Kapitel 1

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Ich rannte und rannte. Die kalte Nachtluft kühlte meine heißen angeschwollenen Wangen ab. Tränen rannten mein Gesicht hinab, die ich immer wieder mit meinem Ärmel abwischte. Ab und zu entkam meiner Kehle ein heiseres Schluchtzen. Meine Füße taten weh. Ich war schon zu lange gerannt, aber den Schmerz ignorierte ich gekonnt. Es interessierte mich nicht, kein Stück.
Laternen waren das einzige, das mir meinen Weg erleuchtete. Kein einziger Stern war am schwarzen Nachthimmel zu sehen und sogar vor dem Mond lag ein Schleier. So verschwommen.

Ich beschleunigte meine Schritte, wenn ich an mein Ziel dachte. Der Asphalt unter meinen Füßen war rau, dunkel und kalt. Ich beachtete ihn fast nicht. Ich dachte nur an mein Ziel, allein daran.
Ich bog ab in die nächste Straße, als ich mich mit meinen geschwächten und vor Schmerz brennenden Beinen verhedderte und anschleißend stolperte. Ich kippte vorne über und kam hart mit meinem Kinn und meinen Unterarmen auf dem Boden auf und schlitterte 2 Meter weiter. Ich gab einen schmerzerfüllten Laut von mir. Es brannte höllisch. Ich drehte meinen Unterarm zu mir und erkannte aufgerissene Haut. In der Schürfwunde befand sich der Dreck vom Bürgersteig. Ich schrie einmal auf laut auf und haute mit meiner Faust auf dem Boden.
Knack.
Und nochmal.
Ein weiteres Knacken.
Ich wiederholte es und wiederholte es. Und weitere Tränen rannten ihren Wettlauf mein Gesicht entlang.
Ich stützte langsam meinen Oberkörper mit meinen Händen ab und zog meine Knie an, damit ich mich auf meine Füße stellen und mühselig hochdrückten konnte. Ich bewegte meine Beine wieder und ließ mich nicht abhalten.

Nutzloses Stück Dreck

Ich ballte meine Hände zusammen und drückte meine Nägel in mein Fleisch, bis ich eine warme Flüssigkeit in meiner Innenhand fühlen konnte. Ob es Blut oder Schweiß war, blieb mir gleich.

Nur noch 100 Meter, dann war ich da. Innerlich musste ich lächeln, aber um wirklich meine Mundwinkel hochzuziehen, fehlte mir die Kraft und der Willen. Mein ganzer Körper tat weh. Die Qualen waren fast unerträglich.

Erneut wollte ich um die Ecke laufen. Ich hörte schon das Meer leicht rauschen.

So nah und doch so weit entfernt.

Aufgrund der Stille der Nacht, war es möglich jede Geräusche wahrzunehmen.
Ich bog also ab und in der Sekunde, in der ich schon die letzten Häuser der Hausreihe sehen konnte, nahm ich ebenfalls ca. 2 Meter vor mir eine Gestalt wahr. Aber leider zu spät, um noch ausweichen zu können.
Mit einem dumpfen Geräusch krachten wir aneinander. Und mit einem hörbaren Luftausstoßen fiel ich nach hinten und die Person vor mir taumelte nur leicht rückwärts. Es war ein schwerer, muskulöser Körper. Da ich eher zierlich war, bekam ich den Zusammenstoßem wohl mehr zu spüren. Ich kam auf meinen Unterarmen auf, mit denen ich mich abstützten wollte. Jedoch vergaß ich natürlich in dem Moment des Schreckens meine verletzten Arme. Ich zischte leise auf.
Warum musste sowas immer mir passieren.

Ich rappelte mich auf, nuschelte eine Entschuldigung und wollte meinen Weg eigentlich fortsetzen, doch hatte ich die Rechnung mit der Person vor mir nicht gemacht. Auf Grund seiner Körpermasse schätzte ich ihn als einen Mann ein.
Der Typ hielt mich am Oberarm fest und wirbelte mich herum. ,,Was-"
Ich bekam garnicht die Möglichkeit etwas zu erwidern, da ich ihm erst jetzt richtig ansah und einen kurzen Augenblick überwältigt war.
Dank des schwachen Lichtes der Laterne, unter der wir standen, konnte ich nicht alles genau erkennen, jedoch das meiste.

Seine definierten Wangenknochen stachen herb hervor, sein Kiefer war ebenfalls markant, seine Augen ein helles Grau, seine Haare schwarz und so gut wie perfekt und seine Lippen geschmeidig geschwungen mit einem leichten Lächeln, das sofort verschwand, als er mir ins Gesicht schauen konnte. Er sah leicht entsetzt aus und ich muss sagen auch leicht überfordert. Aber verständlich. Mein Gesicht war tränenüberstörmt und ich war voller offener Wunden. Wer würde da nicht starren? Richtig, keiner... Wahrscheinlich würden die meisten nicht mal was hinterfragen. Sie würden anschauen, aber nicht reagieren. Hat mir bisher nur einer mal ein Taschentuch im Bus gereicht, als ich still vor mich hin geweint hatte? Hat einer dieses Kind angesprochen? Hat mich ein Lehrer auf meine auffälligen Narben angesprochen, obwohl sie es gesehen hatten? Hat jemand mein 12jähriges-Ich beruhigt, als ich weinend im Park gesessen hatte? Hat es jemanden gekümmert? Nein, sie haben nur gestarrt, nur beobachtet. Wie ein Tier im Zoo hatte ich mich gefühlt.

Ich fühlte mich unter seinem Blick unwohl, weil er mich so genau musterte. Ich versuchte seinen Arm abzuschütteln. Nach wenigen Sekunden ließ er diesen auch langsam los. Ich schaute zu meinen Füßen. So unangenehm.
Renn doch weiter, schrie meine innere Stimme.
Schwach! Tu es jetzt!
Aber irgendwas hielt mich davon ab.

Reiß dich zusammen.

Ich wollte mich gerade wieder umdrehen, jedoch erklang mitten in meiner Bewegung seine durchaus tiefe und ruhige Stimme.

,,Gehts dir gut?"

Ob es mir gut geht? Ich musste kurz auflachen. Aber nicht herzlich, sondern stumpf. Ob es mir gut geht? Mir wurde das hier zu unangenhem. Ich senkte wieder meinen Blick und machte mich weiter auf meinen Weg.
Gut, geh weiter.

Ich spürte den Blick des Mannes in meinem Nacken, den ich jedoch ignorierte.









Das war das erste Kapi:)

Ich hoffe es hat euch gefallen. Könnt mir gerne ein Feedback dalassen. Konstruktive Kritik gewünscht!

^^bis dann

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