamen die beiden ausnamsweise mal fünf Minuten zu spät zum Krankenhaus. Einerseits fand sie es sehr lieb von ihrem Vater, dass er sie jede Woche zu ihrem Termin hinfährt, aber andererseits meinte sie, dass er es nicht machen müsste, da sie nun immerhin schon achtzehn war und somit gut genug alleine die paar Minuten auf der Straße schaffen konnte.
Nur traute sie sich nicht wirklich dieses Thema vor ihrem alten Herren an zu sprechen und somit würde er wohl auch noch länger ihr Fahrer bleiben.
Vor dem Krankenhaus verabschiedete sie sich aber dann von ihm, da sie ihm vor einem Monat davon überzeugen konnte, dass sie diese zwei Treppen auch alleine gehen konnte. Immerhin war sie nicht nur achtzehn, sondern auch schon halb in diesem Gebäude Zuhause. An keinem anderen Ort hatte sie das letzte halbe Jahr so viele Stunden verbracht, wie an diesem und es war unmöglich für sie sich immernoch in den Gängen zu verirren, wie sie es so manch einmal zu Beginn getan hatte.
Ihre Freundin rannte sie wie jedes Wochenende zur Begrüßung halb um. Doch eine kleine Sache war ein bisschen anders als sonst.
Normalerweise umarmte Cleo sie zwar so stürmisch, aber ihre Freundin war sonst nur halb so glücklich. Irgendetwas musste anders sein.
"Weißt du, was der Arzt mir heute erzählt hat?"
"Nein, ich glaube, dass ich das tatsächlich nicht weiß." antwortete sie ihr.
"Ich habe es scheinbar fast geschafft."
Diese Nachricht freute auch Elaine tierisch, auch wenn es bedeuten würde, dass sie bald ohne ihre Freundin in dem Krebssaal hocken müsste. "Das sind ja fantastische Neuigkeiten. Ein weiteres Mal den Bösewicht besiegt."
Elaine hob ihre Hand, um mit ihrer Freundin einzuschlagen. Nun war sie irgendwie schon etwas motivierter den Nachmittag hier zu verbringen. Während sie von den Krankenschwestern die Nadeln in die Haut gestochen bekamen, erzählte ihr Cleo ihr Gespräch mit Doktor Johnson noch einmal nach.
Danach plapperte sie weiter und sprach von ihren Plänen für ihre freie Zukunft. Es war ein schöner Nachmittag, einer voller Hoffnung.
Am Abend war sie relativ glücklich und die Aussicht auf ihr Bett gab ihr noch einmal ein bisschen mehr Freunde hinzu. Es dauerte dieses Mal wirklich nicht lange, bis ihre Augen zuklappten.
Dies war ein weiteres Problem ihrer Behandlung. Jedes Mal wusste sie, dass sie dazu da war, sie weder fit zu machen, aber an dem Tag war sie dennoch stets so ausgelaugt wie nach einem Marathon.
Sie träumte von sich selbst, wie sie mit ihren Freunden an der Universität über das Gelände lief und mit ihnen über ihre Professoren ablästerte. Im Schlaf lächelte sie und sah vollkommen zufireden aus, obwohl Elaine auch im Traum schon bewusst war, dass dies für immer nur ein Traum bleiben würde. Doch möglicherweise war genau dies der Grund für ihre Freude. In Träumen war alles möglich, somit auch ein Leben, welches sich ihr nie ermöglich werden würde.
Aber jeder Traum endete nun einmal, sobald man seine Augen öffnete.
In dieser Nacht war ein kleines kontinuierliches Geräusch der Grund dafür, dass sie aus ihrem Schlaf erwachte. Verwirrt schaute sie sich nach der Herkunft des Störgeräusches um. Schlussendlich fand sie es in den kleinen Steinchen, welche in einem paar Sekundentakt gegen das Fenster flogen. Nun noch mehr verwundert, als zuvor, schlug das Mädchen ihre Decke zur Seite und trat zum Fenster. Mit einem kurzen Handgriff hatte sie es geöffnet und fand ihre Freunde dort unten in ihrem Garten stehen.
Sie alle trugen dunkle Klamotten und sowohl Raphael als auch Niklas hatten Rucksäcke auf ihren Schultern. Emma und Leah wedelten mit ihren Armen und versuchten Elaine damit zu zeigen, dass sie runter kommen sollte.
Schnell schlüpfte diese in genauso dunkle Kleider wie der Rest und schlich dann durch das Haus nach unten zur Haustür. Bisher hatte sie noch niemanden geweckt und auch als sie nach draußen trat, blieb alles ruhig im Inneren.
Ihre Freunde zogen sie mit sich und kamen gar nicht auf die Idee sie über ihren Plan aufzuklären. Als Gruppe rannten sie durch die Straßen ihrer kleinen Stadt und hielten schlussendlich vor ihrer Schule.
Dort fand sie dann selbst heraus, was ihre Freunde vorhatten. Denn aus den Taschen kramten ihre Freunde mehrere Sprühdosen und verteilten sie unter Leah, Emma, Elaine und sich selbst. Ein breites Grinsen schlich sich auf das Gesicht der Entführten. Diese Idee war genial. Leise lachend begann sie mit ihrem Kunstwerk. Auch wenn sie nicht viel Übung besaßen, konnten sie dennoch von sich sagen, dass sie zumindest die Grundlagen aus ihrem Kunstunterricht noch konnten. Als Grundlage für das Graffiti nutzte Elaine erst einmal die weiße Farbe und begann danach mit den bunten Dosen.
Nach eineinhalb Stunden war sie mit ihrem Schriftzug fertig und auch der Raum drum herum hatte eine Verziehrung bekommen.
Auch ihre Freunde waren fast fertig. Nun war die ganze eine Wand ihrer Schule bunt. Es sah echt schön aus. Möglicherweise sah die Schulleitung dies auch so und ließ ihre Wandgemälde an Ort und Stelle. Bevor sie wieder von dem Gelände verschwanden unterzeichnete jeder noch sein Werk und gemeinsam sprühten sie noch einen Gruppennamen unter ihr Gesamtbild.
Irgendwie hatten sie es geschafft stets einen schönen Übergang zu finden und so setzten sich aus den fünf Einzelarbeiten ein großes Bild zusammen.
Nachdem sie ein Beweisfoto geschossen hatten, gingen sie lachend weiter. Die leeren Dosen schmissen in die Mülltonnen neben dem Supermarkt. Dann überlegten sie gemeinsam, was sie noch machen könnten. Elaine beteiligte sich zu Beginn nicht an dieser Diskussion, sondern ließ ihren Blick über ihre Umgebung gleiten. Ein Gebäude zog schlussendlich ihre Augen an.
"Also ich wollte schon immer einmal die Welt von oben sehen, was meint ihr?" sprach sie ihren Gedanken aus und stand auf. Verwirrt blickte der Rest der Gruppe ihr hinterher, wie sie an der Feuerleiter am Haus hochkletterte.
Irgendwann hatte sie es geschafft und sie stand ganz oben auf dem Dach. Von dort blickte sie auf ihre Gruppe herunter und genoss die Aussicht. Auch wenn sie nicht auf dem höchsten Dach der Welt war, so war es dennoch überwältigend. Nach ein paar Minuten dort oben ohne, dass irgendwer der Anderen zu ihr hoch kam, entschied sie sich, dass es wohl reichte. Ein Foto machte sie noch, dann kletterte sie wieder runter.
Als nächstes schien Leah eine Idee zu haben. "Also ich habe Hunger, lass uns etwas holen!"
Dieses Mal waren mehr von ihnen von dem Vorschlag angetan. Ihr Ziel, die Tankstelle ganz in der Nähe, erreichten sie schon nach zwei Minuten Fußweg.
Lachend durchstreiften sie das Geschäft und jeder suchte sich das aus, was er haben wollte.
Plötzlich hielt Raphael ihr etwas vor die Nase. Es war ein kleiner aber irgendwie cooler Schlüsselanhänger. Es war eine silberne Erdkugel mit einem Herz auf der Stelle von Deutschland.
Lächelnd nahm sie ihn in die Hand und hängte ihn dann wieder zurück.
Schnell bezahlte sie ihre Tüte Gummibärchen und lief dann nach draußen. Neben ihr waren Emma und Raphael, welche auch schon bezahlt hatten.
Auf einmal brüllte der Verkäufer los. Wütend schrie er Leah an, dass sie etwas sofort zurücklegen sollte. Erschrocken huschte ihr Blick zu der von ihm Genannten. Diese schaute erschrocken und missmutig zugleich. Hatte sie etwa wirklich etwas stehlen wollen? Der Verkäufer trat zu ihnen und baute sich von der Gruppe auf. Der Weg nach draußen war versperrt. Gleichzeitig wählte er auf seinem Telefon eine Nummer. Nach fünf Minuten erschien ein blausilbernes Auto vor dem Geschäft. Zwei Polizisten stiegen aus.
Das Gespräch zwischen den Beiden und dem Besitzer der Tankstelle konnte Elaine nicht verstehen. Doch das Nächste, was der eine Polizist sprach, verstand sie dafür umso besser. "Alle von euch kommen mal mit. Und du Mädchen legst die Schachtel sofort wieder zurück!"
Ängstlich schaute Elaine zu ihrer besten Freundin, welche sie mit dem selben Blick anschaute. Die Fünf wurden gerade wirklich von der Polizei verhaftet. Was ihr Vater wohl sagen würde?
Wie sich heraus stellte, wurden sie zwar verhaftet, doch ansonsten passierte nichts Weiteres, da Leah ihre Tat sofort gestanden hatte, als sie in der Wache eintrafen. Dabei hatte sie ihnen wohl auch gesagt, dass ihre Freunde nichts von ihrem Vorhaben gewusst hatten. Schlussendlich durften alle außer Leah dann nach einer halben Stunde die Polizeiwache wieder verlassen.
Als Elaine bald darauf wieder in ihr Zimmer zurückkehrte, war sie todmüde. Dies war wirklich eine ereignisreiche Nacht gewesen. Mit einem leichten Lächeln zog sie ihre Jacke aus.
Sobald sie diese auf den Boden fallen ließ, ertönte ein klingendes Geräusch. Verwirrt bückte sie sich und fand den Schlüsselanhänger dort auf dem Boden liegen.
Wo kam der denn jetzt her? Sie hatte ihn doch zurück gehängt und sie wusste auch, dass Raphael ihn nicht gekauft hatte, da er neben ihr beim Bezahlen gestanden hatte.
Könnte es sein, dass er ihn ihr in die Jackentasche gesteckt hatte, ohne, dass sie oder irgendwer anders es mitbekommen hatte?
Eine andere Erklärung gab es nicht. Ihr Lächeln wurde immer größer. Wenn sie Recht hatte, dann hatte sie gerade ohne es zu wissen etwas gestohlen. Ein besseres Andenken für diese Nacht gab es nicht. Im Stillen dankte sie Raphael für seine Tat. Dann fiel sie aber endgültig in einen tiefen Schlaf.
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How I would like to say Goodbye
Ficção Geral1 Jahr 356 Tage 8544 Stunden 512640 Minuten 30758400 Sekunden So viel Zeit blieb ihr höchstens noch. 30758400 Sekunden für genau 99 Wünsche, dass sollte doch eigentlich nicht allzu schwer sein. Sie brauchte nur Hilfe, doch wer half einem sterbende...