VIER oder wie Elaine 4 komische Eissorten probierte

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Raphael hatte recht behalten. In den nächsten Tagen liefen sich die beiden noch häufiger über den Weg. Doch wenn er sie sah, sprach er sie zu ihrem Bedauern nicht an. Er wunk ihr zu oder grüßte sie kurz. Aber einmal sprach er noch mit ihr. An dem Morgen fragte er nach ihrem Notizbuch. Zu der Überraschung von Lion gab sie es ihm direkt und er fotografierte die Wünsche ab. Ein weiteres Mal hatte sie Glück gehabt, dass er nicht die Seite umblätterte und deswegen ihre letzten zehn Wünsche sah. Auf den Seiten seines Fotos sah man nur 89 von den 99 und dies war ihr Glück.
Doch nach diesem kurzen Gespräche blieb Funkstille. Es interessierte sie aber auch nicht weiter. Außerdem wäre es auch zu schön gewesen, wenn er ihr wirklich geholfen hätte.
Heute war schon Donnerstag und damit waren nun seit Samstag schon fünf Tage vergangen. Fünf Tage in denen sie rein gar nichts für ihre Wünsche getan hat. Fünf Tagewar sie jetzt schon näher an ihren Tod und trotzdem war keiner ihrer Wünsche erledigt und abgehagt. Allein daran zu denken fühlte sich gleichzeitig komisch und faul an. Vor allem fühlte sie sich faul. Sie hatte ausgerechnet, dass sie pro Wunsch ca. drei Tage und einen halben Tag Zeit hatte. Bald waren schon sechs Tage um und kein Wunsch war erfüllt.
Missmutig starrte sie auf die Tafel. Ihre Lehrerin schrieb gerade eine Gleichung an die Tafel, die wir nun lösen sollten. Eigentlich war sie nicht schlecht in Mathe, eigentlich war sie die Beste in meinem Mathegrundkurs und eigentlich müsste sie sich nun melden, um meinen Notendurchschnitt zu halten.
Doch heute konnte sie sich einfach nicht dazu aufraffen ihren Arm zu heben, um sich zu melden. Heute entschied sie sich den anderen Schülern den Vortritt zu lassen. Sollten die mal diese Aufgabe lösen. Nur meldetete sich keiner und der Blick der Lehrerin wanderte durch die Reihen. Fast schon flehend blickte sie Elaine an. Sie sollte sich wohl melden, doch heute war ein komischer Tag. Heute tat sie mal nicht das, was sie sonst immer tat, was sie eigentlich tun sollte. Heute meldetete sie sich auch nach diesem Blick nicht und schaute einfach nicht aus dem Fenster.
"Will wirklich keiner diese Aufgabe vorrechnen?"
Stille im Klassenzimmer, scheinbar wollte das keiner. Schade aber auch, denn nun blickte ihre Lehrerin ein weiteres Mal ihre Schüler an, dieses Mal aber war ihr Blick suchend. Wenn sich keiner meldete, dann musste sie jemanden auswählen.
Elaine konnte mit grinsender Miene beobachten, wie so manch ein Schüler tiefer auf seinen Stuhl sank. Als würde das irgendetwas bringen. Immerhin stand die Lehrerin und konnte somit die ganze sitzende Klasse überblicken. Es war schon ziemlich lustig, wie verzweifelt ihre Mitschüler die Tafel anblickten.
Krampfhaft versuchte sie ein Kichern zu unterdrücken, als sie sah, wie der Junge vor ihr fast von seinem Stuhl fiel, weil er so tief schon auf seinem Stuhl hing.
Schnell wandte sie ihren Blick ab und schaute zum ersten Mal hinter sich. Vor Schreck holte sie zischend Luft. Wie konnte ihr nicht auffallen, dass ganz hinten in der Ecke Raphael saß. Noch nie hatte sie ihn in ihrem Mathekurs gesehen, was aber vielleicht auch daran lag, dass sie vorne saß und sich meistens nur auf die Tafel und ihre Lehrerin konzentrierte.
Aber dieses Mal schaffte er es wohl auch nicht sich von der Matheaufgabe zu drücken, denn genau ihn rief dieLehrerin nun auf.
Während er gemächlich nach vorne schlenderte, verfolgte sie jeden seiner Schritte mit ihren Augen. Als er an ihrem Tisch vorbei kam, ließ er eine Papierkugel auf ihren Tisch fallen. Verdattert schaute sie ihm in die Augen, doch er tat einfach so, als hätte er nichts gemacht und stellte sich an die Tafel.
Elaines Finger griffen nach der Kugel und falteten sie auseinander. Er hatte eine Nachrict drauf gekritzelt und sie musste feststellen, dass seine Schrift ziemlich schön aussah. "Nach der Schule an meinem Auto." Mehr stand dort nicht. Unschlüssig, ob sie der Anweisung folgen sollte oder nicht, steckte sie den Zettel in ihre Hosentasche.

Drei Stunden später musste sie dann ihre Entscheidung fällen. Sollte sie zu seinem Wagen gehen oder nicht? Aber was hatte sie zu verlieren? Nichts, also entschied sie sich einfach mal dazu zu ihm zu gehen. Heute war sowieso ein komischer Tag.
Sie musste feststellen, dass Raphael ein scheinbar ein sehr pünktlicher Mensch war, denn er wartete schon an seinem Auto auf sie. Sein Auto war nichts besonderes, es war dunkelrot und sah schon ziemlich gebraucht aus. Also ein typisches erstes Auto eines  Jugendlichen.
Ganz der Gentelman hielt er ihr die Tür auf.... Nicht... Raphael lief einfach um seinen Wagen herum, als er sie sah, und ließ sich auf den Fahrersitz fallen. Wartend blickte er sie durch das Autofenster hindurch an.
Kopfschüttelnd ließ sie sich neben ihn sinken. "Eigentlich sollte man einer Dame die Wagentür offen halten."
"Eigentlich sollte man das wohl tun." lachte er und fuhr los.
Immernoch kopfschüttelnd schaute sie aus dem Fenster und blickte direkt in Lion fragendes Gesicht. Sie hatte ganz vergessen ihn von ihren Plänen zu unterrichten. Schnell versuchte sie ihr schlechtes Gewissen zu vertreiben und schaute stattdessen zu Raphael.
"Wohin fahren wir?"
"Wirst du schon sehen."
Damit musste sie sich wohl oder übel zufrieden geben. Also genoss sie einfach mal das Gefühl mit dem Auto nach der Schule gefahren zu werden. Heute hatte Lion nämlich nah ihr Schulschluss und konnte sie deswegen Donnerstags nie nach Hause fahren. Somit hätte sie jetzt eigentlich mit dem Bus nach Hause fahren müssen.
Nach einer fünfminütigen Autofahrt kamen sie am Ortszentrum an. Ihre Stadt war nicht so wirklich groß. Sie waren nun einmal ein Vorort von Hannover.
Gemeinsam stiegen sie aus und Raphael lief vor ihr her. Er hielt in Richtung Eiscafé. Scheinbar hatte er wirklich einen Plan.
Grinsend zog er sie zu einem kleinen Tischchen im Café.
Sofort kam eine junge Bedienung zu ihrem Tisch gelaufen. Dies kam ihr schon ziemlich komisch vor, da das Café schon ziemlich voll war und ein paar auch noch nicht bestellt hatten. Aber sie beiden, die gerade erst hinein kamen, wurden sie direkt bedient.
"Was darf ich ihnen bringen?"
"Einmal bitte einen Eiskaffee und für Elaine bitte einmal vier Kugeln Eis." antwortete ihr Gegenüber einfach für sie.
Langsam wurde ihr klar, was er für den heutigen Tag vor hatte.
"Und welche Kugeln hätte sie gerne?"
"Einmal Gummibärchen-Eis, dazu noch eine Kugel Chilieis, eine Kugel Honigeis und noch eine Kugel Mango mit Banane."
Verwirrt blickte sie Raphael an. Woher kannte er bitte schön diese ganzen komischen Eissorten?
"Müssen sie nicht alles aufschreiben. Ich habe gestern mit dem Chef telefoniert. Sagen sie ihm einfach, dass Raphael jetzt da ist."
Nickend verschwand die Bedienung wieder. Lachend blickte er ihr hinterher. Scheinbar war er heute mal wieder sehr fröhlich drauf.
Nach weiteren sieben Minuten kam die Bedienung mit einem Tablett zurück. Ihr Eisbecher wirklte ziemlich mächtig und sie war sich nicht wirklich sicher, ob sie diesen Eisberg wirklich schaffen konnte.
"Einmal der Spezialbecher und den Eiskaffee. Dazu gibt es noch meine Handynummer für den Herrn." zwinkerte sie und drehte sich um. Während sie zum nächsten Tisch ging, schwing sie ihre Hüften noch stärker als vorher.
Doch zu Elaines Verwunderung schnaubte Raphael nur und versenkte den Zettel mit der Handynummer mit einem gezielten Wurf in den Mülleimer neben der Theke. Danach wannte er sich wieder ihr zu. "Dann lass dir deinen ersten Wunsch mal schmecken."
Denn dieser Eisberg war wirklich ihr erster Wunsch gewesen. Nun wo er vor ihr stand, fragte sie sich, warum sie das Bedürfnis hatte, diesen Wunsch aufzuschreiben.
"So, Elle, die letzten drei Tage habe ich einen Plan für die Erfüllung deiner Wünsche erstellt. Du hast viele schwere Wünsche und ein paar einfache. Mit diesen werden wir beginnen. Außerdem werden sich wohl viele deiner Wünsche vor allem mit der Zeit selbst erfüllen lassen. Zum Beispiel das mit der WG. Dies geht ja nur erst nach dem Abitur. Auch sind ein paar Wünsche mit anderen verbunden. Somit kann man diese auf einen Schlag erfüllen. Es gibt desweiteren Wünsche bei denen ich dir nicht helfen kann, die musst du alleine bewältigen. Immerhin kann ich nicht diesen Josh zum Heiraten zwingen."
Gespannt hörte sie ihm zu und so verbrachten sie den fünften Tag mit planen. Der Eisberg schmeckte ürigens sogar und wurde mit den Stunden immer kleiner. Zum Abend hin hatten sie einen Plan zusammen, wie sie die Wünsche einem nach dem anderen abarbeiten können. Ein Problem hatten die Beiden aber auch. Ihnen fehlte Geld, Geld für die vielen Reisen, die sie sich so dringend wünschte.

How I would like to say GoodbyeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt