Kapitel 31

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Ich hob meinen Blick, da ich mich etwas beobachtet fühlte und erkannte auch gleich den Verursacher dieses Gefühls. Der Junge von vorhin. Er schaute mich etwas besorgt an.

Warte besorgt?

,,Starr ihn nicht so an, du Freak. Das ist unheimlich."
Mich durchzog Gänsehaut, als ich ihre Stimme wahrnahm. Schnell schaute ich hoch in Auroras Gesicht, die sich gelangweil an meinen Tisch angelehnt hatte. Sie kaute irgendein Kaugummi, dessen süßlicher Geruch tief in meiner Nase stoch.
,,Ich hab nicht gestarrt", versuchte ich mich zu verteidigen, wenn auch vergeblich.
,,Jedenfalls gehen wir doch heute mit Catherine shoppen, nicht?", fragte sie mich zuckersüß. Ich nickte leicht zur Bestätigung.
Auf was wollte sie hinaus?
,,Sie ist heute etwas früher gegangen wegen einem Arzttermin. Ich soll dir sagen, da wir für mich relativ viel kaufen müssen, ich ihr unser Haus zeigen wollte und sie mir ihres, dass du vielleicht besser alleine gehen solltest, bevor du dich langweilst... oder wir uns wegen dir langweilen."

Sie fing an, schrill zu lachen, das Mädchen hinter ihr, welches ich vorher noch nicht wahrgenommen hatte, ebenfalls.
Verletzt sah ich zur Seite.

,,War doch nur Spaß." Sie strich sich einmal über ihr enges weißes Rüschchen-Top, wobei mir ihre rot lackierten und gepflegten Nägel auffiehlen.
,,Du kannst natürlich mitkommen, aber naja.. ich glaube, du hängst schon ziemlich sehr an Cath, was manchmal recht anstrengend für sie ist."

Meine Befürchtungen machten sich leider wahr. Ich war Belast für Catherine oder "Cath", wie Aurora sie nannte. Das tat mir doch leid; ich wollte das doch nicht! Aber die Message hinter ihrer Rede sprang mir wie ein Neonmarker ins Auge.

Sie wollten mich nicht dabei haben

,,Ist okay, Aurora, ich gehe direkt nach Hause oder noch einmal selber in die Stadt. Ich wünsche euch viel Spaß."
Ich sah wieder hoch in ihre grün funkelnen Augen. Sie fokussierten mich streng. ,,Ja danke, wie auch immer, ich gehe jetzt. Man sieht sich."

Damit drehte sich die Blondine um und lief elegant aus der Bibliotheken, wobei sich einige Jungs nach ihr umdrehten. Aber wer konnte es ihnen verübeln? Sie war hübsch und hatte eine top Figur. Sie machte bestimmt viel Sport, hatte eine gute Ernährung und sonst auch gute Gene.

"Ich glaube, du hängst schon ziemlich sehr an Cath, was manchmal recht anstrengend für sie ist."

War ich echt so schlimm? Wieso zur Hölle machte ich alles kaputt?!
Vielleicht war ich nicht dazu bestimmt, enge Bindungen zu halten.
Vielleicht sollte es einfach so sein..

Meine Gedanken wurdem unterbrochen, als mir ein Taschentuch unter die Nase gehalten wurde. Verwundert schaute ich hoch und sah in die schönen blauen Augen von vorhin, in die Augen des Jungen von vorhin.
,,Hier", kam es freundlich und beruhigend aus seinem Mund.
Er hielt mir das Taschentuch weiterhin hin.

Geschockt fasste ich mir an meine nasse Wange. Ich habe geweint!
Schnell nahm ich das Geschenk an und tupfte mir damit unter meinem Wimperkranz bis zu meinem Kinn das Gesicht ab. Ich hatte gar nicht bemerkt, dass mir Tränen die Wange hinuntergerinnt sind.

Es herrschte eine peinliche Stille zwischen uns. Wer war er und wieso tat er das für mich? War es eine Wette? Ein Spiel? Verwechselte er mich mit jemand anderen?

 ,,Gehts wieder?" Fürsorglich schaute mich der Braunhaarige an, der sich inzwischen mir gegenüber gesetzt hat

Lächelnd nickte ich. ,,Danke."
Nun war er derjenige, der lächelnd nickte.

Kurz war es wieder still, bis ich diesmal anfing zu reden. ,,Wie heißt du?" Er lehnte sich lässig an seinem Stuhl zurück und antwortete.

,,Kyle und du?"

,,Caprice."

Kyle weitete seine blauen Augen. ,,Du bist Caprice?" Ich zog verwirrt eine Augenbraue hoch. ,,Du kennst mich?" ,,Ja! Also nein, aber die Mädels haben bisschen über dich erzählt."

Oh nein, jemanden mit Vorurteilen kennenzulernen, ist das schlimmste, was passieren kann.

