Kapitel 21

8K 236 15
                                    

Meine Beine zitterten und ich bekam Angst, sie würden jeden Moment einknicken. Ich machte mich auf alles gefasst und presste meine Lippen hart aufeinander.

Ich hatte früher nie solche Angst vor meinem Vater gehabt. Sie hat sich erst entwickelt, als sein Alkoholkonsum angefangen hatte. Vorher war er der beste Dad, den man sich hätte vorstellen können. Er, meine Mutter und meine Schwester Loren waren alles für mich. Und ihr Tod war der Wendepunkt all dessen. Deswegen wollte ich früher immer zu ihr in den Himmel. Trauer und Wut leiteten mich zu Dingen, die ich vorher nicht einmal in Erwägung gezogen hätte. Trauer, da ich sie nie wieder sehen würde und Wut, weil ich sie mich hier alleine zurückgelassen hat. Aber dann sah ich ein, dass dieser Zorn reiner Egoismus war und so versuchte ich ihn zu zügeln. Es brachte schließlich nur Kraftverluste. Und Mama hat immer gesagt, ich solle meine volle Konzentration nur dem widmen, das auch den Wert hat, um darum zu kämpfen. Früher hab ich den Rat nicht immer verstanden, aber jetzt ist es mir klar geworden.

Meine Gedanken wurden durch meinen Erzeuger unterbrochen, der, wie ich bemerkte, nun seinen Mund öffnete und mit leeren, kalten und fast schon monotonen blauen Augen in meine sah. ,,Hab ich dir nicht ausdrücklich verboten neue Klamotten zu kaufen?" Meine Augen weiteten sich vor Irritation.

Was?

Er nickte zu meinem schwarzen viel zu großen Oberteil. ,,Du bringst das Fass echt noch zum Überlaufen." Er stand genervt auf und kam wankend auf mich zu. ,,Du suchst dir die nächsten Tage einen Job oder du wirst aus dem Haus geschmissen. Nur Geld verbrauchen, aber nichts als Gegenleistung tun... Egozentrik ist eine ganz widerliche Eigenschaft."

Mein Vater kam mir immer näher und ich kniff schon meine Augen zusammen.

Ich wartete auf Prügel oder sonst etwas, aber alles, was ich hörte, war, wie er an mir vorbei lief.
Er lief einfach an mir vorbei.
Er hat kein einziges mal etwas bezüglich meines Verschwinden gesagt.
Die Tatsache, dass seine blauen Augen nichts als Gleichgültigkeit ausgestrahlt hatten, tat mehr weh, als der Zorn bei jedem Schlag, den ich erwartet habe.

Es war ihm egal, dass ich verschwunden war.
Ich war ihm egal.

Ich hörte das Knallen der Haustür im Hintergrund.

Und es tat unfassbar weh. Keine Demütigung ist schlimmer, als Luft für die Menschheit zu sein und im Schatten derer zu stehen. Früher dachte ich immer Einsamkeit sei besser, als Aufsehen zu erregen, aber das war falsch.

Einsamkeit schmerzt.

Papa hat sich keine Sorgen gemacht, die Polizei benachrichtigt oder allein einen Gedanken an mich verschwendet. Ihm war egal, ob seine Tochter existierte und das war das, was mich kränkte.

Ich hätte es wissen müssen. Was hab ich denn erwartet? Dass er mich in den Arm nimmt, wie ich es schon seit Jahren mir hoffnungslos wünsche? Dass er mir seine Liebe zeigt, indem er sauer ist, weil ich weg war, ohne Bescheid zu geben? Ich sollte jegliche Hoffnung an einer Fantasiewelt entfernen. Sowas wird niemals passieren.
Ich war meinem Vater nicht wichtig. Und ich war so egoistisch zu denken, ich wäre es.

Scham überkam mich.

Er hat Recht, ich bin eine egozentrische Person und genau das ist das letzte, was ich sein wollte.

Was hab ich mir nur gedacht?

Mein Blick war immernoch geradeaus auf den Tisch gerichtet. Ich begutachtete das fein geschnitzte Eichenholz. Jede noch so kleine Kerbe hat eine kleine Geschichte. In der einen hatte ich mit Loren mit kleinen Figürchen gespielt. Die Hufen der Pferde formten ein paar Dellen in die Platte, woraufhin Mama in die Küche gekommen war und uns zur Schnecke gemacht hatte, was uns einfallen würde und dass wir oben spielen gehen sollten. Jetzt würde sie nie wieder durch diese Türschwelle gehen und mich fragen, wie meine Arbeit war. Sie wird nie wieder ihre Törtchen auf den Tisch abstellen, die aus ihrem Café stammen, um uns eine Freunde zu machen und nie wieder werde ich ihre weichen Lippen auf meiner Stirn fühlen bei den snaften Küssen, die sie mir jeden Abend vor dem Bettgehen gab.

Ich fuhr mir einmal mit meiner Hand über meine müden Augen.

Was hab ich mir nur gedacht?

Schleppend lief ich in mein Zimmer. Es war dunkel, aber der Mond erfüllte es mit einem gräulich-silbrigem Licht, weswegen ich das meiste noch erkennen konnte.
Es war kühl. Kein Geräusch war zu hören und das machte mich krank. Diese Stille brachte mich zum halluzinieren. Es kam mir vor, als würden Stimmen kreischen. So eine Ruhe und doch so laut. Es piepste in meinem Ohr und ich presste meine Hände auf diese.

,,Seid still!"

Geflüstere, als würde jemand direkt neben mir stehen und dessen Stimme in meinen Kopf eindringen. Sie verlor sich in den tiefen meines Kopfes und hallte unerträglich.

Wir brauchen kein zweites Kind.

Ich presste meine Augen zusammen und meine Ohrmuscheln wurden von meinen Händen taub.

,,Nein!"

Doch die Laute meiner selbst drangen in mein Bewusstsein ein. Sie streuten wie Krebs und verunreinigten mein Blut. Die sprachen die Tatsachen aus, die schon immer in meinem Kopf herumschwirrten.

So ein Geschmack hat doch kein Typ.

Meine Arme zitterten vor Anstrengung.
Das Geflüster brachte in mir eine Übelkeit hervor, die mich wünschen ließ, meine Magensäure könnte meinen Rachen hochgepumpt werden und meine Zunge verätzen. Es brachte mich dazu, zu wünschen, dass diese ekelerregende Säure gleich noch meine Organe beschädigt und bis zu meiner Haut durchdringt. Sie sollte mich von Innen heraus töten.

Wieder fühlte ich meine Augen feucht werden. Die salzige Flüssigkeit ist aus den Tiefen meines Körpers gedrungen und gelang nun zur Oberfläche. Nach einer kleinen Menge an dieser Bildung, schwappe es über mein unteren Wimpernrand und floss anschliesend meine Wange hinab bis zu menem Kinn. Anschließend tropfte sie ab und fiel zu Boden.
Doch den Tränenfluss konnte ich nicht stoppen. Immer mehr des salzigen Wassers befeuchtete mein Gesicht.

Nutzloses Stück Dreck.

,,Halt die Klappe!!", kreischte ich lautstark.
Ich drehte mich frontal an meine raue Zimmerwand und lehnte meinen Kopf dagegen.

Deine Mutter würde sich für dich schämen.

Ein weiteres Kreischen hallte durch das Haus und ich legte meinen Kopf etwas in den Nacken, nur um ihn daraufhin hart gegen die Wand zu schlagen. Ein heftiges Ziehen machte sich in meinem Schädel breit. Aber dieser Schmerz vertrieb die Stimmen. Er machte den Rest meines Körpers taub.
Und das war es, was ich wollte.

Wieder legte ich den Kopf zurück und schlug ihn nun mit einer härteren Wucht dagegen. Und es fühlte sich befreiend an, weil der Schmerz alles andere ausblendete und gleichzeitig meinen eh schon zerfressenen Kopf zertrümmerte.

Ich wiederholte es nach wenigen Sekunden und schon flog mein Schädel kräftiger dagegen. Ich spürte, wie mir etwas die Stirn hinuter floss, an meiner Nase seitlich vorbei, über meine Lippen, bishin zu meinem Kinn.
Ich zog meine Mundwinkel nach oben und stützte meine Hände rechts und links von dem roten Fleck an der grauen Wand ab.

Ich bedeute ihnen nichts, sie bedeuten mir nichts.

Ich ballte meine Hände zu Fäuste und bohrte meine Nägel in mein Fleisch.

Ich binde mich an Menschen und Dinge, die psychologische Bedürfnisse erfüllen. Ich binde mich im Prinzip an Erinnerungen und so an ein paar Mitmenschen, wie Catherine, weil ihr Charakter denen aus meiner Vergangenheit ähnelt. Um diese Bindung dann zu festigen, werden Endorphine und Hormone ausgeschüttet. Sie gaukeln uns vor, dass sie uns emotional etwas bedeuten würden. Aber das tun sie nicht. Diese Bindungen sind falsch, aber sie füllen ein paar Lücken in meinem Leben. Reiner Eigennutz eines Egoisten.






Ohh das hört sich nicht gut an, was?..
Jedenfalls wollte ich mal kurz die Frage stellen, ob die Abstände der Uploads so in Ordnung sind. Ich kann das schlecht beurteilen.

Würde mich riesig über Feedback oder Votes freuen!

Liebe Grüße♡

BesessenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt