Ich biss mir unbewusst auf die Unterlippe und ging menen Gedanken nach.
Er schenkt mir etwas, was ich zuvor noch nie erhalten habe... Eine Sütze. Er schenkt mir eine Art Zuneigung, die ich das letzte mal in dieser Form bei meiner Mutter verspürt habe.
,,Tzz, also hab ich Recht." Erschrocken sah ich hoch in sein Grau. Wie ein regnerischer Nachmittag in den Straßen einer grauen Stadt sah es aus. So kühl.
,,I-ich nein, also ja, aber nicht so wie du denkst."
Nick gab ein abfälliges Schnauben von sich, während seine Halsschlagader wieder stark zu pochen anfing.
,,Kaum zu glauben, wie schnell du von einem dahergelaufenen Typen beeindruckt bist. Ich dachte, du seist etwas weniger oberflächlich."Die Härte und Kühle in seiner Aussage schmerzte irgendwie. Ich wusste schon immer, dass ich eine sehr sensible und empfindliche Person war, aber dass mir Nick schon nach so kurzer Zeit mit einfachen Worten wehtun konnte, war mir ein Rätsel. Eher beunruhigte es mich, immerhin hatte ich Jahre lang kein Bezug zu Menschen und dass mir jemand außer meine Familie richtig am Herzen lag, war lange her. Ich wurde schon immer gemieden, schon im Kindergarten war ich die unsichtbare Außenseiterin. Ich habe selten gelacht, war still, öffnete meinen Mund leider nicht in den richtigen Momenten, stand immer allein in den Pausen rum und ließ mich wie der letzte Dreck behandeln, zumindest hatte ich damals zu Hause jemand, der mich liebt.
Aber warum war ich so?
Ich wusste es nicht...
Vielleicht lag es daran, dass ich nie jemand sein wollte, der auffiel. Ich war lieber in meiner ruhigen Ecke und beobachtete das Geschehen aus sicherer Entfernung. Es beschaffte mir innerliche Sicherheit, jedoch schämte ich mich auch oft für meine Art.
Als man sich wieder über das pummelige Mädchen aus der Klasse unter mir von ihren Mitschülern lustig machte und sie demütigte, wäre ich so verdammt gerne dazwischen gegangen und hätte diesen hirnlosen, egoistischen und widerlichen Menschen meine Meinung gegeigt. Zum Schluss hätte ich ihnen allesamt gerne eine verpasst und wäre mit der verschüchterten und vereinsamten Thalia Eisessen gegangen.
Ich hätte mir schon fast vorgestellt, mich mit ihr anzufreunden, da wir nun mal ziemlich ähnliche Probleme hatten. Jedoch entspach das alles wieder mal nur meiner traurigen Fantasie. Ich hätte ihr gerne geholfen, ich wäre gerne als Unterstützung zu ihr getreten (auch wenn wir zu zweit nicht viel mehr hätten anrichten können, jedoch sah ich eher die mentale Untersützung), ich hätte für sie da sein können, so wie ich es mir wünschte, wenn Maddox, Jason und Valentin zu mir kamen, ich hätte jemand sein können, auf den mein jetziges Ich hätte stolz sein können.
Wie ich dieses Wort "hätte" nur hasste.
Er verändert die ganze Vorstellungskraft. Wie schön die Welt hätte sein können.
Thalias blonden schulterlangen Haare hingen ihr damals wie ein Vorhang im Gesicht, der das tränenbedeckte Gesicht verdecken sollte. Jedem auf dem Schulflur war natürlich klar, dass sie Tränen verströmte, doch keiner regte sich. Keiner wich aus seiner Starre und hielt die Faust von den Menschen auf, die Thalia in die Ecke gedrängt hatten. Keiner rief die Lehrer, keiner holte Hilfe, keiner sagte etwas... Entweder man ging weiter oder man betrachtete das grausame Spektakel mit entweder mitleidigen oder gehässigen Augen.
Mir half man auch nie. Im Kindergarten verstand man es als Kinderkram, in der Grundschule waren es kleine Raufereien, in der weiterführenden Schule wurde es nicht mehr kommentiert und dann nur noch ignoriert. Zu Hause wird man für solche Aussagen belächelt, weil sie selber nie dabei waren. Erzählungen können keine Gefühle in diesen Momenten übertragen. Jeder versteht es anders. Emotionen in Erzählungen werden immer verschieden interpretiert. Dafür kann weder der Erzähler war, noch der Zuhörer.. Es ist ein reines Kommunikationsproblem.
Ich war ein grausamer Mensch, wenn ich genau wie die waren, die ich verfluchte, wenn ich dran war. Und das war schwach, beschämend.
Zu Nicks Feststellung konnte ich rein gar nichts erwidern. Es wäre fast so, als hätte ich einen großen Stein verschluckt, der nun tief und schwer in meinem Magen sitzt und mir das Leben schwer macht. Ich wusste doch, wie Menschen einem das Leben zur Hölle machen konnten und umso mehr war ich von mir enttäuscht, dass ich den Leidenden ebenfalls nur stumm zuschauen konnte. Es fühlte sich schrecklich an umd bei jeder Sekunde, die verging, wollte ich mich um so mehr verändern.
Aber wie kann man den Charakter eines Menschen ändern?
Es gibt in ein paar Kapiteln (ca. 4) wieder die Sicht von Nick, die euch anscheindend lieber ist:D
Bis dahin aber nur welche aus Caprice Sicht.

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Besessen
Roman d'amourSie lernt einen jungen Mann kennen. Dieser jedoch zeigt schon nach kurzer Zeit seine dominante, selbstsichere und einschüchternde Art, mit der das zurückhaltende Mädchen mit schlimmer Vergangenheit sehr zu kämpfen hat. Er will sie und lässt sie nich...