NEUNUNDZWANZIG oder wie Elaine nach einem Jahr mal wieder religiös wurde

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Es war immer ein schöner Moment, wenn man an Heilig Abend in die Kirche ging. Dies empfnden auch die Engels so, auch wenn diese wie gesagt nicht so gläubig waren. Doch zu Weihnachten gehörte der Gottesdienst einfach dazu. Einmal hatten sie vor ein paar Jahren den Kirchgang weggelassen. Nur hatte sich dieser Abend nicht so angefühlt wie Helig Abend, sodass sie dann später in die späte Messe gegangen waren. Diese war zwar scheiße, aber zumindest hatten sie damit ihr Weihnachten nicht vollständig zerstört.
Es war eine eigentlich etwas ustige Geschichte. Die Moral aus der Geschichte. Auch wenn man nicht christlich erzogen ist, konnte es sein, dass eine Messe zu deiner Gewohnheit wurde und wie jeder weiß, sind Menschen Gewohnheitstiere. In der Kirche setzten sich die Sechs zum ersten Mal zu einer Familie, die sie kannten. Normalerweise beanspruchten sie einfach irgendeine Reihe möglichst weit hinten, damit niemand bemerkte, dass sie eigentlich so gut wie keine Ahnung von dem ganzen Kirchenzeug hatten. Doch dieses Jahr wurden sie schon an der Tür von der Frau Seitz empfangen, welche sie direkt einlud sich zu ihnen zu setzen. Glücklich mit Elaines Tante quatschend führte sie die Familie zu ihrer Reihe. Diese lag weiter vorne und dort wurde Elaine von ihr neben Raphael verfrachtet und Mia setzte sich ganz von selbst neben Fabian.
"Ich dachte ihr habt nichts mit der katholischen Kirche am Hut, obwohl ihr ja alle getauft seid?"
Sie zuckte mit den Sculter, als er ihr die Frage stellte. Vorher hatte sie nicht einmal gewusst, dass er auch nur irgendwas mit ihr und Kirche gewusst haben könnte. "Haben wir auch nicht, aber der Weihnachtsgottesdienst gehört einfach dazu."

Er nickte. Dann zog er sie auf die Beine, da der Priester die Kirche betrat. Die Messe begann.
Nach dem letzten Segen des Priesters war er dann endlich vorbei. Irgendwie war es heute noch ermüdender als es dem Mädchen sonst vorkam. Nur verschwand ihre Familie heute nicht direkt danach, denn sie wurden alle vielleicht etwas von der Familie Seitz eingenommen. Dora wurde von Rosa Seitz voll geplappert und ihr Vater hatte sich in einem Gespräch über Fußball mit Rosas Mann Klaus verwickelt. Von Mia wollte Elaine gar nicht anfangen. Es war mit ihr immer das gleiche. Ihre kleine 'coole' Schwester verwandelte sich in den größten Groupie der Welt, sobald Fabian in der Nähe war. Doch sie war nunmal in ihn verliebt, dagegen konnte keiner etwas machen. Sie selbst stand neben Raphael und hörte ihm und ihrem Bruder dabei zu, wie sie über etwas sprachen, von dem sie kein Wort verstand. Liana ging es scheinbar ähnlich, die blickte sie nämlich verwirrt an, während sie dort stand in der Umarmung von Josh. Aber es störte die beiden jungen Frauen nicht. Die rothaarige Künstlerin genoss jede Berührung ihres Freundes und auch Elaine genoss es in vollen Zügen, dass Raphael seinen Arm um ihre Taille gelegt hatte.
Schließlich verabschiedeten sich die beiden Familien dann von einander mit dem Versprechen sich mal zu treffen. Ein Versprechen, welches die beiden Familien in der Zukunft wohl häufiger einhalten würden, denn dieses ersten Aufeinandertreffen war der Beginn von einer langen Freundschaft.
Zuhause gab es dann ersteinmal das geliebte Weihnachtsessen, welches aus Spätzle und Rolladen bestand. Dazu gab es stets Rotkohl und leckere Soße. Jedes Familienmitglied vergötterte das Essen, welches jedes Jahr nur an diesem Abend gab. Dies war wohl auch der Grund, warum es soetwas besonderes war. Es war eine der vielen Familientraditionen der Familie und würde Elaine nicht schon in ihrer Jugend sterben, hätte sie jede einzelne von ihnen ihren Kindern weitergeben. Doch dazu würde es wohl niemals kommen. Aber vorher würde sie ersteinmal selbser eine Tradition beginnen. Zwar war sie sich noch  nicht sicher, wie diese Tradition aussehen würde, aber sie hatte noch neun Monate zum überlegen Zeit, was wohl hoffentlich genug Zeit war. Neun Monate hörte sich so lang an. Eine halbe Ewigkeit und doch alles was ihr blieb. Jedem Anderen an diesem Tisch blieben hoffentlich noch hunderte dieser halben Ewigkeiten oder zumindest fünfzig, womit ihr Vater dann immerhin schon fast 80 Jahre alt wäre, was ihrer Meinung schon verdammt alt war.
Wenn sie soviel Zeit hätte würde sie so viel Weihnachtsessen wie möglich verdrücken. Sie würde jeden Tag genießen, als wäre es ihr letzter. Denn jeder Tag war etwas besonderes. Dabei war es egal, ob es der 24. Dezember oder einfach nur irgendein Diensttag war. Das einzige Entscheidene war, dass es ein weiterer Tag deines Lebens war und damit zum größten Geschenk, das es gab gehörte. Es war dein Leben und egal wie scheiße es einem zwischendurch vorkam, war es nichts, was man einfach so weggeben sollte. Wie gerne, würde die Siebzehnjährige diese Sätze mal den selbstmordgefährdeten Menschen der Welt sagen. Zwar war sie bei solchen schlimmen Nachrichten auch immer von deren Mut überrascht. Sie könnte niemals den Mut dazu finden ihr Leben zu beenden, dennoch war es eine Schande, dass es Menschen gab, die ihr Leben so vergeudeten. Jeder hatte doch einen Grund, warum man weiterleben wollte. Doch auch sie verstand, dass für diese Menschen, manchmal genau dieser Grund verloren gegangen war und sie nun keinen anderen Ausweg als den Tod mehr sahen.
Dies fand sie dann noch trauriger, als die Vorstellung sich das Leben zu nehmen. Außerdem fiel ihr gerade auf, dass sie vielleicht nicht so tun sollte, immerhin hatte sie vor in ungefähr neun Monaten auch ihrem Leben ein Ende zu setzten. Sogesehen beendete sie auch ihr Leben und begann Selbstmord.
Wahrscheinlich war es dann an der Zeit ihr letzten Weihnachtsnachtisch richtig zu genießen, genauso wie ihr letztes Weihnachtsgeschenke auspacken, welches gleich danach folgen würde.
Für den heutigen Abend verbot sie sich jeden einzelnen Gedanken an ihren Tod und auch sonst jeden traurigen Gedanken. Heute stand ihre Familie im Mittelpunkt.
Das erste Geschenk von ihr, welches ausgepackt wurde, war das ihres Vaters. So wie jeder freute er sich sehr über ihr Geschenk und sie tat es auch bei jedem, das sie bekam. Zum Schluss teilte Josh seine Geschenke aus. Nur seiner Freundin gab er keins. Dies wunderte alle schon sehr. Aber am Schlimmsten war es wohl für Liana selbst. Diese sprach ihn darauf auch direkt an. "Und wo ist mein Geschenk?"
Ihr Tonfall war etwas bissig, dennoch ließ sich Josh nicht aus der Ruhe bringen. Er verließ noch  einmal den Raum und kam kurz darauf mit einem rießigen Karton zurück.
Lianas Augen wurden riesig und gespannt warteten alle darauf, was sie hervorholen würde.
In dem Karton fand sich ein Herz aus Rosenblüten und in der Mitte lag ein kleineres Geschenk. Auch dieses öffnete sie und holte eine einzelne Rosenblüte mit einem Ring drauf hervor. Auf dem Boden des Geschenks fand sich eine Karte und darauf stand die Frage aller Fragen. In Lianas Augen sammelten sich die Tränen und strahlend blickte sie ihren Freund an. Dann erst nickte sie und küsste ihn.
Genau in diesem Moment bemerkte seine Schwester, wie auf einmal die ganze Anspannung von ihm abfiel und er einfach nur glücklich war. Elaine freute sich sehr für die beiden und vor allem für ihren Bruder, welcher es geschafft hatte etwas unvergessliches zu planen.
Es war der perfekte letzte Heilig Abend, mehr hätte sie sich nicht wünschen können.

How I would like to say GoodbyeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt