Es mein letzter Tag im Therapiezentrum, als ich meinen Koffer hervorziehe und anfange zu packen.
Morgen geht es wieder nach Hause und endlich sehe ich Harry und Gemma wieder. Und endlich lerne ich auch Charlie kennen, zwar hat Zayn mich jeden Tag mit Bildern versorgt, aber das ist einfach nicht das Gleiche.
Ich mache mir nicht wirklich die Mühe, meine Klamotten ordentlich zu verstauen, sondern stopfe einfach alles hinein. Schon jetzt weiß ich, dass Harry die Augen verdrehen wird, wenn er den Inhalt sieht und schon jetzt muss ich darüber schmunzeln. Was die Ordnung betrifft, ist er einfach das komplette Gegenteil von mir. Aber Gegensätze ziehe sich ja bekanntlich an, stimmt's?
Nach etwa einer viertel Stunde sehe ich mich noch einmal im Zimmer um. Nur ein paar Kleinigkeiten, die ich noch bis morgen benötige liegen rum. Mit meinem Handy mache ich noch ein paar Fotos, damit ich die auch Gemma und Harry zeigen kann, wenn ich von meinem Aufenthalt berichte. Nachdem das erledigt ist, lasse ich mich rücklings aufs Bett fallen und scrolle durch mein Handy. Wieder lande ich in einem Forum für Schwangere und Eltern und lese mir Erfahrungsberichte und Empfehlungen durch.
Ich zucke zusammen und mir fällt mein Smartphone auf die Nase, als es plötzlich klingelt. Aua... Während ich mit der einen Hand über meine Nase reibe, nehme ich mit der anderen das kleine Gerät wieder. Es ist mein Wecker und das heißt, dass ich mich nun zu meiner letzten Einzeltherapiesitzung aufmachen muss. Fast finde ich es schon ein bisschen schade, dass es zu Ende geht. Ich habe mich hier wirklich wohl gefühlt, alle waren nett und zuvorkommend und mit Taylor habe ich mich auch angefreundet. Leider ist sie schon seit 4 Tagen wieder weg, sodass ich die restlichen Tage ein bisschen einsam war, aber umso mehr freue ich mich auf mein Zuhause.
Ächzend erhebe ich mich, stelle das Handy auf lautlos und stecke es in meine Hosentasche, ehe ich mich auf den Weg mache.
"Hallo Louis, wie geht es dir?", fragt mich Grace, die mich die ganze Kur über begleitet hat, als ich wenig später im Therapiezimmer sitze. "Gut. Mir geht es super. Aber ich freue mich auch auf Zuhause." Sie lacht kurz und nickt dann. "Ja, das glaube ich dir. Ich bin eben noch einmal deine Unterlagen durchgegangen, die mir auch die anderen Therapeuten gegeben haben und ich muss sagen, dass ich wirklich stolz auf dich bin. Du hast eine großartige Entwicklung durchgemacht. Ich bin mir sicher, dass du deinen Weg machen wirst. Dennoch möchte ich dich noch auf ein paar Dinge hinweisen...", beginnt sie die Sitzung.
Ich nicke und höre ihr aufmerksam zu. "... So eine Kur kann nicht von heute auf morgen dein Leben umkrempeln. Eine Lebensänderung ist ein viel langwierigerer Prozess, aber diese Kur hier bei uns ist ein gutes Sprungbrett. Du musst zu Hause weiter an dir arbeiten, versuche nicht in alte Muster zu fallen. Und wenn dir auffällt, dass es doch passiert, ziehe rechtzeitig die Notbremse. Vertraue dich Personen an, die dir nahe stehen oder sprich mit einem Therapeuten. Lass dir helfen. Ich gehe davon aus, du hast hier gelernt, dass sprechenden Menschen geholfen werden kann. Wenn man sich einigelt und alles mit sich selbst ausmachen will, geht das oft schief."
Ich weiß, dass sie ihre Worte ernst meint, dennoch lächelt Grace mich liebevoll an. "Ich weiß, das habe ich verstanden.", antworte ich ihr ebenso lächelnd und dass ich es verstanden habe, meine ich genauso ernst. Ich habe es wirklich kapiert, auch wenn es länger gedauert hat.
"Das ist schön, Louis. Ich habe von Holly gehört bekommen, dass ihr darüber gesprochen habt, dass du eine Art Tagebuch führst?", fragt sie mich dann. "Naja, nicht ganz. Also ich werde mir zwar ein Buch zulegen, aber darin eher sowas wie Lieder und Gedichte, die meine Gefühle ausdrücken, schreiben.", erkläre ich ihr. "Das finde ich eine großartige Idee. Was ist mit deinem restlichen Lebensstil? Möchtest du etwas ändern?"
"Also... der Sport hier hat mir wirklich viel Spaß gemacht, das werde ich wohl weiter machen. Mein Freund geht auch ins Fitnessstudio und bei der Ernährung wird er mich auch unterstützen. Auf Alkohol werde ich weitestgehend verzichten. Zuhause werde ich mir auch noch einen Therapeuten suchen, der mich unterstützt. Außerdem soll ich ab und zu abschalten, also mal die Augen zu machen und Musik hören, vielleicht auch selbst musizieren und dann will ich..." Ich stoppe, als ich Grace lachen und den Kopf schütteln sehe. "Louis, es ist wirklich bemerkenswert wie ambitioniert und ehrgeizig du bist, aber nehme dir nicht zu viel auf einmal vor. Das geht nur schief, glaub mir. Mach lieber langsame Schritte, ändere erst ein oder zwei Dinge. Wenn das routiniert klappt, kannst du dir die nächste Sache vornehmen. Ich mache dir einen Vorschlag, Louis."
Fragend hebe ich eine Augenbraue: "Und der wäre?" - "Ich lass dich gleich etwas alleine und du schreibst eine Liste mit Dingen, die du ändern oder erreichen möchtest. Diese Liste verwahre ich hier für dich und in genau einem Jahr schicke ich sie dir per Post. Dann kannst du sehen, ob du alles geschafft hast oder ob deine Ziele doch zu hoch gesteckt waren. Was hältst du davon?" Ich überlege kurz, nicke dann aber. Was habe ich schon zu verlieren, außer dass ich mich nächstes Jahr vielleicht selbst ärgere, wenn ich nicht alles geschafft habe. Lächelnd reicht Grace mir dann einen Block sowie einen Kugelschreiber.
Bevor sie den Raum verlässt, legt sie noch kurz ihre Hand auf meinen Arm. "Eine Sache möchte ich dir auch noch sagen, bevor du deine Liste anfängst. Ich finde es toll, dass du deinen Freund in viele Dinge mit einbeziehst, aber achte bitte darauf, dich nicht von ihm abhängig zu machen. Das ist keineswegs böse gemeint, versteh mich nicht falsch. Aber du musst auch alleine leben können, eine Trennung kann immer passieren, auch wenn man nicht daran denken oder glauben will. Am Anfang ist es sehr hilfreich, wenn er dir viel hilft, aber nabel dich irgendwann ab. Lerne selbst zu kochen, gehe auch mal alleine zum Sport oder schreibe ein paar Zeilen für jemand anderes, als für deinen Freund."
Ich kräusel die Stirn und blicke sie nachdenklich an. "So... habe ich das noch gar nicht gesehen.", sage ich leise. "Habe ich mir gedacht. Lass es dir durch den Kopf gehen. Gut... dann lass ich dich jetzt mal alleine, du kannst den Block danach einfach auf meinen Schreibtisch legen. Louis, ich wünsche dir für die Zukunft alles Gute. Du bist eine sehr starke Persönlichkeit, auch wenn du manchmal an dir selbst zweifelst. Rede dir das nicht ein, du weißt, was du alles kannst. Ich freue mich, dass du bei uns warst und wir dir helfen konnten, die Unordnung in deiner Seele etwas zu beseitigen. Der Grundstein ist gelegt und jetzt heißt es weiter daran arbeiten. Scheue dich nicht, hier anzurufen, wenn etwas sein sollte.", sagt sie noch und erhebt sich. Ich stehe auch auf und lächle sie an. "Danke Grace, wirklich. Danke für alles. Ich weiß gar nicht, was ich noch alles sagen soll. Aber ich weiß eure Hilfe einfach so sehr zu schätzen." Am liebsten hätte ich sie umarmt, da sie schon etwas mütterliches an sich hat, aber wir sind immer noch Therapeut und Patient. Eine Umarmung wäre also etwas merkwürdig. Grace reicht mir die Hand und schnell greife ich danach.
Mit einem Zwinkern verlässt sie dann den Behandlungsraum und lässt mich mit Block und Stift alleine. Seufzend setze ich mich wieder und setze den Stift an.
Am Nachmittag gehe ich wieder in den kleinen Fitnessraum und führe meine hier angeeignete Routine durch. Zunächst das Warmmachen auf dem Laufband, gefolgt von den Ganzkörperübungen auf der Matte und zum Schluss das Gerätetraining.
Beim Abendessen werde ich dann tatsächlich etwas wehmütig, als ich mich zu einem anderen Patienten setze, den ich in der Gruppentherapie kennengelernt habe. Sie alle werde ich nie wieder sehen. Außer vielleicht Taylor. Mal sehen, sie wohnt immerhin drei Autostunden von mir entfernt.
Als ich am Abend im Bett liege, überlege ich, ob ich direkt zu Harry fahre oder zu mir nach Hause. Wir haben noch gar nicht darüber gesprochen. Mit einem Blick aufs Handy stelle ich fest, dass es jetzt auch zu spät ist, um zu schreiben. Er wird in ein paar Stunden schon wieder aufstehen müssen, um in der Bäckerei zu arbeiten. Gott, bin ich froh, wenn das vorbei ist und er nicht mehr rund um die Uhr arbeitet.
Seufzend drehe ich mich auf die Seite, lege ein Bein über die Decke und habe nur noch einen Gedanken, bevor ich einschlafe: Harry. Morgen sehe ich ihn endlich wieder...
DU LIEST GERADE
Where is the love - [Larry-AU]
Hayran KurguFremde würden sagen, Louis ist ein unangenehmer Zeitgenosse und man solle ihm lieber aus dem Weg gehen. Mit seinen 26 Jahren trinkt, raucht und flucht er gerne, zudem darf fast jedes Wochenende eine andere Frau sein Schlafzimmer kennen lernen. Er le...