,,Ach.. ja? Und... was haben sie so erzählt?" ,,Nichts relevantes. Nur dass du 'ne Freundin von einer gewissen Catherine bist und an sich nicht viel redest. Eher, dass du in dich gekehrt bist." Er zuckte gleichgültig mit den Schultern. ,,Introvertierte Personen können viel interessanter sein, als extrovertierte."

Hat er mich gerade als interessante Person dargestellt?

Kurz bevor ich etwas erwidern wollte, sprach er weiter. ,,Ich hab gehört, du musst heute alleine shoppen gehen?" Ich strich mir eine entglittene Strähne hinters Ohr und sah ich auffordernd an, er solle weitersprechen.
,,Ich hab heute Nachmittag nichts vor und wollte dich fragen, ob du nicht vielleicht Gesellschaft und gute Beratung dabei haben möchtest?"

Erstaunt sah ich ihn an. Er wollte mit shoppen gehen? Mit mir? Einer vollkommen unbekannten Person? Wir kannten uns vielleicht seit einer viertel Stunde. Was bewegte ihn, einen gutaussehenden Jungen aus der 12ten Klasse mit nahe zu perfektem Ruf, dazu mit mir, einem unsichtbarem und zurückhaltendem Mädchen, eine Verabredung zu vereinbaren und Aufmerksamkeit zu schenken?

,,Du willst da echt mitgehen?", fragte ich schüchtern und mit rötlichen Wangen. Überzeugt nickte er. ,,Klar."
Es bildete sich ein selbstgefälliges Grinsen auf seinem männlichen Gesicht. ,,Außerdem siehst du ja, dass es mir zumindest an Modeverständnis nicht fehlt." Daraufhin fing ich an zu lachen.

Was ein Typ.

Kyle stieg mit ins Lachen ein, worauf wir von der Bibliothekarin ein wütendes "Pschhht" kam, was uns noch mehr zum kichern brachte.

Aber ich musste ihm Recht geben. Ein Blick auf seinen Kleidungsstil und man konnte sagen, dass es ihm wohl im Blut zu liegen schien. Was solls.. kann halt keiner so perfekt sein wie er und die anderen schönen Leute, mit denen ich zu tun habe. Warum auch immer mein Umfeld so großartig sein muss, liegt wohl an Karma, denn es sollte wissen, dass ich leicht Minderwertigkeitsgefühle produziere.

,,Also? Ja oder ja." Ich verdrehte spielerisch die Augen. ,,Von mir aus, du Modeguru." Kyles Augen fingen an, zu strahlen, als er wie aus dem Nichts aufstand, seine Sachen packte und mich mit sich aus der Bücherei zog, wobei ich noch gerade so meinen Rucksack schnappen konnte.
,,Das wird lustig."

,,Äh Kyle? Ich muss noch in den Unterricht. Ich hab noch eine Stunde Physik." Kyle jedoch schien ganz andere Pläne zu haben, denn er ignorierte mich. ,,Kyle?"
,,Nix da. Du wolltest doch einkaufen gehen, also tun wir das jetzt."

Wie bitte?!

Ich versuchte seine Hand von meinem Handgelenk zu lösen, mit dem er mich durch die ganze Schule zog und blieb mitten im Flur stehen. ,,Aber ich hab noch nie geschwänzt!" Verständnislos sah er mich an. ,,Und weiter?"

Was verstand er denn nicht?!

,,Deswegen werde ich das jetzt auch nicht tun." ,,Falsch. Genau deswegen solltest du es tun. Und jetzt komm, wir haben viel vor." Er ergriff wieder meine Hand und zog mich weiter. Und diesmal ließ ich es zu.

Bis heute weiß ich nicht, wieso ich es tat, aber ich ließ mich führen, mit dem Gedanken, dass ich zeigen wollte, dass ich mehr zu bieten hatte als Langeweile. Ich wollte mutig sein, eine Person, mit der man etwas erleben konnte.

Kyle lief mit mir nun nach draußen an die frische Luft und ich schloss genießerisch die Augen. Feine Pollen flogen durch die Luft und die Nachmittagsonne strahlte schön durch die Blätter der grünen Bäume hindurch. Es war wie als wenn eine angenehme Melodie die Welt versüßte. Ich breitete die Arme aus und drehte mich einmal. Dabei zog ich den frischen Sauerstoff ein, der von einem weichen Hauch von Blumenduft umhüllt wurde. Die Luft strömte zwischen meinen Fingerspitzen entlang und brachte die Haut darunter zum kitzeln.
Ich blieb wieder stehen und öffnete die Augen und sah in seine, die mich freundlich anblickten. Sie wirkten so weich. Und das Lächeln, das ich ihm schenkte war fast so schön wie die süße Melodie, die diese Glücksgefühle in die Welt verteilte.







Hier bin ich wieder..
Kommentare würden mich freuen:)

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