VIERUNDFÜNFZIG oder wie Elaine sich ein letztes Mal aufmachte die Welt zu sehen

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Die Hochzeit war nicht das Einzige, was es für Josh zu feiern gab. Das frisch vermählte Paar hatte sich gegen eine Hochzeitsreise entschieden und dieses Geld lieber in Joshs Zukunft gesteckt. Denn nach langen hin und her hatte Liana ihn endlich überzeugen können, dass seine Zukunft hinter der Kamera lag und nirgendwo sonst. Auch seine Familie unterstützte seine Frau in dieser Hinsicht. Somit würde er bald ein Fotostudio in Hannover eröffnen und deswegen brauchten sie jeden noch so unbedeutend scheinenden Cent.
Ganz im Gegensatz zu ihrem Bruder packte Elaine aber am Tag nach der Hochzeit ihren Koffer. Endlich war es soweit und ihre Vorfreude auf ihre letzte Reise stieg immens. Jede Minute bis zum Abflug zählte sie. Natürlich würde Amerika nicht billig werden, aber ein bisschen hatte sie in den letzten Monaten gespart und ihr Vater hatte ihr dazu noch etwas unter dem Tisch zugesteckt. Dennoch hatte sie ins geheim Angst, dass das Geld doch nicht reichen würde.
Ihr Begleiter Raphael hatte dieses Problem nicht. Seine Eltern verdienten gut und finanzierten ihrem Ältesten die komplette Reise. Somit war es theoretisch für ihn kein Problem Elaine zumindest manchmal zum Essen einzuladen. So war zumindest sein Plan, doch die braunhaarige junge Frau war nun einmal ein bisschen eigen und mochte es so gar nicht, dass sie jemanden auf der Tasche liegen könnte. Dieses Thema hatte allein schon bei der Planung der Reise für den ein oder anderen Stretpunkt gesorgt. Dazu kam dann noch die Tatsache, dass die Beiden so gut wie ihren ganzen Aufenthalt durchgeplant hatten und somit auch Elaine die Zeit, die sie auch dort im Krankenhaus verbringen werden muss, eingeplant hatte. Den wahren Grund, weswegen Elaine einen Tag alle drei Wochen alleine verbringen möchte, hatte sie Raphael logischerweise nicht genannt. Sie war einfach froh, dass er es schlussendlich aufgegeben hatte danach zu fragen und dass sie zu ihrem Glück wirklich nur alle drei Wochen in ein Krankenhaus musste. Die restliche Zeit würde sie mit ihren Medikamten hoffentlich auskommen.
Aber auch wenn sie aus all diesen Gründen ein bisschen Angst vor der Reise hatte, so überwog doch das Positive und somit stand bei ihr die Vorfreude im Vordergrund.
Am Abflugsmorgen holte sie Raphael bei ihr Zuhause ab, da sie die Nacht in ihrem alten Zimmer verbracht hatte. Also gab es dieses Mal keinen rührseeligen Abschiedsmoment am Flughafen und wenn Elaine ehrlich war, war ihr das lieber so. Ihr Vater hatte nun einmal Angst um sie und auch ohne ihre Krankheit hätte er seine Tochter nicht ohne eine gewisse Sorge um seine Älteste verabschiedet.
Insgesamt fielen ihm Abschiede vor allem in der letzten Zeit immer schwerer. Er schien das Gefühl zu haben, dass jedes 'Auf Wiedersehen' das Letzte gewesen sein könnte, dass er von Elaine hören würde. Die Tatsache, dass sie selbst geplant hatte im Herbst zu sterben, hatte sie nämlich vor ein paar Tagen ihren engsten Verwannten eröffnet. Denn noch bevor sie ihren Abiball hatte, hatte sie ihren Todestag festgelegt und geplant. Nun gab es auch daran nichts mehr zu rütteln und dies hatte ihr irgendwie eine Last von den Schultern genommen. Vielleicht lag das daran, dass sie vorher immer gedacht hatte, dass sie möglicherweise doch nicht den Mut hatte ihren Plan in die Tat umzusetzten. Doch nun stand der Termin fest und somit gab es kein zurück mehr.
Also hatte sie es ihrer Familie anvertraut. Dora und ihr Vater waren ziemlich geschockt und seitdem verhielt sich ihr Vater noch fürsorglicher ihr gegenüber. Manchmal fühlte sie sich so, als würde man sie nur noch mit Handschuhen anfassen, dabei hatte sie alles getan, das genau dies nicht passiert.
Dies war ein weiterer Grund, weswegen Elaine sich auf Amerika freute. Dort würde nur Raphael bei ihr sein. Sie würde nur in der Begleitung des Jungen sein, der ihr dieses wunderschöne Gefühl gab, der ihren Bauch kribbeln ließ und ihr Herz zum überschlagen brachte. Aber vor allem war er immer noch so unwissend wie noch am Tag ihres Kennenlernens. Noch immer wusste er nicht, was für ein Geheimnis hinter den Wünschen steckte.
Denn auch wenn er es sich zu Beginn vorgenommen hatte hinter dieses Geheimnis zu kommen, so hatte er sich von Elaines Persönlichkeit ablenken lassen. Nun erschien es ihm schon sehr lange nicht mehr allzu wichtig zu wissen, warum er mit ihr diese ganzen Sachen unternahm. Viel wichtiger war es ihm überhaupt irgendetwas mit ihr unternehmen zu können. Jede Sekunde mit ihr war die neue beste Zeit seines Lebens. Also freute auch er sich tierisch auf die Amerikareise.
Ihre Sitzplätze im Flugzeug lagen neben einander und so freundlich, wie er war, überließ Raphael Elaine natürlich den Platz am Fenster. Es war auch einfach schön mitanzusehen, wie sich das Mädchen über den Ausblick freuen konnte.
Die Stunden vergingen und es wurde Nacht. Elaine wurde langsam müde und schlief schlussendlich mit dem Kopf auf den Schulter ihres Begleiters ein.
Schon im Flieger träumte sie davon, wie sie bald durch Big Apple spazieren würde und ein Lächeln legte sich auf ihre Lippen. Als sie ihre Augen das nächste Mal öffnete befand sich das Flugzeug im Landeanflug und endlich war es soweit.
Amerika erwartete sie.

How I would like to say GoodbyeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt