SIEBENUNDZWANZIG oder wie Elaine etwas Schlechtes mit etwas Gutem feierte

41 4 0
                                        

Es war die letzte Woche vor den Weihnachtsferien und alle Klausuren waren schon seit mehreren Wochen geschrieben. Die Planung für ihre Reise war schon längst abgeschlossen. Nur fühlte es sich nicht so an, als wäre nichts mehr zu tun. Den ganzen Tag verbrachten die Freunde zusammen und wenn sie mal nicht als Gruppe zusammen hocken am Nachmittag, dann setzten sich zumindest noch Raphael und Elaine gemeinsam hin und planten schon einmal weiter. Denn es waren nun einmal nicht nur eine Reise auf ihrer Liste zu finden. Es glich eigentlich einem Wunder, dass sie die Zeit gefunden hatte, um überhaupt etwas für die Schule zu machen, dass sie die Zeit hatte für die Klausuren zu lernen. Welche sie sogar relativ gut gemeistert hatte.
"Gut gelernt?" fragte Emma sie und lachte.
"Wofür denn?"
"Natürlich für deine Geschichtsklausur. Ich freue mich so, denn das wird meine letzte Geschichtsklausur für mein ganzes Leben sein."
Nun war Elaine verdammt überrascht und starrte ihre beste Freundin an.
"Wir schreiben heute Geschichte?!"
"Sag nicht das du das vergessen hast!"
Doch scheinbar war genau dies passiert, sie hatte ihre Geschichtsklausur vergessen und zwar vollkommen. Nun verstand sie auch warum Emma in den letzten Tagen nicht ganz so viel Zeit hatte. Der Rest der Clique hattte kein Geschichte, nur Emma und Elaine schrieben heute also.
Mit einem mulmigen Gefühl betrat sie hinter Emma den Raum und setzte sich neben sie. "Keine Angst duwirst das schon schaffen und selsbt wenn deine letzte Arbeit war ein 'Sehr gut plus'. Also mach dir kein Stress. Du hast sowieso schon ein überragendes Zeugnis. Eine Ungenügend wird dir auch nicht schaden."
Ganz leicht drückte Emma ihre Hand, bevor sie ihre Sachen hervorholte und Stille im Raum einkehrte. Da bemerkte Elaine, dass sie Recht hatte. Eine schlechte Note würde ihren Durchschnitt zwar nach unten senken, aber nicht verhauen und selbst wenn, sie würde sowieso nie arbeiten gehen. Somit brauchte sie schon lange nicht mehr das beste Abitur des Jahrganges. Es war also vollkommen in Ordnung, dass sie nicht wirklich vorbereitet war und gerade allein schon mit der Aufgabenstellung überfordert war.
Doch auch wenn sie nun keinen Druck mehr verspürte, ließ es ihr Stolz nicht zu, dass sie nun einfach aufstand und ihr Heft vorne abgab. Wenn sie schon keine gute Note schrieb, hieß dies noch lange nicht, dass sie eine Sechs haben wollte.
Also atmete sie einmal tief durch und schaute dann nach unten auf ihr Blatt. Theoretisch war dies gar nicht so schwer, wie in ihrer Panik zuerst gedacht. Die Klausuren in Geschichte waren im Großen und Ganzen immer ähnlich und so fing sie einfach an zu schreiben. Manches wusste sie noch aus dem Unterricht, wobei ihr auffiel, dass sie schon länger nicht mehr wirklich die ganze Stunde lang aufgepasst hatte. Dies könnte sie vielleicht mal wieder ändern.
Nach langen drei Stunden hatte sie zwar nur bescheuerte Sachen auf ihr Papier gebracht, aber zumindest war sie sich ziemlich sicher, dass sie mindestens eine Fünf für ihren Text bekommen würde, vielleicht auch noch eine Vier minus. Draußen wurde sie von Emma empfangen, die zeimlich zufrieden war.
"Das war zwar eine bescheuerte Aufgabenstellung, aber ich glaube, dass mein Text dennoch relativ gut war. Vielleicht wird es noch eine Zwei." sie zuckte nur mit den Schultern.

Am letzten Schultag wurde Elaine von ihrer Geschichtslehrerin nach der Stunde zu sich gerufen. In dem Moment bekam sie ein wirklich schlechtes Gefühl. Was war, wenn sie eine Sechs bekommen würde. Diese Erfahrung wollte sie nun wirklich nicht machen. Auch wenn eine schlechte Note ihrer Meinung zum Leben dazu gehörte, war eine Sechs nun wirklich nichts, was man brauchte.
Doch nach dem Gespräch lief sie mit einem strahlenden Lächeln aus dem Raum und überraschte damit Raphael und Emma, die auf sie vor dem Raum gewartet haben. Lachend fiel Elaine dem Italiener um den Hals und danach zog sie auch ihre blonde beste Freundin in ihre Arme. "Was ist denn mit dir los?" fragte diese mit einem skeptischen Blick.
"Ich habe ein 'Ausreichend plus'" lachte sie und drückte sie gleich noch einmal.
Nun war es an Emma die Augen wiederholt aufzureißen und zu lachen. Doch Raphael schien die Welt nicht mehr zu verstehen. Dieser wusste auch nicht, dass die Klausur so schlecht ausgefallen ist, wie keine Klausur des Geschichtskurses vorher. Damit war die Vier plus von Elaine noch im Mittelmaß und die glatte Zwei von Emma war die zweitbeste Note des ganzen Kurses. Nur verstanden die beiden Mädchen nun erst recht nicht, warum Elaine ihre Klausur erst nach der Stunde und in einem Einzelgespräch bekommen hatte. Doch dies schlossen die beiden darauf, dass Elaine in diesem Fach seit der Oberstufe niemals eine schlechtere Note als ein Zwei Plus im ersten Halbjahr der Einführungsphase geschrieben hatte.
Schnell holte sie ihr Notizbuch heraus und hakte ihren 21. Wunsch ab. Eine schlechte Note hatte sie nun wohl auch geschrieben. "Leute das müssen wir feiern. Was sagt ihr zu Kino?"
"Das klingt fantastisch." stimmten Raphael und Emma ihr zu.
Also liefen die Drei gar nicht erst nach Hause, sondern riefen direkt Niklas an und trafen sich danach mit ihm vor dem Kino. Sie entschieden sich für den Film Sing und die freundlichen Jungen gaben den Mädchen logischerweise die Kinokarten aus. Nur fanden die beiden Mädchen das nicht fair und bezahlten deswegen den Jungs das Popcorn. Wie sich herausstellte war der Film nicht wirklich der Knüller und deswegen fingen die Vier an sich zu langweilen. Dies regte aber das Ehepaar vor ihnen auf und immer wieder drehten diese sich zu den Vieren um. Dabei starrte der Mann die Jugendlichen wieder und wieder wütend an.
Lachend über den Blick ließ Emma ausversehen ein Popcorn auf das Haar der Frau fallen und so begann die Popcornschlacht. Während des Filmes landete mehr als die Hälfte des Popcornes nicht in den Mündern der Freunde, sondern im Saal oder auf anderen Kinogästen. Noch nie in ihrem ganzen Leben hatte das krebskranke Mädchen so viel Spaß im Kino, wie an diesem Nachmittag.
Laut gackernd verließen sie nach der Vorstellung den Kinosaal und bemerkten, dass direkt gegenüber gerade der Film Phantastische Tierwesen und wo sie zu finden sind begonnen hatte. Emma und Raphael waren sofort Feuer und Flamme. In der kurzen Zeit, die Elaine die beiden schon kannte, hatte sie gelernt, dass die beiden die wohl größten Potterfans der Welt waren. Somit wurden Niklas und sie schnell von den beiden überredet mit ihnen auch den Film anzuschauen. Bevor sich Raphael aber vollkommen dem Film zuwannte, griff er in Elaines Tasche und holte einen Stift und ihr Notizbuch hervor. Dann hakte er zwei neue Wünsche ab und gab beides an sie zurück.
Er hatte Recht, sie hatte nicht nur schon eine schlechte Note geschrieben, sie war dazu noch in zwei Kinofilmen gewesen ohne sie zu bezahlen und hatte dann andere Kinobesucher mit Popcorn abgeworfen. Dies war wirklich ein perfekter letzter Schultag im Jahr 2016 für sie gewesen. Morgen wäre dann Heiligabend und dann würde sie auch schon nach Australien fliegen. Noch nie hatte sie sich auf ihre Weihnachtsferien so sehr gefreut wie in diesem Jahr.

How I would like to say GoodbyeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt