17. Act my age

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Mein dummes Herz klopfte wie wild, als ich vor dem Gebäudekomplex stand, in dem Harrys Wohnung lag. Ich trat meine Zigarette aus, bevor ich das Wohnhaus betrat. Meine Gedanken und mein Herz dachten gar nicht daran, sich zur Ruhe zu setzen und einen entspannten Abend zu haben. Wie werde ich mich beim Kochen verhalten? Sollte ich danach direkt abzischen? Darf ich noch länger bleiben? Wenn ja, wie wird der Abend verlaufen?

Ich schüttelte mich noch einmal, ein Versuch die Nervosität loszuwerden, scheiterte jedoch kläglich, bevor ich klingelte.

"Ich mach aaaauf!", hörte ich von innen Gemmas Stimme, bevor auch schon die Tür von ihr aufgerissen wurde. "Louiiiiiiiiiiiis", quietschte sie hoch erfreut und streckte ihre Arme aus. Mit einem Grinsen hob ich sie hoch und setzte sie auf meinen Arm. "Na Kleine." - "Bist du wieder zum Malen da?", fragte sie mich, während wir gemeinsam die Wohnung betraten und ich die Tür hinter uns schloss. "Eigentlich... wollte ich zu deinem Bruder, damit wir heute gemeinsam kochen können." - "Jaaaaaaa, essen.", rief sie mir direkt ins Ohr und ich verzog kurzweilig das Gesicht, wegen der Lautstärke.

Harry kam auf den Flur und grinste uns breit an. "Hi.", sagte er lediglich. Er trug weiße Socken, eine schwarze Trainingshose und ein enganliegendes weinrotes Langarmshirt. Er schien eben erst geduscht zu haben, denn seine Haare waren noch leicht feucht und der Geruch des Duschgels kroch mir in die Nase. Ich weiß nicht, ob ich mich selbst dafür hassen soll, dass mir jedes Detail so genau auffällt.

"Hey.", antworte ich dann schließlich doch mit fester Stimme und setzte Gemma ab, um Schuhe und Jacke ausziehen zu können. Kaum hatte ich das getan, zog mich auch schon eine zierliche Kinderhand Richtung Küche. Auf dem Tisch lagen bereits Lebensmittel wie Vollkornnudeln, Karotten, Tomaten und Zwiebeln. "Was machen wir heute?", fragte ich in Harrys Richtung, als Gemma mich losgelassen hat und auf einen Stuhl geklettert war. "Ich dachte, wir fangen mit etwas leichterem an. Spaghetti Bolognese." - "Oh, ich liiiiiebe Bolognese.", freute ich mich und strahlte ihn an, doch er kicherte nur amüsiert. "Warum lachst du?", wollte ich von ihm wissen. "Du freust dich wie ein kleines Kind über Spaghetti. Das ist... amüsant.", erwiderte er, runzelte dann kurz die Stirn und drehte sich um, um in den Schubladen zu wühlen.

"Es schneeeeeeeeeeeiiiit." Erschrocken zuckte ich zusammen, als Gemma aufgeregt am Fenster auf und ab hüpfte und rumschrie. Wann war sie bitte aufgestanden und zum Fenster gelaufen? Ich ging die paar Schritte zu ihr und ließ mein Blick auch nach draußen in die Dunkelheit schweifen. Im Licht der Straßenlaternen konnte man erkennen, dass es tatsächlich schneite und das nicht gerade wenig. Ein wirklich schöner Dezemberauftakt.

"Louis, baust du mit mir einen Schneemann?" Noch bevor ich antworten konnte, hörte ich Harry seufzen, aber dennoch liebevoll sagen: "Gemma, da liegen drei Schneeflocken. Davon kannst du noch keinen Schneemann bauen. Außerdem wollen wir gleich essen." - "Mannooo..." Ich lächelte leicht und tätschelte ihr den Kopf, ehe ich wieder zur Küchenzeile ging.

"Womit fangen wir an?" - "Mit dem Zerkleinern der Zutaten. Hier - du kannst die Zwiebeln übernehmen." - "Willst du mich weinen sehen?"

Harry lachte und drückte mir ein Brettchen und die Zwiebeln in die Hand. "Vielleicht.", grinste er und nahm aus einer Schublade ein kleines Küchenmesser, welches er für mich auf die Theke legte.

Das Nudelwasser kochte bereits, als Harry einen Topf mit Öl erhitzte und mich bat, die Zwiebeln hineinzugeben. Danach erklärte er mir, was er sonst noch immer mit reinmacht, welche Gewürze und Kräuter, doch so richtig konzentrieren konnte ich mich nicht. Er stand mir so nahe, dass mir sein Aftershave völlig unvermittelt vor der Nase herumtanzte und mich angrinste. Er roch einfach zu gut.

Als das Essen fast fertig war, bat Harry Gemma darum den Tisch zu decken, was sie auch ohne Protest erledigte. Harry schien sie gut zu erziehen, denn wirklich frech habe ich sie bisher noch nicht erlebt.

Am Tisch selbst schnitt Harry dann die Spaghetti für seine Schwester klein, sodass sie alleine mit einem Löffel essen konnte. Erst als sie wirklich jedes Fleckchen vor ihr eingesaut hatte, rief sie "Feeeertig." Und ich konnte es mir nicht verkneifen leise zu lachen, als Harry sie mit hochgezogener Augenbraue musterte. "Dann geh schon einmal ins Bad und mach dich fürs Bett fertig." - "Ich will aber noch nicht schlafen.", erwiderte die Kleine und zog eine Schnute, die ich schon letztens im Kindergarten gesehen hatte. "Doch, kleine Kinder gehen um diese Uhrzeit ins Bett. Wir müssen morgen wieder früh hoch." Mit einem kleinen Stöhnen stand Gemma dann aber schließlich doch auf und ging ins Bad.

Tatsächlich stand sie wenig später in einem kunterbunten Pyjama und einem sauberen Mund vor uns. Wow, sind alle kleinen Kinder schon so selbständig? Das hätte ich wirklich nicht erwartet.

"Ich wasch noch eben zu Ende ab und dann bring ich dich ins Bett okay?" - "Liest du mir was vor?" - "Heute nicht Gemma. Du siehst doch, dass wir noch Besuch haben."

"Soll ich noch eben was vorlesen, solange Harry abwäscht?", mischte ich mich dann auch ein, damit ich nicht so nutzlos rumstand. Gemmas Augen wurden groß. "Jaaaaaaa!" Und schon zog sie mich in ihr Kinderzimmer.

"Der zauberhafte Wunschbuchladen.", las ich die Überschrift von dem Buch vor, welches Gemma mir reichte. Mit einem Lächeln im Gesicht setzte ich mich auf die Kante des Bettes, in welchem die Kleine bereits unter der Decke lag und mich erwartungsvoll mit ihren Rehaugen ansah.

Bereits nach zwei Seiten merkte ich die regelmäßigen Atemzüge von Gemma. Sie war ziemlich schnell eingeschlafen, sodass ich leise das Buch zuklappte und auf ihren Nachttisch legte. Zufrieden streichte ich ihr den Pony aus den Augen und gab ihr einen Kuss auf die Stirn, ehe ich ihre Decke noch ein Stück hoher zog und dann das Kinderzimmer verließ.

Vor der Tür blieb ich kurz stehen und schloss die Augen. Wann - wann bitte war ich so geworden? Früher mochte ich nie Kinder.

Ich schüttelte kurz den Kopf und ging dann ins Wohnzimmer, da in der Küche bereits das Licht aus war. Harry saß auf dem Sofa, Arme vor der Brust verschränkt, Kopf im Nacken und seine Augen waren zu. Doch als er die Geräusche von mir wahrnahm, hob er seinen Kopf. "Wo ist Gemma?" - "Sie ist eingeschlafen." - "Was? Wie hast du das gemacht? Danke...Du bist gebucht." Ich ging zum Sofa, setzte mich neben Harry und kicherte. Ich kicherte? Als ich mir dessen bewusst wurde, schlug ich mir innerlich gegen die Stirn. Das kann ja was werden.

Mit einem Seitenblick konnte ich ausmachen, dass Harry schon wieder die Augen geschlossen hatte.

"Ich muss morgen wieder arbeiten.", erklärte er mir nach kurzer Zeit ohne seine Augen zu öffnen. Wollte er mir damit durch die Blume sagen, dass ich gehen sollte? "Im Fotostudio?" - "Auch, aber erst in der Bäckerei."

Harry schlief fast ein und ich konnte mir gar nicht vorstellen, wie anstrengend es sein musste, zwei Jobs zu haben, ein Kind groß zu ziehen und zu verarbeiten, dass die Eltern bei einem Unfall verstorben waren. Und er war sogar noch zwei Jahre jünger als ich.

"Wann musst du aufstehen?" - "Um 2 Uhr." Ich schluckte schwer. Das ist quasi mitten in der Nacht, um diese Uhrzeit sitze ich noch oft in der Bar und kipp mir einen hinter die Binde.

"Was machst du mit Gemma?" Harry seufzte einmal, ehe er sprach: "Sie muss leider mitkommen, sie schläft dann dort weiter. Bis 7 Uhr muss ich arbeiten, dann wecke ich sie, mach sie fertig und bring sie in den Kindergarten. Danach gehe ich ins Fotostudio, aber da Freitag ist zum Glück nur bis 12." Seine Stimme wurde immer leiser und die Atemzüge regelmäßiger.

Das ist ein echt krasser Alltag und für ein Kind mit Sicherheit auch nicht die optimalste Lösung. Und dann kommen noch so Leute wie Zayn, die Sondertermine auf einem Samstag bekommen, oder Besoffene wie ich, die er nachts von der Straße retten muss. Mit einem Blick auf den Receiver stellte ich fest, dass er noch 5 Stunden Schlaf bekommen würde, wenn er JETZT sofort ins Bett gehen würde.

"Harry?"

Doch darauf erhielt ich keine Antwort mehr.

Where is the love - [Larry-AU] Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt